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Medien: Eine Wissenschaft für sich

Streng nach Wikipedia: Eine Webseite erklärt Bayerns Underground-Szene

27 Artikel gibt es derzeit auf www.sub-bavaria.de zum Stichwort „Berlin“ – doch vom Alexanderplatz keine Spur. Statt des Berliner Wahrzeichens findet sich unter „A“ „Acid Maria“. Sie, so erfährt der Leser, „stammt aus München, ist Resident-DJ im ,Ultraschall‘ und ,Harry Klein‘. Mittlerweile lebt sie in Berlin und studiert am ZKM Karlsruhe“. Darunter ein Foto von „Acid Maria“: Eine schwarzhaarige junge Frau, die zur Seite blickt und dabei den Mund aufreißt.

Auch die Suche nach „Gendarmenmarkt“ schlägt fehl – stattdessen liefert der Buchstabe „G“ Informationen zu den „Gebr. Teichmann“: Das, so steht hier, sind „die Brüder Andi Teichmann und Hannes Teichmann. Auch verantwortlicht für das Festplatten-Label“.

Bahnhof? Macht nichts, so geht es wohl vielen Besuchern von www.sub-bavaria.de, eint die Gebrüder Teichmann und Acid Maria doch nicht nur die bayrische Herkunft, sondern auch ein ziemlich niedriger Bekanntheitsgrad.

Denn es ist die Undergroundszene des Freistaats, die das Internetlexikon www.sub-bavaria.de vorstellen will. Vorbild ist die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“: Jeder Nutzer kann Artikel schreiben, bearbeiten oder diskutieren.

Anders gehe es nicht, denn die Szene im Freistaat sei kaum vernetzt, sagt Mitinitiatorin Ania Mauruschat (29): „Wer nach Berlin geht, will groß rauskommen. Bayerische Künstler bleiben gern unter sich.“ Sie muss es wissen, schließlich kommt die Journalistin erstens gebürtig aus Berlin und lebt zweitens seit zehn Jahren in München – und weiß „trotzdem noch wenig von der Szene. Hier gibt es kein Stadtmagazin wie ,Zitty‘ oder dergleichen“.

Also schlossen sich Mauruschat, ihr Kollege Julian Doepp (35) und der Unternehmensberater und Künstler Patrick Gruban (30) zusammen, um Licht in den bajuwarischen Untergrund zu bringen. Seit Ende Juli ist ihr Projekt online, inzwischen gibt es rund 900 Einträge, und jeden Tag kommen neue hinzu. Noch sind die Beiträge auf www.sub-bavaria.de einem dermaßen kleinen Publikum bekannt, dass sie bislang wenig Text vorzuweisen haben. Überhaupt lohnt sich die Option „Zufälliger Artikel“: Wie sonst soll der Durchschnitts-Berliner von der Münchener Blasmusik-Kapelle „Operativer Vorgang Melancholie“ erfahren, zumal sie sich aufgelöst hat und „Manu nun bei Kamerakino spielt und andere Teile der Band u.a. bei der Express Brass Band, den No Goods und bei Haindling“? Oder dass nicht nur das katholische Kirchenoberhaupt „Papst“ heißt, sondern auch der Schlagzeuger „von Rabbi Satan, dem im spektakulären Video zu ,Mad Cow Desease‘ die Gehirnwindungen (dargestellt durch Schweinedärme) aus dem Kopf fielen“? (Rabbi Satan ist laut Hyperlink eine „Alt-Öttinger Black-Metal-Band“.)

„Bisher gab es in Bayern kein Medium für solche Informationen, bis auf den Zündfunk, aber der ist ja nicht interaktiv“, sagt Ania Mauruschat. Die preisgekrönte BR-Radiosendung ist Mauruschats Arbeitgeber und zugleich Sponsor von www.sub-bavaria.de: Die Redaktion hat eine Kolumne in der Sendung eingerichtet, die wie das Online-Lexikon aufgebaut ist, und zahlt den drei Initiatoren Interview-Reisen, um das Portal weiter auszubauen. Mit dem Ziel, Vorurteile wie das des altmodischen Bayerns abzuschaffen. Alle Klischees widerlegt die Seite aber nicht, so das vom ewig bayerischen Sonderweg: Der Link auf Berlin findet sich in der Rubrik „Befreundetes Ausland“.

Das bayerische Wikipedia:

www.sub-bavaria.de

Nicole Diekmann

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