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Medien: „Es herrscht Kopierwahn“

Markus Peichl, der die Lead-Awards organisiert, über die Zeitschriftentrends 2004

Die Wohn und Designzeitschrift „AD“ wurde bei den Lead-Awards zur besten Zeitschrift des Jahres gewählt. Was ist so gut an ihr?

„AD“ ist eine der wenigen Zeitschriften, in der sich Bild und Text zu einem gelungenen Ganzen verbinden. Immer seltener gibt es diese kreative Reibung zwischen Artdirektion und Chefredaktion, was früher bei Zeitschriften selbstverständlich war. Heute vertrauen einige Zeitschriften ausschließlich dem Text, andere nur noch dem Bild. Das sind Coffee-Table-Blätter: Sie liegen rum und sehen schön aus.

Zum Beispiel?

Die Hefte zum Gucken kommen aus dem Independent-Bereich. Bei „Sleek“, „Squint“, „Deutsch“ und „Zoo“ findet opulente Optik statt…

…„Deutsch“ und „Zoo“ sind Lifestyle-Hefte, die im vergangenen Jahr in Berlin erfunden worden sind. Es herrschte eine kleine Gründerzeit. Bei den Lead-Awards gehen die neuen Hefte aber leer aus.

Die Zeitschrift „Qvest“ hat abgeräumt. Auch ein Berliner Magazin, nur ein bisschen älter. Es bekam den Preis fürs beste Cover und den Preis als „Visual Leader“…

…für die innovativste Optik.

„Qvest“ ist im Independent-Bereich die einzige Zeitschrift im klassischen Sinne: mit Reportagen, Kolumnen, Essays. Da kommen die anderen nicht heran. Aber wir begrüßen sehr, dass es die Blätter gibt: Wir haben eine vitale Independentszene, das ist wunderbar.

Aber man sieht nie jemanden in der U-Bahn oder im Café „Zoo“, „Qvest“ oder „Dummy“ lesen. Sind nicht ein paar Modedesign-Studenten die einzigen, die die Hefte kaufen?

Mit der Frage „Wer liest denn das?“ sind die Zeitschriften in die Fantasielosigkeit getrieben worden. Die Frage impliziert, dass man immer nur das machen kann, was es schon gibt. Wo soll Erneuerung sonst herkommen als von Leuten, die von der Austauschbarkeit genug haben und Neues machen? Und wenn es gut ist, finden sich immer Leser.

Die kleinen, die so genannten Pocketformate bei den Frauenzeitschriften sind ein Zeitschriften-Trend des Jahres. Bilder sind darin nur noch Schnipsel. Wird mit ihnen das ambitionierte Layout abgeschafft?

Die Pocketformate sind kein Trend, der uns freut. „Glamour“ war eine hervorragende verlegerische Idee: ein kleines, billiges Heft mit edlem Inhalt. Die Großverlage haben es alle nachgemacht – aus reinem Marketingreflex. Jetzt haben wir eine Schwemme: „Flash“, „Jolie“, „Joy“. Die Leute fragen uns: Warum findet denn der Trend bei der Vergabe der Lead-Awards keinen Niederschlag? Ganz einfach, sage ich: Wir heißen Lead- Award und nicht Me-Too-Award. Wir weisen auf die herausragenden Leistungen hin und nicht auf den ständigen Kopierwahn.

Das Zeitgeist-Heft „Neon“ war wohl die ambitionierteste Neugründung des vergangenen Jahres. Sie hat auch keinen Preis bekommen.

„Neon“ ist inhaltlich zu brav und konventionell und optisch ein bisschen outdated.

Den alten „Stern“ haben Sie dafür zur zweitbesten Zeitschrift gewählt.

Ja, und zwar weil das Blatt lange sehr unentschlossen war, ob es eine Illustrierte oder ein Magazin sein will. Seit letztem Jahr ist der „Stern“ eindeutig ein Magazin. Er hat eine neue Identität gefunden. Nur wenn sich die Gelegenheit bietet, macht man lange Bildstrecken, und die sind so gut, wie es der „Stern“ seit Jahren nicht mehr hingekriegt hat.

Im vergangenen Jahr herrschte Krise bei den Zeitschriften. In der Krise, heißt es immer, ist Innovation gefragt. Konnten sie irgendwelche Innovation entdecken?

Im Massenmarkt haben sich die Zeitschriften immerhin aufs journalistische Handwerk, auf die klassischen Blattmachertugenden besonnen. Man merkte, dass man mit Marketing am Ende ist.

Die Fragen stellte Barbara Nolte.

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