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Atzorn, Walser

© SWR

Fernsehballade: Wenn die Sucht Regie führt

Der Titel schreckt ab, wird aber glücklicherweise dem Film nicht gerecht. Robert Atzorn und Franziska Walser in ''Mein Mann, der Trinker''.

Der Titel schreckt ab, wird aber glücklicherweise dem Film nicht gerecht. Im Grunde ist „Mein Mann, der Trinker“ ein Abgesang auf eine ganze Generation, auf die sogenannten 68er, deren Ideale zu grandios waren, als dass der Katzenjammer – später, nach dem Ende des Traums von der Revolution – nicht auch biografisch durchschlagen musste. Kunstpädagoge Ludwig Wohlstedt (Robert Atzorn) jedenfalls konnte seine Enttäuschung über Rückkehr und Dominanz bürgerlicher Wohlanständigkeit nicht wirklich verwinden. Das aber gelang seiner Frau Annemarie (Franziska Walser), der Gefährtin aus frühen rebellischen Tagen. Sie vermisst eigentlich nichts, ist stolz auf ihr harmonisches Eheleben mit Ludwig. Bis sie spürt, dass da was nicht stimmt. Aus ihrer Perspektive wird der Film erzählt. Insofern hat der Titel dann doch wieder seine Berechtigung.

Vermisste Ludwig nur den rebellischen Gestus, die große Verweigerung, den Widerstand? Nein, dafür ist er zu reflektiert, zu reif, zu gern auch Pädagoge. Er litt darunter, dass zu wenig Neues geschah, dass seine Ehe kinderlos blieb, dass der Trott ihn einholte. Er brach aus, insgeheim. Sofort schlug sein Gewissen. Hatte er doch eine liebe Frau, an der er sehr hing. Aber die Unzufriedenheit blieb, der Zwiespalt, die Last des Versteckspiels. Da half nur der Griff zur Flasche. In dieser Situation beginnt der Film.

Es ist der Blick der Ehefrau auf ihren Mann, dem plötzlich die Hände zittern, den das Publikum übernimmt. Ludwig schöpft aus seinem Weinkeller, Annemarie und die Zuschauer schöpfen Argwohn. Während die Wahrheit der Alkoholsucht auf den Tisch kommt, kommt auch die Wahrheit der Vergangenheit ans Licht. So ist dieser Film immer mehr als eine Trinkerballade. Ja, sie kommen vor, die bekannten Stationen: Sie vernichtet seinen Weinvorrat, er kauft sich an der Tanke einen Flachmann. Und leugnet. Bis er zusammenbricht und in der Klinik landet. Der Arzt empfiehlt stationären Entzug, sie aber hilft ihm raus: „Wir sind doch zwei intelligente Menschen, wir müssen das doch zusammen schaffen.“ Doch das „Zusammen“ ist nicht mehr echt, die Sucht führt Regie. Allmählich lernt die geschockte Frau das Unglück ihres Mannes kennen.

So, eingetragen in das Drama einer Generation, entfaltet der Film – Buch: Bernd Böhlich – starkes Zeitkolorit. Regisseur Bodo Fürneisen führt seine Stars Atzorn und Walser gradlinig ohne Angst vor Pausen und Pathos. Beide Darsteller sind auf der Höhe ihrer Ausdruckskraft zu bewundern. Der sonst eher hölzerne Atzorn gibt hier als Leidender, der gern alles mit sich selbst ausmachen würde, mehr von sich preis. Und die Warmherzigkeit, die Walser ausstrahlt, ohne etwas tun zu müssen, sie reicht nicht mehr aus in dieser Krise. So gibt die Schauspielerin ihrer Figur hier die nötige Bitterkeit mit. Am Schluss geht Anne. Er fragt. „Bis morgen?“ Er kennt sie doch. Kennt er sie noch?

„Mein Mann, der Trinker“, ARD,

20 Uhr 15

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