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© ZDF

Fernsehtipp: Fleck auf dem Arztkittel

Ein kafkaeskes ZDF-Drama mit Silke Bodenbender über eine Ärztin mit einem gefährlichen Berufsgeheimnis

In dem Moment, in dem Marie Hansen (Silke Bodenbender) und ihre jüngere Schwester Sara (Anna-Lena Strasse) bei ihren Eltern nachts auf der Couch liegen, und schon ziemlich viel getrunken haben, hält man unweigerlich die Luft an. Jetzt wird die Lügenblase gleich platzen, jetzt wird Maries Leben wie ein Kartenhaus zusammenfallen, wenn die betrunkene Sara nicht sofort den Mund hält und aufhört, im ZDF-Drama „Eine Frage des Vertrauens“ in der Gegenwart von Maries neuem Freund Jan Bruckner (Wotan Wilke Möhring) über Maries erschlichene Approbation als Assistenzärztin zu quasseln.

Jan hat Marie im Krankenhaus kennengelernt. Jans 12-jähriger Sohn Jonas (Markus Quentin) ist an der unheilbaren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose erkrankt und nun Maries Patient. Jan vertraut ihr vollkommen. Doch Marie ist damals an der Uni dreimal durchs Examen gefallen und wurde exmatrikuliert. Dann hat sie die Urkunde für die Ärztekammer gefälscht, als unbeglaubigte Kopie, und arbeitet seit acht Jahren am Henriettenstift in Hamburg. Fatalerweise verlangt die Ärztekammer nun das Original der Approbationsurkunde, und der zuständige Sachbearbeiter Oliver Kremp (Rudolf Kowalski) ist ziemlich hartnäckig. Der Druck auf Marie wächst. Als Sara es herausplaudert, und zu dem nichtsahnenden Jan meint, er wisse das ja und das seit ja gut, dass er damit kein Problem habe – da ist es, als ob alles gefriere. Eine Lähmung breitet sich langsam aus. Denn Jan wusste von nichts. Wähnte seinen Jonas, der regelmäßig zu Marie ins Krankenhaus kommt, in guten Händen.

Was nun folgt, ist der sukzessive Zerfall aller Beziehungen und Werte, ist die präzise Beschreibung eines Lebens, das Stein um Stein von außen demontiert wird. „Eine Frage des Vertrauens“, von Drehbuchautorin Annette Hess geschrieben und von Miguel Alexandre in Szene gesetzt, erzählt subtil und unprätentiös davon, wie sich das Außen in das Innen fräst, einem kafkaesken Vorgang gleich. Wie ihre Mutter Ruth (Michaela Rosen) etwa ob Maries „Betrug“ um den untragbaren gesellschaftlichen Verlust an Ansehen in der Dorfgemeinschaft bangt, vollkommen blind dafür, dass ihre Tochter es ihr nur ein Leben lang recht zu machen versuchte, und nur scheitern konnte, da sie ihre früh verstorbene Vorzeige-Schwester ohnehin nicht ersetzen konnte.

Marie droht, den Boden unter ihren Füßen zu verlieren. Sie ging auf in ihrem Beruf als Assistenzärztin, wenngleich da immer dieser Fleck war, dieses Unvollkommene, oder, wie Jan ihr einmal sagt, sie habe es eben einfach nicht auf Papier. Wie es sich anfühlen muss, wenn dieser Fleck auf dem weißen Kittel immer größer wird, und alles zu bedrohen scheint, obwohl man es nur gut meint, das wird hier auf glaubwürdige Art herausgearbeitet – dank eines soliden Drehbuchs, einer einfühlsamen Regie und einer überzeugenden Hauptdarstellerin. So gehört „Eine Frage des Vertrauens“ auch jetzt schon zu den besten Arbeiten des Fernsehjahres 2010. Thilo Wydra

„Eine Frage des Vertrauens“, ZDF, 20 Uhr 15

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