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FERNSEHOlymp: Live ist live

Der Zuschauer wird langsam müde, nach stundenlanger Live-Übertragung aus Peking. Doch was heißt das zurzeit schon: Live-Übertragung?

Trostrunde im Judo mit Anna von Harnier, der deutsche Ruder-Achter, Anpfiff bei den Fußball-Frauen, Gold im Kanu – gestern vormittag, um elf Uhr herum. Es geht „Schlag auf Schlag“. Moderator Michael Steinbrecher peitscht den Olympia-Gucker voran. Der wird langsam müde, nach fünf Stunden Live-Übertragung. Doch was heißt das zurzeit schon: Live-Übertragung? Mitten drin in einem langen Fernsehtag mit zahlreichen olympischen Parallelentscheidungen, die nur am nächsten Tag in der Zeitung so fein säuberlich auseinandergehalten werden können. Live im Fernsehen ist diese Trennung undenkbar, nur bei geteiltem Bildschirm. Unser Olympia-Tag ist der Olympia-Tag der TV-Regie. Die muss ständig überlegen: Wohin schalten? Was gleich live zeigen und was für später aufzeichnen? So stand die Niederlage der deutschen Judoka via Live-Ticker im Internet längst fest, da erst wird im Fernsehen der ganze Kampf gezeigt – zeitversetzt. Ohne „Live“-Logo im Bild. Der Zorn hält sich in Grenzen. Warum auch? Nichts bleibt ungezeigt. Keine Entscheidung verpasst. Diese Regie würde sich manch’ notorisch Unentschlossener fürs normale Leben wünschen. Wohin im Urlaub: ans Meer oder in die Berge? Was bestellen im Restaurant: Pizza oder Spaghetti? Und überhaupt: Karin oder Ada? Nur Ruhe, Versäumtes kann nachgeholt werden.

Zurück zum Ernst der Spiele. Die aktuelle Peking-Oper. Nach der Aufregung um die gefakten „Fußstapfen“ beim Feuerwerk am Himmel über Peking auch das noch: Die Chinesen haben bei der Eröffnungsfeier wieder geschummelt. Das kleine singende Mädchen, das vielen Zuschauern das Herz geöffnet hat, kann gar nicht so gut singen. Die Organisatoren haben zugegeben, dass Lin Miaoke nur die Lippen bewegte – die Neunjährige kam wegen ihres Aussehens zum großen Auftritt. Wahre Sängerin war die kleine Yang Peiyi – etwas zu dick, schiefe Zähne, einem Politbüro-Funktionär nicht hübsch genug. So schön kann der Kommunismus sein. Markus Ehrenberg

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