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Fernsehen: Liebe oder Loyalität

Im ZDF-Krimi „Stralsund“ muss sich eine Frau zwischen Geisel und Gangster entscheiden: Martin Eigler (Buch und Regie) sowie Co-Autor Sven Poser haben einen packenden Fall konstruiert und dabei einige hübsche Ideen eingebaut.

Zwei Geiselnahmen, zwei Morde, ein weiterer Mordversuch: Die Hansestadt Stralsund an der Ostsee ist im ZDF-„Fernsehfilm der Woche“ Kulisse für einen ereignisreichen Thriller. Sollte man zumindest meinen. Doch „Stralsund – Mörderische Verfolgung“ verspricht im ersten Teil des Titels eindeutig zu viel. Der hochklassige Krimi mit Katharina Wackernagel, Bernadette Heerwagen und Harald Schrott zeigt von dem ins Weltkulturerbe aufgenommenen Städtchen nicht viel mehr als ein Gewerbegebiet, das auch sonstwo stehen könnte. Hin und wieder schwenkt die Kamera zur neuen Rügenbrücke hinüber, und am Ende, als es tatsächlich noch zu einer Verfolgung kommt, führt die Geschichte immerhin in die Natur am Stadtrand. Die prächtige Altstadt bleibt dagegen außen vor – rätselhaft, warum das ZDF dennoch die Zuschauer mit einem gewissermaßen touristischen Hinweis im Titel lockt.

Etwas rätselhaft auch, wieso auf den zahlreichen Krimisendeplätzen immer häufiger gesellschaftliche Dramen in Krimiverkleidung erzählt werden und auf dem renommierten Fernsehfilmplatz des ZDF am Montag klassische, harte Krimistoffe. Aber dem Publikum wird’s egal sein, wenn es derart gefesselt wird wie in diesem Film von Martin Eigler. Zu Beginn wird Susanne Winkler (Kirsten Block), die Chefin der Polizeiinspektion Stralsund, von einem Anrufer in ein Versicherungsgebäude gelockt, wo bereits ein Geiselnehmer auf sie wartet. Der fordert zwei Millionen Euro und will den wegen Totschlags und Versicherungsbetrugs verurteilten Micha Broder (Harald Schrott) freipressen, den Frau Winkler einst überführt hatte. Natürlich befindet man sich in den Räumen der Versicherung, die Broder einst nach einem verheerenden Feuer die Erstattung des Schadens verweigert hatte.

Auf der Gegenseite schlägt nun die Stunde der jungen, selbstbewussten Kommissarin Nina Petersen (Katharina Wackernagel), die mangels Chefin das Ruder an sich reißt. Eine dankbare Aufgabe für die 30-jährige Wackernagel, die aber zuletzt in Filmen wie „Contergan“, „Die Boxerin“ und „Mein Mörder kehrt zurück“ herausforderndere Rollen zu spielen hatte. Den schwierigsten Part hat eher Bernadette Heerwagen, die die durch Liebe und Loyalität zu zwei Menschen hin- und hergerissene Mona gibt. Diese schwer durchschaubare Mona, die eigentlich Lisa heißt, taucht plötzlich mitten unter den Geiseln auf und scheint die gefangen gehaltene Polizeichefin Winkler ebenso wie den einsitzenden Broder bestens zu kennen. Der Geiselnehmer, der zu diesem Zeitpunkt bereits enttarnt worden ist, wird zunehmend nervös. Die Lage eskaliert, was die hoch pokernde Kommissarin Petersen nicht verhindern kann.

Martin Eigler (Buch und Regie) sowie Koautor Sven Poser haben einen packenden Fall konstruiert und dabei einige hübsche Ideen eingebaut. So löst Nina Petersen nebenbei einen weiteren Fall, der allein durch zwei Verhörszenen erzählt wird, in denen jedoch gewisse Parallelen zur eigentlichen Krimihandlung zu finden sind. Und zum Schluss haben Eigler und Poser dramaturgisch noch ein bisschen „Das Schweigen der Lämmer“ zitiert. Die Frage, wer nun an der richtigen Tür klingelt, das hochgerüstete Sondereinsatzkommando oder die einzelne Polizistin, ist ein klassisches Spannungsmoment. Und das funktioniert auch hier bestens, selbst wenn Katharina Wackernagel nicht Jodie Foster und Stralsund, Mecklenburg-Vorpommern, nicht Belvedere, Ohio, sind. Thomas Gehringer

„Stralsund – Mörderische Verfolgung“, 20 Uhr 15, ZDF

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