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Putin überall. Auch mit einem europäischen russischsprachigen TV-Kanal soll dem Sender „Russia Today“ Konkurrenz gemacht werden.

© picture alliance / dpa

Estland, Lettland, Litauen: USA schulen baltische Journalisten für Kampf gegen Kreml-PR

Im Informationskrieg zwischen Russland und dem Westen starten die USA eine Ausbildungskampagne für Journalisten aus dem Baltikum. Sie sollen fit werden für den Kampf gegen Moskaus Agitprop.

In mehrstufigen Crashkursen, zu denen auch Praktika in Amerika gehören, wollen die USA Journalisten aus dem Baltikum fit machen für den Kampf gegen russische Propaganda und Desinformation, die sich seit Beginn der Ukrainekrise vervielfacht hätten. Um dabei erfolgreich zu sein, heißt es auf der Website der US-Botschaft im litauischen Vilnius, die das Programm koordinieren soll, fehle Journalisten in Osteuropa und im postsowjetischen Raum häufig noch „das Instrumentarium“.

Die Kurse richten sich daher an Anfänger wie an alte Hasen. Sie sollen auch zur Diversifizierung der Medienlandschaft beitragen, sie „reifer“ und „aktiver“ machen. Dazu sollen die Trainees auch nach ihrer Ausbildung engen Kontakt untereinander und zu ihren Coachs halten. Diplomaten in den drei Republiken – Estland, Lettland und Litauen – sollen beim State Department bis Ende August konkrete Vorschläge für Kandidaten samt deren ausführlichem Lebenslauf einreichen und das Projekt in ihren Gastländern aktiv bewerben. Die Kurse selbst sollen im September starten und ein Jahr dauern.

Insgesamt steht eine halbe Million US-Dollar zur Verfügung

Das Ziel, rügt Russlands auflagenstärkste seriöse Tageszeitung, die „Iswestija“, bestehe nicht allein darin, den Journalisten eine antirussische Position zu vermitteln, gewünscht sei vielmehr eine proamerikanische. Für die Honorierung entsprechender Texte sei ein spezieller Posten im Budget vorgesehen. Insgesamt steht eine halbe Million US-Dollar zur Verfügung.

Moskau tippt auf eine Retourkutsche. Den USA sei es nicht gelungen, eine globale antirussische Koalition zu schmieden, heißt es in einem Kommentar zum Thema auf der Website des Außenamtes. Der Politologe Andranik Migranjan glaubt sogar, der Westen befürchte, den Informationskrieg gegen Moskau zu verlieren. Der Auslands-TV-Kanal Russia Today sei zur weltweit größten Propagandamaschinerie aufgestiegen und beeinflusse zunehmend auch das Russlandbild der westlichen Eliten, die bisher eher zur Klientel von BBC und CNN zählten.

Viele Balten informieren sich ausschließlich aus russischen Medien

Hinzu komme, dass die russische Diaspora ein „Biotop“ sei, der sich auch im Ausland so gut wie ausschließlich über russische Medien informiert; zumal in den Baltenstaaten mit starken russischen Minderheiten – in Lettland 30 Prozent. Viele davon seien keine Vollbürger, sondern Wutbürger, die sich diskriminiert fühlten. Das mache alle drei Republiken langfristig extrem verwundbar und könnte auch der Nato auf die Füße fallen. Ausdrücklich wendet sich das Trainingsprogramm daher auch an russischsprachige Medien im Baltikum.

Die heutigen internationalen Konflikte, warnte schon im Februar Generalleutnant Andrei Kartapolow, Abteilungschef im russischen Generalstab und ein ausgewiesener Experte für ideologische Kriegsführung, würden vor allem durch „umfassende Propagandakampagnen im jeweiligen Gegnerland“ entschieden und nicht durch „direkte Kampfhandlungen“. So gesehen, führt Moskau derzeit einen Zwei-Fronten-Krieg. Denn auch Europa versucht, Russland aus dem „internationalen Informationsraum zu verdrängen“, wie das Moskauer Außenamt es sieht.

Oligarch Michail Chodorkowski soll als Sponsor bereitstehen

Allein in diesem Jahr, ätzte die „Iswestija“, würde der europäische Steuerzahler zu diesem Behufe um anderthalb Millionen Euro erleichtert. Das Gros dürfte das „EastStratCom“-Team verschlingen, eine im April gegründete Task Force, die sowohl russische Propaganda in Osteuropa und im postsowjetischen Raum abwehren als auch Euroskeptizismus in Georgien, Moldawien und vor allem in der Ukraine bekämpfen soll. Ein europäischer russischsprachiger TV-Kanal ist ebenfalls angedacht. Das wird dann allerdings richtig teuer. Russia Today brauchte in der Startphase 2006 über 20 Millionen Euro. Doch für den europäischen Gegenentwurf soll der kremlkritische Oligarch Michail Chodorkowski als Sponsor bereitstehen.

Für die USA dagegen hat das Projekt „Digitales Parlament“ besonders hohe Priorität. Dazu soll der in Prag ansässige US-Auslandssender RFE/RL Internetuser aus Russland und den anderen Exsowjetrepubliken, die derzeit in unterschiedlichen sozialen Medien organisiert sind, auf einer gemeinsamen Plattform vernetzen. Weltweiter Kampf gegen „das revanchistische Russland“, befand die Führungsriege des Senders, der Broadcasting Board of Governors, dem Außenminister John Kerry höchstselbst vorsteht, habe die gleiche Bedeutung wie der Kampf gegen den Islamischen Staat. Dazu darf der Sender im neuen Finanzjahr, das am 1. Oktober beginnt, laut russischen Erkenntnissen insgesamt 15,6 Millionen Dollar Staatsknete verschießen.

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