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Medien: Eine Frau, viele Floskeln und ein nackter Stürmer

Heute endet die erste Bundesliga-Saison für die „Sportschau“ und das Deutsche Sport-Fernsehen. Wie haben sie sich geschlagen?

Mit Uli Hoeneß fing alles an. Er war der erste Gast am 2. August vergangenen Jahres, am Tag, als die Bundesliga nach 15 Jahren Abstinenz in die „Sportschau“ zurückkehrte. Uli Hoeneß erzählte vom Bratwurstfest mit Autogrammstunde, mit dem der FC Bayern die Saison begonnen hatte. Fast fünf Millionen Zuschauer sahen zu.

Was wurde vorher nicht alles gesagt: Der alte Mythos solle neu belebt werden. Man biete „Bundesliga pur“, weniger Werbung und mehr Fußball, aufbereitet mit modernsten technischen Mitteln. Ist das wirklich gelungen? War die „Sportschau“ – nach elf Jahren „ran“ – tatsächlich so neu? Wie hat sich das kleine Deutsche SportFernsehen (DSF), das erstmals die zwei Sonntagsspiele exklusiv zeigen durfte, geschlagen?

Der Versuch einer Bilanz zum letzten Bundesliga-Spieltag:

DIE KÖPFE: Keine Frage, die „Sportschau“ profitiert von den talkshowerfahrenen Moderatoren Reinhold Beckmann und Gerhard Delling. Waldemar Hartmann, der den Studio-Job auch gern gemacht hätte, musste zu den Spitzenspielen ins Stadion. Dort rutschten ihm Fragen heraus wie die an Jupp Heynckes: „Hätten Sie das Spiel gern gewonnen?“

Die DSF-Moderatoren Frank Buschmann und Uwe Gronewald fanden bei ihrer Erstliga-Premiere einen guten Mittelweg zwischen „ran“ und „Sportschau“, wobei sie auf allzu starke Boulevardisierung verzichteten: Man habe nicht immer zeigen wollen, „ob Olli Kahn im P1 war oder zu viel bei Verena“, sagte Buschmann. Keine Selbstverständlichkeit im Privatfernsehen.

DIE GEWINNER : Monica Lierhaus. Die Ex-Premiere-Moderatorin verstärkte die „Sportschau“-Männerriege nach der Winterpause. Sie wirkte kompetent und sympathisch. Genau wie Frank Buschmann vom DSF. Bei einer Umfrage der Zeitschrift „TV Digital“ wurde Buschmann Deutschlands viertbester Fußball-Kommentator, hinter Kerner, Beckmann und Marcel Reif. Buschmann spielt sich nicht in den Vordergrund, ist aber auch nicht langweilig. So ein Mann täte dem ZDF-„Sportstudio“ gut.

DIE VERLIERER: Ob Michael Antwerpes oder Andreas Witte – die 15 „Sportschau“-Reporter traten in manche Floskelfalle. So gab es auch in dieser Saison reichlich „gestandene Profis“ (Jürgen Bergener) und viel „Luft, die immer dünner wird“ (Bergener). Immerhin: Meistens „stimmte der Einsatz“ (Gerd Gottlob). Nachzulesen im „Sportschau“-Jahrbuch 2003/2004, das Mitte Juni erscheint. Auch die oft überdramatisierte, gekünstelte Emphase der DSF-Kommentatoren Hermanns, Morawe und Höner („Willkommen im Irrenhaus!“) kann nicht im Sinne des Ausbilders Ernst Huberty sein. Der Wunsch des langjährigen „Sportschau“-Moderators, dass es mehr „individuelle“ Reporter geben solle, die die Zuschauer auch mal durch Schweigen einbinden können, blieb unerhört.

DIE SPIELBERICHTE: Den technischen Standard von „ran“ hat die „Sportschau“ gehalten. In der Art und Weise, ein Fußballspiel zu übertragen, die Bilder auszuwählen, unterscheiden sich ARD, DSF und Sat 1 (mit der Champions League) kaum noch voneinander. Die Dramaturgie eines siebenminütigen, aus acht Kamerapositionen zusammengesetzten Spielberichts hat sich gegenüber alten „Sportschau“-Tagen längst geändert. Der Präsident auf der Tribüne ist genauso wichtig wie der Torschuss auf dem Spielfeld. Ausnahme: Premiere. Der Pay-TV-Sender setzte Maßstäbe, was Live-Übertragung, Zusammenfassung und Kompetenz betrifft.

DIE QUOTE: Die „Sportschau“ erreicht zwar nicht mehr die Zehn-Millionen-Marke wie vor 20 Jahren, aber sechs Millionen Zuschauer (Spitzenwert am 8. Mai: 7,53 Millionen Zuschauer, siehe Grafik) sind deutlich mehr als bei „ran“. Und im Gegensatz zu „ran“ schaffte es die ARD auch, die 45 Millionen Euro Rechtekosten plus vier Millionen Euro für das TV-Signal durch Sponsoring und Werbung wieder reinzuholen. „Die ARD hat, wie versprochen, für die Finanzierung des Rechteerwerbs keine Gebührengelder eingesetzt“, sagte der ARD-Vorsitzende Jobst Plog.

Der vor zwei Jahren totgesagte Spartensender DSF tauchte durch die Erste Liga aus der Bedeutungslosigkeit auf. Durchschnittlich drei Millionen Zuschauer sahen die Sonntagssendung um 19 Uhr, mehr als bei Sat1. „Mit den beiden Spielen haben wir erstmals eine schwarze Null geschrieben“, sagt Geschäftsführer Rainer Hüther. Insgesamt stieg der Marktanteil des Deutschen Sport-Fernsehens von 1,0 auf 1,4 Prozent, auch dank „Bundesliga aktuell“, eines täglichen News-Formats, das in Sachen Hintergrundjournalismus mehr zu bieten hatte als das ergraute ZDF-„Sportstudio“.

Beim Pay-TV Premiere wuchs die Sehbeteiligung in dieser Saison um 17 Prozent auf durchschnittlich 2,2 Millionen.

WAS ZU VIEL WAR: Gerhard Dellings Wortspiele und das Studiopublikum beim DSF. Aber ohne Fanschalgewedel und Anrufspielchen geht es im Privatsender wohl nicht.

WAS FEHLTE: Der Radiomann Günter Koch als „Sportschau“-Kommentator.

WAS PEINLICH WAR: Die Zeichentrick-Filmchen, in denen die „Sportschau“ witzig sein will. Die neuen Machtverhältnisse zwischen Ruhrgebietsklubs etwa präsentierte die ARD als Cartoon von ergreifender Subtilität: Dortmund und Schalke lagen als alte Fettsäcke unter einem Baum, um den Bochum als sommersprossiges Kind herumhüpfte.

Das DSF wiederum war so stolz auf seine guten Kontakte zu Werder Bremen, dass es bei der Meisterfeier des Klubs in den Kabinen des Münchner Olympiastadions den Bremer Stürmer Ailton eine Minute lang nackt zeigte. Da war das DSF zu nah dran.

WIE ES NOCH BESSER WIRD: Wie sagte Ernst Huberty zum „Sportschau“-Comeback: Zu viel an Unterhaltung sei nicht gut, zu wenig auch nicht. Das Modell „geteilter Bundesliga-Fußball“ (Samstag: ARD, Sonntag: DSF) hat sich in diesem Zuschauer-Sinne bewährt. Es geht bis 2006 so weiter. Öffentlich- rechtliches und privates Fernsehen nähern sich an, auch ein Zeichen für die nächste WM. Bis dahin dürfen die Moderatoren noch ein bisschen mutiger werden. Die deutlichen Worte, mit denen Waldemar Hartmann die Oberen des FC Bayern kritisierte, als die sich nach der Niederlage gegen Werder Bremen einem Interview in der Sendung „Blickpunkt Sport“ verweigerten, waren ein guter Anfang. Es gibt ja nicht nur Bratwurstfeste.

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