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© ZDF

Fernsehheld: Robert Atzorn: Käpt’n Reloaded

Den "Kapitän" hat Robert Atzorn schon einmal gegeben – seit 1997 in mehreren Folgen. Die Figur des knorzigen Seemanns, der kein Wort zu viel sagt und im rechten Moment zu handeln versteht, muss in der Fiction-Abteilung des ZDF Spuren hinterlassen haben. Piratenüberlister und Packeisbezwinger: Atzorn agiert wieder als Harmsen.

Man mochte die Figur einfach nicht beerdigen, zumal ihr Verkörperer, der Schauspieler Atzorn, mit seinen 67 Jahren noch cooler, knorziger, „kantiger“ (so der Hauptredaktionsleiter), kurz irgendwie kapitänsmäßiger geworden ist. Also hat man „Harmsen“ nach neun Jahren reanimiert, um zunächst zwei neue Folgen über die christliche Seefahrt, ihre Gefahren und wie ein Käpt’n Harmsen sie meistert, zu bieten.

Revitalisierungen beliebter alter Fernsehhelden sind (vgl. Schimanski) immer heikel. Einerseits freut sich das Publikum auf eine Wiederbegegnung mit den Stars von gestern, denn es ist treu. Andererseits weiß es: Die Welt hat sich weitergedreht und hat jetzt andere Sorgen, und es selbst, das Publikum, ist auf Abwechslung aus. Die Macher müssen den Konflikt so lösen, dass sie einerseits die nostalgischen Anteile in der Präferenz des Publikums bedienen, müssen andererseits aber à jour sein und den Verdacht zerstreuen, sie kämen mit ollen Kamellen.

Beim „Kapitän“ haben Claudia Kratochvil und Rafael Solá Ferrer (Buch für die Auftaktfolge „Piraten“) und Lorenz Stassen (Buch für „Packeis“) sowie Axel Barth als Regisseur beider Filme die Schwierigkeiten dadurch umschifft, dass sie bei den Guten (Kapitän plus Vertraute) auf die Nostalgie und bei den Bösen (Piraten und andere Verbrecher) auf die Aktualität gesetzt haben. Alles in allem keine schlechte Strategie. Richtig aufgegangen ist sie aber nur beim „Packeis“. Bei den „Piraten“ hat das neu-alte Team erkennbar noch geübt.

Die erste unangenehme Frage, die sich bei so einer Neuauflage erhebt, lautet ja: Was hat der Kapitän all die langen Jahre, die er nicht im Fernsehen war, gemacht? Der Mann muss neu eingeführt werden, es muss eine Erklärung dafür geben, dass man so lange nichts von ihm gehört hat. Das erwartet das Publikum auch und gerade bei einer fiktiven Figur. Und ihre Erfinder, respektive Reanimierer tischen ihm nun folgende abstruse Geschichte auf: Der Verlobte von Harmsens Tochter Anita ist beim Segeln ertrunken. Harmsen war dabei, konnte aber nichts machen. Da er nun glaubt, dass Anita ihm die Schuld gibt, was gar nicht der Fall ist, flüchtet er vor einer Aussprache, taucht unter und lebt davon, dass er Touristen zum Whale-Watching schippert. So geht das über Jahre. Harmsen verlottert und verbittert.

Dieser verquaste Auftakt belastet den ganzen Film. Wozu um alles in der Welt hat man sich einen solchen Quatsch ausgedacht? Wahrscheinlich um der folgenden Handlung, in der Anita von Piraten gekidnappt und vom Papa unter Einsatz des Lebens gerettet wird, noch die Emo-Ebene „Versöhnung“ unterzuschieben. Das wäre gar nicht nötig gewesen. Einem Vater, der seine Tochter aus der Gewalt von Menschenräubern rettet, schaut man auch dann gern zu, wenn er sich gut mit ihr versteht. Hier hatte man einfach zu hoch gepokert und am Ende nichts auf der Hand. „Was wird jetzt aus mir?“, barmt Anita. Dann kommt der Käpt’n und alles wird gut.

Was die „Piraten“ vermissen ließen: Stringenz, Spannung, Glaubwürdigkeit, bietet das „Packeis“, zu dem Harmsen hinausfährt, um ein festsitzendes Forschungsschiff und seine Besatzung zu retten. Es helfen ihm dabei sein Ziehsohn Simon (Peter Fieseler) und Seebär Manne (Waldemar Kobus); die beiden agieren vorzüglich und steuern so den Film über manche Untiefen des Drehbuchs – dass der Käpt''n seinem Manne plötzlich nicht mehr vertraut, ist schwach begründet – sicher hinweg. Und die Forscher? Die haben im ewigen Eis was entdeckt, das noch mehr wert ist als Öl und das sie kriminellerweise für sich behalten wollen. Ein noch üblerer Schurke, ein Ex-Fremdenlegionär, der sich als Smutje tarnt und per Handkantenschlag tötet (Hary Prinz), kommt ihnen auf die Schliche und reißt die Gewalt über das Schiff an sich … Ja wirklich, das ist so erzählt, dass man dabeibleibt und unbedingt wissen will, wie alles zusammenhängt.

Neben Anita (Jasmin Schwiers) sind noch eine junge Forscherin sowie eine Meeresbiologin mit von der Partie. Seltsam, die Frauenfiguren wollen sich in diesem Plot nicht entfalten, wirken wie pflichtschuldigst hineingedrückt. Nur als Opfer (der Piraten) machen sie was her. Es wird wohl noch dauern, bis weibliche Matrosen selbstverständlich geworden sind. Bis dahin gilt auch im Fernsehen: Blumen und Frauen an Bord bringen Unglück.

„Der Kapitän: Piraten“, heute, ZDF 21 Uhr 15; „Der Kapitän: Packeis“, am Montag, 20 Uhr 15, ZDF.

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