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Medien: „Entscheidend ist das Fernsehen“

„Spiegel“-Chef Aust diskutierte über den Wahlkampf und Inszenierungen

Von Markus Ehrenberg

Rot-Grün muss sich wegen der Bundestagswahlen keine Sorgen machen. Die Regierungskoalition kommt locker über 50 Prozent. Und die Herausforderer von der CDU/CSU erleben mit rund 25 Prozent ein Debakel. So haben jedenfalls die rund 700 Besucher des 2. Medien-Gipfels entschieden, der am Donnerstagabend im Rahmen des „Medienforums 2002“ im Kunsthaus Tacheles stattfand.

„Die Sensation des Abends“, kommentierte n-tv-Chef Helmut Brandstätter das Umfrageergebnis im Saal. Dort saßen Journalisten, Werber, Berater, Kommunikationsprofis, alles Vertreter einer Branche, die sich in diesen TV-Duell-Tagen immer wieder fragt, ob die Medien mehr Einfluss auf die Wählerentscheidungen haben als früher.

Nachrichtenmagazine scheinen an Relevanz eingebüßt zu haben. Wie sonst könnte „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust sagen: „Das Entscheidende an diesem Wahlkampf ist das Fernsehen.“ Stefan Austs Begründung: „Schröder und Stoiber sind noch interessierter daran, ihr Produkt über den Bildschirm direkt an den Wähler zu bringen und sich nicht auf Journalisten zu verlassen, die unsicheren Kandidaten.“ Es gehe auch in der Nachbereitung nur noch darum, wie sie etwas gesagt haben, nicht was.

Da überrascht es nicht, dass sich 20 Prozent der Wähler nicht an Parteienwerbung orientieren oder erinnern können. Kein einziges Wahlkampfplakat habe er gesehen, so Thomas Heilmann von Scholz & Friends, das an das beste von 1998 herankomme (von der SPD: „Wollen Sie das Programm wirklich beenden?“). Alles wirke rundgeschliffen, fügte Aust hinzu, „sogar die Krawatten im zweiten TV-Duell sahen gleich aus.“

Noch deutlichere Worte zu den Fernsehduellen fand die ehemalige „Bunte“-Chefredakteurin Beate Wedekind: „Eine Katastrophe.“ Wieso der Kanzler und der Kandidat die zwei Mal 75 Minuten nicht dazu genutzt haben, sich als etwas „andere Persönlichkeiten“ darzustellen, statt auswendig gelernte Sätze von sich zu geben, sei ihr immer noch ein Rätsel.

Und nun? Entscheiden mediale Inszenierungen die nächste Wahl? Diese Frage ließ die Runde offen, trotz eines äußerst meinungsfreudigen Stefan Aust, dessen Gesprächs-Performance Schröder und Stoiber als Anschauungsmaterial empfohlen sei.

„The final countdown“, so der etwas reißerische Titel des Medien-Gipfels, war jedenfalls bessere Unterhaltung als die Duell- Geschichte vom Sonntagabend. Jeder durfte noch mal sagen, was er will (Beate Wedekind: „Angela Merkel, die hat viel mehr Persönlichkeit als Stoiber“), was er nicht will (Helmut Brandstätter: „Das Angebot Stoiber heißt für mich nur ein fröhlich keifender Späth“), oder wie er rechnen kann (Stefan Aust: „Die Wahrscheinlichkeit, dass die FDP bei der nächsten Regierung dabei ist, ist höher als bei SPD oder CDU“).

Axel Wallrabenstein scheint noch zu hoffen: „Vor drei Wochen lag die SPD unten, jetzt eben die CDU/CSU. Die können auch wieder zulegen.“ Bündnis ’90/Die Grünen eher nicht – wenn es nach der Saal-Umfrage geht: Die Besucher hievten sie auf 23 Prozent.

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