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© dpa

Fernsehkritik: Nach Kräften doof stellen

Selbst Günther Jauch hängt neben der Spur. Bernd Matthies über das "Blind Date Special" bei "Wer wird Millionär?".

Günther Jauch hat seine Lebensaufgabe als Moderator von „Wer wird Millionär?“ gefunden, die Sendung wird so lange laufen, wie das Quotenhoch anhält, und damit müsste es eigentlich gut sein. Doch irgendwas ist ja immer im Fernsehen, und so haben sie Jauch nun eben ein „Blind Date Special“ seiner Sendung aufs Auge gedrückt – und nichts funktioniert, die erwartbar hohe Quote mal ausgenommen. Die Kandidaten stellen sich nach Kräften doof, sie passen nicht einmal ansatzweise zusammen, und selbst Jauch hängt neben der Spur, kann mit der Aufgabe, unpassende Paare zu verkuppeln, überhaupt nichts anfangen, das sonst so auf schnell getaktete Format bläht sich öde über die doppelte Länge. Wir sehen mal wieder: Es ist leicht, eine leidlich intelligente, gut funktionierende Sendung durch ein paar falsche Additive gravierend schlechter zu machen.

Das schlimmste an solchen Homunkuli aus verschiedenen Genres ist wahrscheinlich die Allmacht der Casting-Spezialisten, die alles mit ihrer aufdringlichen Trickserei vermurksen.  Da sitzen nun zehn Kandidaten aus den werberelevanten Altersgruppen, noch adretter, frischer gefönt als sonst – und hinter der Kulisse warten zehn weitere Kandidaten, die, irgendwie auf schräg sortiert, den Reiz der Sendung ausmachen sollen. Ricky, der flotte Sylter Lehramtsstudent, prallt auf diese Art mit der penetrant frohsinnigen, unentwegt schrill kichernden Psychologiestudentin Benitsa zusammen, das müsste passen, hahahaha, denn beide suchen ja einen intelligenten, humorvollen, sportlichen Partner, hihihihi, nur hat Benitsa offenbar einen Hundefimmel, den Ricky beim besten Willen nicht teilen kann, es denkt sichtbar in ihm: Wird der Köter womöglich ins Bett springen, wenn es ernst wird? Beide wursteln sich mit hohen Jokerverlusten zäh durch bis 32.000 Euro – und werden später, als Birgit Schrowange bei „RTL extra“ nachfragen lässt, das Übliche mitteilen: Na, sie hätten mal für alle Fälle ihre Telefonnummern ausgetauscht.

Das schönste Paar des Abends sind zweifellos Daniela, die werdende evangelische Pfarrerin, die über die Theodizée promoviert hat, und Carsten, arbeitsloser katholischer Großhandelskaufmann mit gepiercten Ohrläppchen. Daniela gibt sich eher verklemmt, Carsten ist ein schlagfertig sprücheklopfender Kneipenkumpel, das wird im Leben nichts. Ja, verspricht Carsten, er würde natürlich gern auf dem Gemeindefest beim Würstchengrillen helfen, Konvertieren, na ja, mal sehen. Daniela blickt säuerlich, zäh zieht sich die Zeit von Frage zu Frage, von Werbeblock zu Werbeblock, und auch die Fragen selbst sind nur bedingt geeignet, Frohsinn zu stiften, vielleicht die hier:  Welches Tier gibt es wirklich: A Kotzmöwe, B Kübelhabicht C Reiherente, D Göbelgans? Hinterher erfahren wir in der eilfertigen Nachberichterstattung aus dem Mund von Carsten: Ja, man habe halt die Telefonnummern ausgetauscht. Ob es die richtigen waren, sagt er nicht.

Dann war da noch Jasmin, Azubi mit großem Mundwerk und TV-Erfahrung, denn sie war bei Dieter Bohlen mal unter den letzten 120. Sie hatte sich auf einen Partner gespitzt, der größer ist als sie, Aussehen nicht so wichtig, eine offensichtlich machbare Aufgabe. Doch Krankenwagenfahrer Maikel, der ihr zusortiert wird, ist noch kleiner, und er steht auch denktechnisch immer auf dem Schlauch, Jasmin nimmt ihn nicht ernst, Günther Jauch onkelt behäbig herum, die Werbepausen, Gott ja, sollte man vielleicht doch lieber zum hundertsten Mal „Pretty Woman“ beim Sender nebenan schauen? Irgendwie erreicht die Sendung das rettende Ende, Maikel hatte recht mit seiner Vermutung, konnte sich aber gegen Jasmin nicht durchsetzen, also gehen sie mit insgesamt 32000 Euro auf die Hinterher-Party, wo die Kameras schon bereitstehen: Na? Ach, sagt Maikel, sie ist ja ein ganz lustiger Typ, aber… Offenbar hat es bei diesem Paar nicht einmal für die Telefonnummern gereicht. Weiterverfolgung ist nicht vorgesehen, niemand weiß, was aus den Paaren des ersten „Blind Date“ geworden ist, warum auch?

Richtig war übrigens C, Reiherente.

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