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Wahlarena

© dpa

Fernsehkritik: ARD-Wahlarena mit Merkel: Kaum kritisch, zuweilen peinlich

Die Bürger als Stichwortgeber, die Bundeskanzlerin als Lehrmeisterin: Lorenz Maroldt über die ARD-Wahlarena mit Angela Merkel.

Der Politikabend im Ersten beginnt kurz vor der Tagesschau im Reklameblock: Die Apotheker werben für die neueste Ausgabe ihres Kundenmagazins mit Angela Merkel, die dort angeblich erklärt, warum sie Beratung so schätzt.

Eine gute Stunde später steht die wohl beratene Kanzlerin in der Wahlarena der ARD, großkoalitionär gekleidet, rote Jacke, schwarze Hose, und lässt sich die Stichworte zum Vortrag des CDU-Programms mal nicht von Journalisten, sondern von ausgewählten Bürgern geben. Das heikle Thema Afghanistan, das der ARD zuvor noch einen Brennpunkt mit dem Bundesselbstverteidigungsminister Jung wert war, kommt auch dran – ganz am Ende, fünf Minuten vor Schluss. Die Lage ist ernst, sagt die Kanzlerin. Das versteht jeder.

Auch bei anderen Themen müht sich Merkel redlich um eindeutige Worte; es gelingt ihr nicht immer. Als es, zum Beispiel, um Folgen der Pensionsansprüche für den Haushalt geht, verlieren sich ihre angebrochenen Sätze im Nirvana. Da wird der fragende Rentner aus Solingen ganz unruhig, und Merkel sagt traurig: „Ich habe mir so eine Mühe gegeben, es allgemeinverständlich zu erklären…“

Stets bemüht, den gar nicht mal allzu hohen Anforderungen der Wahlarena wenigstens einigermaßen gerecht zu werden, empfiehlt sie einem jungen Langzeitarbeitslosen den Umzug aus Köln, erklärt geduldig die Finanzkrise („Die Banken haben Mist gebaut“), rät einem Abiturienten, zur Sicherung seiner Rente Kinder zu zeugen, gibt einem Unternehmer den pfiffigen Tipp, die Höhe der Produktionsbänder den Gebrechen seiner Arbeiter anzupassen, damit sie nicht vor dem 67. Lebensjahr schlapp machen, und einem fünffachen Familienvater, der ein 2005 gegebenes Merkelversprechen nach höheren Kinderfreibeträgen anmahnt, belehrmeistert sie mit der freundlichen Einleitung „passen se mal auf“.

Was nicht so funktioniert hat in den vergangenen Jahren, schiebt sie schlank auf die Koalition; anderes, sagt sie, „ist auf den Weg geraten“. Na so ein Zufall. Kommt eine Mehrwertsteuererhöhung? „Nenene, ich habe ja schon viel erlebt mit der Mehrwertsteuer. Ich sage nein. Ein klares Nein!“ Eine ältere Frau aus Köln, die dringend eine bezahlbare Seniorenwohnung sucht, geht heim mit der Ankündigung Merkels, mit den Oberbürgermeistern über die Verwendung des Konjunkturprogramms zu sprechen, einer besorgten Mutter aus der Nähe von Krümmel versichert die Kanzlerin, dass sie Störfälle inakzeptabel findet und auch schon von Demos gegen Kohlekraftwerke gehört hat.

Die parallel kommentierende Twittergemeinde ist genervt bis gelangweilt, ein paar Jungunionisten geben wacker zu Protokoll, wie aufrichtig, freundlich, kompetent usw. die Kanzlerin sei. Das eine ist so richtig wie das andere. Kritisch wird es kaum einmal, jedenfalls nicht für Merkel, aber peinlich zuweilen, das jedoch nur für die ARD. Mittendrin kündigen die Moderatoren ein Überraschungsquiz an, Merkel stöhnt auf, flüstert „neee…“ Dann wird sie nach dem Wahlslogan der CDU gefragt, vier Antworten gibt’s zur Auswahl, die letzte lautet „Augen zu und durch“, die erste „Wir haben die Kraft“. Merkel kann’s kaum glauben, dann sagt sie: „Danke für die Werbung“. Das war’s.

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