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Madonnen

© ZDF

Fernsehen: Die Liebe der Mütter

Sandra Hüller erzählt im Spätprogramm des ZDF von eigenwilligen „Madonnen“

Wenn Mütter ihre Kinder vernachlässigen oder ihnen noch Schlimmeres antun, ruft das heftiges Unverständnis hervor. Was sind das nur für Mütter, die nicht ausreichend von dieser reinen, selbstlosen Liebe aufbringen, die in der christlichen Religion durch die Marien-Figur symbolisiert wird? Maria Speth erzählt in „Madonnen“ von einer solchen Frau, intensiv und überzeugend verkörpert von Sandra Hüller, die vor drei Jahren für ihre Darstellung in „Requiem“ den Deutschen Filmpreis und den Silbernen Bären erhielt.

Hans-Christian Schmid schilderte in „Requiem“ den Fall einer tödlichen Teufelsaustreibung in Bayern, „Madonnen“ greift dagegen kein religiöses Thema auf, auch wenn das der Titel vermuten ließe. Rita (Sandra Hüller) ist mit ihrem jüngsten Kind in Frankreich unterwegs, wo sie endlich ihren leiblichen Vater kennenlernen will. Sie wird in Deutschland von der Polizei gesucht, ihre anderen vier Kinder leben bei Großmutter Isabella. Susanne Lothar spielt diese Isabella ganz ohne die komische Exzentrik, die sie sonst häufig auszeichnet. Die Dritte im Bunde ist die 13-jährige Luisa Sappelt, die die Rolle von Ritas ältester Tochter Fanny übernommen hat. Weil auch die Großmutter wenig Zeit hat, trägt Fanny die Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister. Ein Drei-Generationen-Film also über Mythos und Wirklichkeit der Mütter-Rolle.

Maria Speth und die Distanz wahrende Kamera von Reinhold Vorschneider begleiten die Frauen sachlich und ruhig, vermeiden Hinweise auf eine moralische Wertung. Wenn Rita von ihrem eigenen Vater, einem Polizisten, an die deutschen Kollegen ausgeliefert wird, oder wenn sie erstmals nach langer Zeit wieder alle Kinder sieht, wird das nüchtern und ohne jeden melodramatischen Effekt erzählt. Rita fühlte sich in der Kindheit von ihrer Mutter im Stich gelassen und scheint unfähig zu sein, feste Bindungen einzugehen. Sie brachte fünf Kinder von verschiedenen Vätern zur Welt. Als sei es eine Rache für die ihr vorenthaltene Liebe, schiebt Rita die Verantwortung für die vier älteren Kinder der eigenen Mutter unter. Nach der Zeit im Knast versucht sie jedoch einen neuen Anfang, unterstützt von Marc (Coleman Orlando Swinton), einem amerikanischen Soldaten. Eine schwierige Wieder-Annäherung beginnt, vor allem zwischen Rita und Fanny. Die Kinder sind reserviert und verletzt, aber hoffen doch auf eine Rückkehr der Mutter.

Die Regisseurin nimmt sich Zeit für ihre behutsame, leise Mütter-Studie. Ein langsames Erzähltempo über fast zwei Stunden, stille und genaue Beobachtung statt ausufernder Dialoge und aufpeitschender Musik: „Madonnen“ kümmert sich wenig um Fernseh-Konventionen. Schön, dass sich öffentlich-rechtliches Fernsehen an der Finanzierung von Filmkunst beteiligt, allerdings landen solche Werke unweigerlich am Rande der Programme, in diesem Fall auf dem Sendeplatz des „Kleinen Fernsehspiels“. Nach Mitternacht wird diese 2007 mit dem Hessischen Filmpreis ausgezeichnete Produktion aber auch für Cineasten zu einer echten Herausforderung. Thomas Gehringer

„Madonnen“, ZDF, 0 Uhr

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