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Gefällt ihr. Auf Facebook lassen sich neue Freundschaften schließen und alte pflegen. Aber ist das ein Ersatz fürs echte Leben?

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Erwiderte Liebe: Facebook: Hier bin ich Fan, hier darf ich’s sein

Die Journalistin Beate Wedekind nutzt Facebook exzessiv. Das Netzwerk hat ihr Leben verändert, weil es wie für sie gemacht ist. Doch manchmal muss sie sich fragen lassen: Wie ist das mit der Realität?

Ende August hat Heike-Melba Fendel, Chefin der Agentur Barbarella-Entertainment, im Tagesspiegel am Sonntag über ihre enttäuschte Liebe zu Facebook geschrieben. Heute antwortet Beate Wedekind, warum sie von dem sozialen Netzwerk begeistert ist.

Meine Kollegin Anne Philippi zog von Berlin nach Los Angeles. Sie sagte: Lass uns in Kontakt bleiben, und schickte mir eine Einladung zu Facebook. Das war Ende April 2009.

Ich war nicht neu in den sozialen Medien und dachte, ich sei gut versorgt: Ich schrieb einen Blog, eine bunte Medienauslese, hatte im Schnitt 1500 Unique Visitors täglich, war bei Xing mit der Branche und auf Platinnet mit Leuten vernetzt, die meinten, am Puls der Generation 50 plus zu sein. Ein Freund warnte, lass die Finger von Facebook, die halten nichts von Datenschutz. Ich habe nicht auf ihn gehört; meine Daten kann man nicht mehr schützen, sie schwirren auch ohne Facebook längst unauslöschbar im Internet.

Den Blog habe ich mittlerweile eingestellt, weil mir das Genörgel anonymer Kommentatoren auf den Geist ging. Bei Xing bin ich noch, nutze das berufliche Netzwerk aber eher selten, bei den Platinhaarigen bin ich zur Karteileiche mutiert. Und Facebook? Facebook hat mein Leben verändert. Denn Facebook ist wie für mich gemacht.

Foto: dpa
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Ich bin neugierig aus Überzeugung. Ich habe schon als kleines Kind fremde Leute angesprochen. Ich bin eine begeisterte Kommunikatorin, eine umtriebige Networkerin. Ich gebe gern überall meinen Senf dazu, gelegentlich auch ungefragt. Quasselstrippe nannten mich deshalb meine Tanten. Ich habe nach Umwegen aus meinem Mitteilungsbedürfnis dann sogar meinen Beruf gemacht, bin, da war ich schon 30, Journalistin geworden. Und eine durchaus erfolgreiche noch dazu.

Als ehemalige Chefredakteurin von Zeitschriften wie „Elle“ und „Bunte“ fühlte ich mich geradezu amputiert, seit ich kein Blatt mehr machen konnte. Als ich die Möglichkeiten von Facebook entdeckte, rief ich: „Hurra“. Auf Facebook kann ich wieder Blattmacherin sein, mein Facebook fülle ich wie meine eigene Zeitung, mein eigenes Magazin, mit allem, was ich mitteilenswert finde.

Manchmal greife ich dabei auf meinen Schatz an Lebenserfahrung zurück, oder ich schreibe auf, was ich gerade persönlich erlebe, worüber ich mich freue und aufrege, was ich beobachte, wenn ich unterwegs bin im heimischen Kreuzberg ebenso wie in der Welt. Gern gebe ich weiter, was ich in anderen Medien entdeckt habe, denn ich bin – déformation professionelle – ein Nachrichtenjunkie.

Das Schönste ist: Meine Leserschaft wächst und gedeiht, kommentiert fleißig und durchaus kontrovers und teilt mir mit „Gefällt mir“-Clicks mit, dass ich offensichtlich mit meinen Facebook-Beiträgen am Puls der Zeit bin.

Ich habe auch die negativen Seiten kennengelernt

Gefällt ihr. Auf Facebook lassen sich neue Freundschaften schließen und alte pflegen. Aber ist das ein Ersatz fürs echte Leben?
Gefällt ihr. Auf Facebook lassen sich neue Freundschaften schließen und alte pflegen. Aber ist das ein Ersatz fürs echte Leben?

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Heute habe ich auf meinem Facebook einen Kreis von mehr als 4900 Leuten versammelt. Dazu mehr als 1500 Mitglieder in meiner Gruppe Delights, die sich mit den schönen Seiten des Lebens befasst. Plus die mehr als 1500 Leute in meiner Gruppe, in der ich mich mit meinem neuen Afrika-Magazin „365_oneworld“ beschäftige. Von diesen Leuten kenne ich mehr als die Hälfte persönlich, entweder bin ich im wirklichen Leben mit ihnen bekannt, befreundet oder weiß, was sie machen, was sie antreibt, dass wir gemeinsame Interessen haben. Die anderen kenne ich nicht oder wenig, so wenig, wie sie sich mir auf Facebook zu erkennen geben. Aber welcher Chefredakteur kennt schon jeden seiner Leser persönlich ...

Natürlich habe ich auch die negativen Seiten von Facebook kennengelernt, üble Erfahrungen mit Vertretern krasser Meinungen und perverser Lebenseinstellungen gemacht und üble Erfahrungen mit einem unangenehmen Zeitgenossen, der sich in mein Leben einschleichen wollte. Cyberstalking ist ein Phänomen, gegen das auch gewiefte Internet-User wie ich nicht vollends gewappnet sind. Selbst schuld kann ich da nur sagen.

Wo die feine Linie zwischen Öffentlichkeit und Privatheit zu ziehen ist, musste auch ich erst lernen. Wer sie überschreitet, wie ich das in diesem einen Fall getan habe, der darf sich nicht wundern, wenn das schief geht. Der Fall ist überstanden, der Typ blockiert, und ich habe meine Ruhe.

Das Beste an Facebook aber ist dieses „Lass uns in Kontakt bleiben“. Alte Freundschaften habe ich wieder beleben können, Menschen, die aus unerfindlichen Gründen, aus meinem Blickfeld entschwunden waren, tauchen wie aus dem Nirwana plötzlich wieder auf ,und wir spinnen den Faden unserer Freundschaft über Facebook weiter oder nähern uns neu an. Wie Gudrun und ich, wir waren Nachbarskinder in Duisburg und hatten uns über 50 Jahre aus den Augen verloren.

Neue Freundschaften entstehen, wie die mit dem jungen Amerikaner, den ich einmal am Frankfurter Flughafen in einer Schlange am Check in ansprach. Er war aus dem Irak gekommen, wo er als Agrarexperte arbeitete, und auf dem Weg nach Ibiza, um ein paar Tage Party zu machen. Ich bestand darauf, ihm auch das andere, das bäuerliche Ibiza, zu zeigen, es hat ihn beeindruckt. Dank Facebook ist unser Kontakt nie wieder abgerissen. Heute arbeitet er im Kongo, und nächste Woche heiratet er seine Kindergartenliebe, eine Deutsche aus Nigeria, in Texas. Über die Einladung zur Hochzeit habe ich mich riesig gefreut.

Neulich bekam ich eine Freundschaftsanfrage von einem Mann, den ich einmal geliebt habe. Vor genau 40 Jahren hatten wir uns getrennt. Ich zögerte keine Sekunde, mit einem Click waren wir wieder verbunden. Er ist wie ich immer noch Single, lebt seit vielen Jahren in Hongkong. Noch treffen wir uns nur auf Facebook, aber demnächst auch wieder im wirklichen Leben. Wir haben uns in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba verabredet, wo ich teilweise lebe und er geschäftlich zu tun hat. Das kann doch kein Zufall sein.

Ich bin sehr neugierig, wie das ist mit der Realität.

Beate Wedekind gibt das Afrika-Magazin 365_oneworld heraus. Mehr dazu auf facebook: https://www.facebook.com/groups/wwwedekind.365.oneworld/

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