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Friede, Freude und ein Eierkuchen. Ob staatliches Fernsehen oder staatlich kontrolliertes Privatfernsehen, die Programme sollen Normalität simulieren, mit Kochshows, Komik, Seifenopern und Talkshows. Foto: AFP

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Fern der Realität: Krieg? Welcher Krieg denn?

Syriens Staatsfernsehen will das Publikum ablenken und beruhigen. Mit Kochen, Komik und Nachrichten über den bezaubernden Sommer in Damaskus.

Wer dieser Tage in Syrien das Staatsfernsehen einschaltet, muss sich die Frage stellen, ob der blutige Konflikt im Land wirklich Realität ist. Mehr als 16 Monate nach Beginn der Revolte gegen Staatschef Baschar al Assad veranlassten erst der tödliche Anschlag vom 18. Juli auf den engsten Führungszirkel und die Ausweitung der Kämpfe auf Damaskus den Sender, über die bedrohlichen Ereignisse zu berichten – wenn auch nur minimal. Während Syrien brennt, wird der Zuschauer mit Seifenopern, Diätshows oder Aerobic-Programmen abgespeist.

Nach dem Anschlag, bei dem vier herausragende Vertreter der Regierung Assad starben, wurde der Ton im Staatsfernsehen dann etwas ernster. Erstmals waren die Leichen von Rebellen zu sehen, daneben Bilder von Soldaten, die stolz erklärten, die Stadtviertel der Hauptstadt „auf Geheiß der Einwohner von Terroristen gesäubert“ zu haben. Der Öffentlichkeit sollte einmal mehr versichert werden, dass sich Syrien einer „Verschwörung“ ausgesetzt sehe.

In den Tagen danach wurde der Hurrapatriotismus immer heftiger: Zu sehen sind kampferprobte Soldaten, die ein Spezialtraining absolvieren, unterlegt sind die Bilder von den „mutigen Streitkräften“ mit patriotischer Musik. Die arabischen Satellitensender Al Dschasira und Al Arabija werden von der syrischen Führung wegen ihrer kontinuierlichen Berichterstattung über den Konflikt geschmäht, der Slogan des syrischen Staatsfernsehens lautet dagegen: „Unsere Stimme ist lauter, unser Bild ist klarer.“ Und während die Kämpfe landesweit immer erbitterter werden und das Blut fließt, wacht der Zuschauer des Staatsfernsehens zu Bildern eines jungen Mannes auf, der erklärt, „wie man einen Bizeps und einen Trizeps trainiert“.

Anschließend erfährt der Zuschauer alles über die „Vorteile von Vollkornbrot“, „Straußenfarmen in Syrien“, „die Wiederbelebung orientalischer Musik“, „Antiquitätenausstellungen in Aleppo“ oder „Kochen im Ramadan“. Im heiligen Fastenmonat zeigt der Sender am liebsten Seifenopern.

Kurz vor Beginn der Gefechte in der syrischen Hauptstadt informierte das Staatsfernsehen den Zuschauer in einem Bericht auf Englisch über den „so bezaubernden Sommer in Damaskus, dank der Jacaranda-Bäume“. Auch als die Kämpfe im Stadtteil Midan wüteten, versicherte das Staats-TV, dass „alles in Ordnung“ sei. Ein vor Ort entsandter Reporter interviewte sichtlich eingeschüchterte Autofahrer und bewertete die Situation danach als „ruhig“ – als im Hintergrund Explosionen und Schüsse zu hören waren.

Inzwischen scheint das Staatsfernsehen – von den Regierungsgegnern oft verhöhnt – auch von Assad-Unterstützern teilweise nicht mehr ernst genommen zu werden. „Wir unterstützen auf jeden Fall die Regierung und die Armee, aber die Sender sagen definitiv nicht die Wahrheit“, sagt der Lebensmittelhändler Bassam. Ahmed, ein nach Beirut geflohener junger Syrer, sagt: „Sie wollen uns für dumm verkaufen.“ In den sozialen Netzwerken im Internet kursieren bereits Witze über an Absperrungen patrouillierende Soldaten, die Zivilisten vorwerfen, sich in Gefahrenzonen begeben und die Situation verkannt zu haben, weil sie das Staatsfernsehen verfolgt hatten. (AFP)

Rana Moussaoui

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