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© RTL

Fernsehen: Im Kuhstall der Gefühle

Selbst intellektuelle Städter schalten das RTL-Format „Bauer sucht Frau“ ein. Es ist die momentan erfolgreichste deutsche Fernsehsendung.

Von Andreas Oswald

Wer träumt nicht davon, einmal Liebe auf dem Heuboden zu machen? Und wer wünscht sich nicht einmal, einen richtigen Kuhstall sehen und riechen zu dürfen?

Den richtigen Riecher hat RTL. „Bauer sucht Frau“ ist momentan eine der erfolgreichsten Sendungen im deutschen Fernsehen. Sie lockt jeden Montag Millionen von Zuschauern und geht bereits in die dritte Staffel. An diesem Montag saßen sensationelle 7,84 Millionen vor dem Fernseher, um die Romanze plus Moderatorin Inka Bause zu sehen. Wie viele erfolgreiche Sendungen ist sie mit wenig Aufwand gedreht. Ein Volltreffer.

Jeder dritte Landwirt sucht eine Frau, heißt es. Glaubt man der Sendung, dann sind die Frauen geradezu verrückt danach, einen Bauern kennenzulernen. Da setzen sich reihenweise Städterinnen allem aus, was das schöne Landleben so mit sich bringt. Morgens früh aufstehen, Kühe melken, mit dem Traktor aufs Feld fahren, die Höhepunkte eben.

Der Tag auf einem Bauernhof ist klar aufgeteilt. Der Bauer sagt der Frau genau, was sie tun soll, und sie macht einfach nur, was er sagt. Er weiß genau, wo es langgeht und redet nicht viel. Beziehungen können sehr einfach sein, und wer träumt nicht einmal von dieser Unkompliziertheit, dieser Geborgenheit, von einer Welt ohne Beziehungsdiskussionen und Konflikte. Wenn es stimmt, was die Sendung zeigt, dann ist es für eine Frau relativ leicht, einen Bauern zufriedenzustellen. Sie darf eigentlich nur nicht zu viel reden oder bei der Arbeit stören. Oder etwas durcheinanderbringen. Wahrscheinlich gilt das für alle Männer, aber man muss schon eine Sendung über Landwirtschaft machen, um zum Kern des Lebens vorzustoßen.

Es gibt keine belastbare Statistik, wie viele städtische Intellektuelle, männlich, sich diese Sendung jeden Montag anschauen; weibliche Intellektuelle tun sich das Frauenbild dieser Sendung wahrscheinlich seltener an. Es muss aber einen Grund geben, warum das Landleben so publikumswirksam ist. In der ersten Staffel waren die Protagonisten wirklich pralle Leute. Die Bauern sahen richtig gut aus, sie waren auf ihrem Hof erfolgreich, waren zupackend und hatten eine emotionale Ausstrahlung. Wie sie sich so präsentierten, war alles an ihnen authentisch, ohne zweite Ebene, gänzlich unverstellt. Solche Naturburschen haben schon etwas an sich. Stämmig und selbstbewusst standen sie da, sagten laut, kurz und klar, was sie denken und was sie wollen. Prachtkerle waren das. Und dann erst die Frauen. Genau passend. Strahlend, zupackend, gut aussehend. Diese Leute standen zu dem, was sie wollten. Keine Selbstzweifel, kein langes Nachdenken über die Dinge der Welt. Einfach grundlos glücklich sein inmitten der schönen Natur, in klaren Verhältnissen leben. Ist das nicht wunderbar? Das Publikum hat recht.

Und wie pragmatisch die Menschen sind. Da lebt ein Bauer zur Probe mit zwei Bewerberinnen zusammen. Die Frauen, die eigentlich Konkurrentinnen sind, verstehen sich wunderbar, befreunden sich, reden darüber, wie schön es wäre, wenn der Bauer am Ende beide nehmen würde. Die Frauen wären glücklich und, wie es scheint, auch der Bauer, aber Polygamie, das lässt die Sendung nicht zu.

Wie „Bauer sucht Frau“ sich überhaupt mehr und mehr vom Schönen abwendet. Die Bauern, die präsentiert werden, sehen bei Weitem nicht mehr so kernig aus wie früher, der Anteil der Problemmänner nimmt deutlich zu. Da macht doch der eine oder andere den Eindruck, als sei er in den ersten 40 Jahren seines Lebens noch nie mit einer Frau zusammen gewesen. Entsprechend schwieriger gestaltet sich das Kuppelgeschäft. Es sind auch kaum noch richtige Prachtfrauen da, die sich mit Inbrunst um die Männer bewerben. Stattdessen will die eine dauernd über die Beziehung reden, die andere kämpft mit Würgereiz, als ihr der bayerische Kuhwirt, Furthi mit Namen, den Stall zeigt. Statt die Prachtviecher zu bewundern, auf die er so stolz ist. Und dann noch melken? Die Frau flüchtet angeekelt.

Vielleicht findet RTL immer weniger Prachtkerle und die dazu passenden Frauen, vielleicht ist es aber auch eine bewusste Entscheidung, Konflikt und Ekel auf Kosten von Kitsch, Schönheit und Harmonie in den Vordergrund zu schieben. Dann droht am Ende eine Krawallsendung wie „Frauentausch“ und Ähnliches. RTL hat anlässlich der Sendung eine Umfrage veröffentlicht, welche Berufe Frauen am wenigsten mögen. Leichenwäscher steht an der Spitze. Männer würden am wenigsten gern eine Prostituierte heiraten. Darauf läuft die nächste Sendung vielleicht hinaus. „Prostituierte sucht Mann.“ Das wird auch was.

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