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Vom Regierungssessel auf den Intendantensessel. Ulrich Wilhelm, seit Februar „Ansager“ im Bayerischen Rundfunk, hat die Seiten recht stilsicher gewechselt. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Ende der Schonzeit: Motivieren statt drangsalieren

Der neue BR-Intendant Ulrich Wilhelm kommt bei den Mitarbeitern gut an. Doch nun muss er sparen.

Im prächtigen Senatssaal des Bayerischen Landtags drängen sich die Zuhörer, es gibt nur noch Stehplätze. Eingeladen wurde zum „Akademiegespräch“, Thema „Demokratie und Medien“. Alle sind gekommen, um den Vortragenden bei einer Art Einstand zu erleben: großer Empfang für Ulrich Wilhelm, bis Mitte vergangenen Jahres Angela Merkels Regierungssprecher in Berlin, seit Februar neuer Intendant und damit mächtigster Mann des Bayerischen Rundfunks (BR).

Der 49-Jährige gibt den intellektuellen Sonnyboy, wie man ihn von der Berliner Bühne kennt – allerdings nicht mehr im Dienste der unionsgeführten Bundesregierung, sondern als Vorkämpfer für einen unabhängigen, parteifernen Qualitätsjournalismus. Eine rasche Wandlung. Wilhelm kritisiert in seinem Vortrag, dass die „deutlich aufgerüstete Öffentlichkeitsarbeit“ auf „ausgedünnte Redaktionen“ stoße, dass immer mehr Themen den Journalisten „von außen“ aufgesetzt würden. Und er beschwört die „Chancen des Qualitätsjournalismus“, der sich nicht davor scheuen dürfe, den Menschen sperrige, aber wichtige Themen vermitteln zu wollen. In die Richtung möchte er den Bayerischen Rundfunk steuern, die viertgrößte ARD-Sendeanstalt.

Das ist eine ambitionierte Ansage in Zeiten des Hechelns nach Einschaltquoten, des Kampfes mit den Privatsendern um Werbeeinnahmen, in Zeiten von Modelshows und Dschungelcamps. Es sei eine „schiefe Ebene“, sagt Ulrich Wilhelm, „wenn man Medienpolitik zuallererst als Wirtschaftspolitik begreift“. Dabei roch es nach politischer Vetternwirtschaft, als der gebürtige Münchner, der die größte Strecke seines beruflichen Lebens im inneren CSU-Zirkel wirkte, vom Regierungssprecher zum Intendanten gewählt worden war. „Merkels Mann für München“ wurde geschrieben. Und: „Vom Regierungssessel auf den Intendantensessel“.

Das CSU-Mitglied Ulrich Wilhelm ist gelernter Journalist, er war eine Zeit lang freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, auch in der Chefredaktion. Doch schon mit 30 Jahren zog es den Juristen in den bayerischen Staatsdienst – in Ämter, die ausschließlich über die Christsozialen zu bekommen waren. Sein Vater Paul Wilhelm war 33 Jahre lang CSU-Landtagsabgeordneter. Ulrich Wilhelm arbeitete in der Staatskanzlei unter Ministerpräsident Edmund Stoiber. Er wurde Regierungssprecher, dann Amtschef im Wissenschaftsministerium, bevor ihn 2005 Kanzlerin Angela Merkel nach Berlin holte. Seine Verschmelzung mit der CSU redet Wilhelm jetzt eher klein – er sei immer „verbeamteter Staatsdiener“ gewesen und habe nie ein Wahl- oder Parteiamt ausgeübt. Trotz dieser Vorbehalte hört man von den Mitarbeitern des Bayerischen Rundfunks nur Gutes über ihn. Zur Vorstellung hat er die Journalisten nicht zu sich geladen, sondern ist zu ihnen gegangen, in die Büros in der Münchner Zentrale wie auch in die BR-Ableger im Freistaat. Ihm wird Sachkunde, intellektueller Geist, Uneitelkeit und jede Menge Charme bescheinigt. Er erscheine wie einer, so sagen BR-Journalisten, der die Mitarbeiter motiviere und nicht drangsaliere. Der sagt: „Gut gemachte Produkte finden ihr Publikum.“

Hat Ulrich Wilhelm seinen CSU-Werdegang abgestreift? Als eine seiner ersten Entscheidungen hat er die „Medienpartnerschaft“ des BR mit der Bewerbungsgesellschaft für die Münchner Olympischen Spiele 2018 beendet. Seit April werden keine kostenlosen Werbespots mehr gesendet. Auf eine solche Parteinahme sollte sich ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht einlassen. Der schnell erworbene Glanz des Ulrich Wilhelm könnte allerdings bald verblassen. Der BR muss sparen. Bei der Politik-Berichterstattung wird schon jetzt gekürzt, Reportagen im Hörfunk werden gestrichen, kritisieren der Bayerische Journalistenverband und Verdi. Mehr Geld gebe es für Planungsrunden, die sich in langen Diskussionen Gedanken machen über die Weiterentwicklung des Programms.

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