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© ARD

Erinnerungs-TV: Nie wieder wie zuvor

Trauer, Schmerz, Weiterleben. Ein ARD-Film neun Monate nach dem Amoklauf von Winnenden.

Das kann sich niemand vorstellen. Nach dem Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009, wurde zwar ausführlich darüber berichtet, was an Schrecklichem passiert ist, wie viele Menschen verletzt wurden oder starben, wie der Amokläufer an die Waffen kam, und mit welchen Reflexen die Gesellschaft auf die Wahnsinnstat reagierte. Der ARD-Film „Der Amoklauf von Winnenden. Weiterleben nach der Bluttat“ von SWR-Autor Stefan Maier, den das Erste an diesem Montagabend zeigt, richtet den Blick jedoch auf die Folgen des Amoklaufs für die Menschen, die die Gewalttat überlebten oder nun als Hinterbliebene mit ihrem Verlust zurechtkommen müssen.

Eine von ihnen ist Elena. Ihre drei besten Freundinnen starben an diesem Tag in der Albertville-Realschule in Winnenden, sie selbst wurde von fünf Schüssen verletzt, die Narben an Arm und Hand sind unübersehbar. „Nachdem ich aus dem Krankenhaus kam, war meine größte Angst, dass die Eltern meiner Freundinnen mich nicht mehr sehen wollten, weil sie denken, die Ellie darf leben, doch unsere Kinder nicht“, sagt sie, während sie neben Kristinas Mutter sitzt. „Wenn schon Kristina nicht mehr leben kann, dann doch wenigstens Elena“, antwortet die Mutter nicht zum ersten Mal, wenn sie und die Freundin der toten Tochter sich wie schon so oft gegenseitig trösten. „Wenn ich an meine Tochter denke, muss ich lächeln. Sie hätte nicht gewollt, das ich nur noch traurig bin“, sagt sie ein anderes Mal. Der Verlust, die Trauer, „es ist nichts mehr so, wie es war“, sagt hingegen die Mutter der getöteten Stefanie Kleisch, „und es wird wohl auch nie mehr so sein“, schließt sie den Satz. Ihr Mann sitzt betroffen und schweigend daneben – und bleibt ebenfalls nicht untätig. Dieter Kleisch gründete ein Aktionsbündnis, kämpft seitdem gegen Waffenbesitz, Killerspiele und dafür, dass Gewalt geächtet wird. In Großbritannien wurden nach einem ähnlichen Amoklauf vor 14 Jahren alle Waffen in Privatbesitz verboten, dort gab es seither keine weitere vergleichbare Gewalttat.

Doch es ist nicht diese Diskussion, wie künftige Amokläufe verhindert werden können, zum Beispiel dadurch, dass den Tätern in den Medien kein Podium mehr gegeben wird. Es sind vielmehr dieser unfassbare Schmerz und die Verzweiflung, die haften bleiben. Und dazu gehören auch die Aufnahmen von der offiziellen Trauerfeier, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit Bundespräsident Horst Köhler, mit Frank-Walter Steinmeier von der SPD. Wie die Schüler die großen Kerzen mit den Namen der Getöteten anzünden, zum Altar tragen, für jedes der 15 Opfer eine, keine für den Täter. Und jedes Mal klicken laut die Verschlüsse der Fotoapparate. Wie leicht könnte man dabei vergessen, dass zu diesem Gefühl der Anteilnahme ja auch diese Kamera gehört, die diese Aufnahmen des Gedenkens festgehalten hat.

Der zutiefst einfühlsame und zurückhaltende Film von Stefan Maier gibt keine Antworten darauf, wie es zu solchen schrecklichen Tragödien kommen kann, zumal in einem Bundesland wie Baden-Württemberg und auch nicht, wie sie zu verhindern sind. Er zeigt, dass man die Lehren aus dem Amoklauf von Erfurt gezogen hat, in dem die Polizei darauf trainiert wird, zuerst den Täter unschädlich zu machen, und sich erst dann um die Opfer zu kümmern, um noch Schlimmeres abzuwenden. Aber vor allem erinnert der Film daran, wie abrupt das normale Leben enden kann, bis dann nichts mehr ist wie zuvor. Kurt Sagatz

„Der Amoklauf von Winnenden. Weiterleben nach der Bluttat“, 21 Uhr, ARD

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