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Kunst war Dieter Nuhr zu humorlos, deshalb wurde der studierte Kunstpädagoge Kabarettist. Einseitige Abhängigkeiten will er vermeiden und ist deshalb gleich bei mehreren Sendern zu sehen. Beim „Satire Gipfel“ folgt er auf Mathias Richling. Foto: ARD

© rbb/WDR/Herby Sachs

Eingewechselt: Der Freiheitskämpfer

Dieter Nuhr moderiert für 3sat und RTL – nun will er sich beim ARD-„Satire Gipfel“ dem Glauben widmen.

Bei einem Skiunfall zum Jahreswechsel hat sich Dieter Nuhr mehrere Rippen gebrochen. Eine denkbar schlechte Zeit für so einen Unfall. Am Donnerstag soll Nuhr als neuer Frontmann das Kabarett-Flaggschiff der ARD, den „Satire Gipfel“, wieder auf Erfolgskurs bringen – und das braucht Durchhaltevermögen. Der angeschlagene Nuhr sieht das im Gespräch ein paar Tage vor dem großen Auftritt erstaunlich gelassen. „Silvester lag ich auf der Intensivstation. Mit dem Luftkriegen habe ich noch Probleme. Aber ich kann beim ,Satire Gipfel’ ja zwischendrin mal abgehen zum Atmen.“

Nuhr ist Sternzeichen Skorpion geboren, und die gelten als leidenschaftlich, emotionell, unberechenbar. Auf der Bühne gibt Nuhr eher den Ruhigen. Bis Anfang letzter Woche war vollkommen unklar, ob der 50-Jährige nach seinem Unfall rechtzeitig auf die Beine kommt, um beim Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB), der den „Satire Gipfel“ nun zusammen mit dem WDR produziert, auf der Bühne zu stehen und dabei auch noch lustig zu sein. An Ersatzprogramme musste gedacht werden. Nun sagt der lädierte Kabarettist in aller Seelenruhe, es wird schon gehen.

Riesenschritte, Akrobatik und parodistische Faxen à la Mittermeier oder seines Vorgängers Mathias Richling sind sowieso nicht die Sache des Düsseldorfers. Nuhr ist als Moderator des Kabaretts einer derjenigen, der den Spagat zwischen klassischem Dieter-Hildebrandt-Kabarett und Stand-up-Comedy hingekriegt hat, auch wenn Nuhr diese Einordnung nicht so gerne hört. Genauso wenig, wie er sich auf einen Sender festlegen lässt: noch zu Silvester der Jahresrückblick bei 3sat, heute der „Satire Gipfel“ in der ARD, am Freitag die neue Show „Typisch Frau, typisch Mann“ bei RTL. Für den Kölner Privatsender hatte der Kabarettist im vergangenen Sommer bereits ein großes WM-Special moderiert.

ARD, ZDF, RTL, der studierte Kunstpädagoge scheint in kein Schema zu passen. Mit der Kunst als Beruf ist es nichts geworden. Das war Dieter Nuhr zu humorlos. Ende der 1980er Jahre verschlug es ihn auf die Kabarett-Bühne. Seit über einem Jahrzehnt, mit dem Comedy-Boom im Fernsehen, hat sich Nuhr einen Namen gemacht. Kann er nun nicht genug kriegen? Heute da, morgen dort, wie ist dieser erstaunliche Switch zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten zu erklären? „Ich wollte nie in einseitige Abhängigkeiten geraten, mir immer einen Standpunkt suchen, wo ich nicht verortet werden kann.“ Er sei nicht der Blödler aus der Comedy-Sendung, aber auch nicht der verbissene Ideologe aus der stalinistischen Kabarett-Sendung. Das Bedienen von Feindbildern werde mit ihm jedenfalls schwieriger werden. „Ich denke, davon profitieren alle. Ich bringe ja sicher auch ein bisschen jüngeres Publikum mit zur ARD.“

Die ARD kann das gut gebrauchen. Mit jährlich mehr als 200 000 Zuschauern gehört der 50-Jährige zu den erfolgreichsten Bühnen-Kabarettisten in Deutschland. Sein Tour-Programm „Ich bin’s nuhr“ besuchten eine halbe Million Menschen. Hört man sich unter Comedy- und Kabarett-Freunden um, gibt es kaum jemanden, der an Dieter Nuhr etwas auszusetzen hat. Überall heißt es: Nuhr, das ist ein Guter. Das müsste funktionieren. Fragt sich bloß, wie lange. Noch ist nicht klar, ob es im Ersten nach der für den Sommer angekündigten Programmreform vor lauter Talkshows überhaupt noch einen festen Satire-Platz im Abendprogramm geben wird.

Seit dem Abtritt von Altmeister Hildebrandt 2003 und dem endgültigen Aus des „Scheibenwischer“ 2009 hat die Nachfolgesendung „Satire Gipfel“ auf dem gleichen Sendeplatz gleich mehrere Personalwechsel und Facelifts erfahren. So richtig zur Marke wurde sie, bei aller individuellen Klasse von Mathias Richling und zufriedenstellender Quoten, damit nicht – anders als „Neues aus der Anstalt“, das recht erfolgreiche, junge Konkurrenzprodukt vom ZDF.

Was will Dieter Nuhr beim „Satire Gipfel“ nun anders machen, vielleicht sogar besser? Diese Frage hört er oft in diesen Tagen. Er zögert. Das Rad lasse sich nicht neu erfinden. Zwei bis drei Gäste, Fünf-Minuten-Auftritte, die politischen Themen des Monats. „Ich mache das auf meine Art, aber nicht in Abgrenzung zu Mathias Richling. Natürlich bin ich von meiner Grunddrehzahl erheblich niedriger. Ich mache keine Parodien.“ Die Sendung verändere sich mit dem Moderator.

Das kann lustig werden. Eines der Lieblingsthemen des neuen Moderators ist – der Glauben, vor allem Islam und Christentum. Bei dieser Geschichte holt der Rekonvaleszent mal richtig tief Luft. „Ich war immer am Thema Freiheitsrecht interessiert. Von religiöser Seite wird einem zunehmend vorgeschrieben, wie man zu leben hat.“ Er sei ein eher renitenter Typ, kann nicht begreifen, wie sich das Kabarett aus diesem Thema hat raushalten können. „40 Jahre war der Gegner die CSU, das war so einfach.“

War das jetzt zu ernst, zu verbissen? Verbissen möchte Dieter Nuhr auf gar keinen Fall herüberkommen, so wirkt es zumindest im persönlichen Gespräch. Er nimmt sich Zeit für die Sätze, vielleicht liegt es an den verletzten Rippen. Vielleicht ist das auch typisch, cool, eben der „George Clooney des deutschen Kabaretts“, wie ihn Thomas Hermanns mal genannt hat. Dieter Nuhr sagt zum Schluss: „Ich würde gerne mal eine Leiche im ,Tatort’ spielen.“ Da darf er aber gar nicht atmen.

„Satire Gipfel“, ARD, 22 Uhr 45

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