zum Hauptinhalt
Berlinale Plauderin Anke Engelke.

© WDR/Thomas Ernst

Festival-TV: Die Kinoanbeterin

„Early Morning“ statt „Late Night“: Anke Engelke berichtet über die Berlinale - und sucht dabei nach der perfekten Form.

Während sich andere anziehen, zieht sich Anke Engelke aus. Ratsch, Reißverschluss auf bis zum BH, das graue Kleid rutscht ihr fast von den Schulter, sie rafft es dazu an den Oberschenkeln hoch, schürzt die Lippen und singt in Shirley-Bassey-Manier „The minute you walked in the room“ aus „Big Spender“. Kleine Showeinlage morgens um kurz nach sieben im Steakhaus vorm Berlinale Palast am Potsdamer Platz, noch eine halbe Stunde bis zur Schalte im „Morgenmagazin“ der ARD. Der Tontechniker fummelt Engelke das Gerät mit dem Kabel für die Ohrstöpsel zurecht und die Moderatorin macht Witzchen, als seien die Kameras schon an.

Nach „Late Night“ macht Anke Engelke, 46, jetzt „Early Morning“, zumindest bis Freitag. Bereits zum fünften Mal schaut sie sich für das „Morgemagazin“ auf der Berlinale Filme an, geht auf Pressekonferenzen, redet mit Regisseuren und Schauspielern und berichtet darüber in der Morgensendung. „Ich will die Berlinale unter die Leute bringen, denn bei solchen Festivals droht die Gefahr, dass sie an den Leuten vorbeigehen“, sagt Engelke. Und das will sie als Kinofan verhindern. Mindestens ein, manchmal zwei Mal pro Woche gehe sie ins Kino, im Fernsehen interessierten sie dagegen nur Nachrichten, vielleicht noch Reportagen.

„Das Tolle am Kino ist, dass man sich da für zwei Stunden reinsetzt und in eine andere Welt mitgenommen wird“, sagt Engelke. Gleich in drei verschiedene Welten lässt sie sich am Montag mitnehmen. Aber zunächst sind die zwei Schalten dran. Die erste um 7 Uhr 40, die zweite eine Stunde später, jeweils live aus dem Palästchen, das ihr das Erste auf dem Treppenabsatz zwischen Steakrestaurant und Fast-FoodKette am Potsdamer Platz aufgebaut hat: Drei Schritte breit wie lang ist die Holzhütte, durch die gläserne Front ist der echte Berlinale Palast zu sehen, drinnen stehen drei braune Retro-Ledersessel, auf denen an diesem Morgen Engelkes Gastreporter, der „Tagesschau“-Sprecher Jens Riewa, Regisseur Andreas Dresen und CDU-Politiker Henryk Wichmann Platz nehmen.

Anke Engelke hat ihre perfekte Form bereits gefunden

In knapp zehn Minuten plaudert Engelke mit ihnen über den Film, den Dresen und Wichmann gemeinsam gemacht haben, sie stellt Angelina Jolies Debüt „In the Land of Blood and Honour“ vor und diskutiert mit Riewa über Isabelle Hupperts „Captive“. Kompakt, aber ausreichend für einen ersten Eindruck. Dazu macht Engelke ein paar Witzchen, nimmt sich aber eher zurück und stellt ihre Gäste in den Vordergrund. So wie bei der Eröffnungsgala der Berlinale am Donnerstag, wo die in Kanada geborene Engelke auch auf Englisch und Französisch fließend mit Jury-Mitgliedern wie Charlotte Gainsbourg und Jake Gyllenhaal plauderte.

Das, was sie macht, nimmt sie ernst, sich selber aber eher weniger und gerade das ergibt die perfekte Mischung, an der es im Fernsehshowgeschäft zurzeit mangelt. Thomas Gottschalk wirkte gegen Engelke wie ein verkrampfter Anfänger, als Engelke kürzlich zu Gast in seiner ARD-Show „Gottschalk live“ war, dessen ZDF-Show „Wetten, dass...?“ will die Moderatorin und Komikerin trotzdem nicht übernehmen. „Ich bin keine Rampensau“, sagte sie kürzlich im „Spiegel“-Interview, sie schleppe noch immer ein Late-Night-Trauma mit sich rum, seitdem sie 2004 bei Sat 1 die Nachfolge von Harald Schmidt antreten sollte. Bei „Anke Late Night“ habe sie sich immer dafür geschämt, wenn die Leute dachten, der Eingangsmonolog sei von ihr, dabei sei er von ihren Autoren geschrieben gewesen.

Engelke ist kein Papagei, der nachplappern will, was andere ihm vorsetzen. Sie glänzt dann, wenn die Figuren ganz nah bei ihr sind, so wie bei ihren Auftritten als Volksmusikstar Anneliese zusammen mit Bastian Pastewka oder auch in der Sketchreihe „Ladykracher“, die im Frühjahr mit neuen Folgen bei Sat 1 startet.

Natürlich könnte sie sich für die Berlinale-Auftritte von den Redakteuren Kurzkritiken zusammenstellen lassen, aber Engelke schaut sich lieber selbst die Filme an. Drei sind’s am Montag, darunter „Jayne Mansfield’s Car“ von Billy Bob Thornton. Am Dienstag will sie im „Morgenmagazin“ davon erzählen. Mittwochs spricht sie mit Ursula von der Leyen über „The Iron Lady“, Luc Bessons Film über Margaret Thatcher, den sich die Arbeitsministerin für Engelke angesehen hat.

„Na, wie waren wir?“, fragt Jens Riewa nach der ersten Schalte und bekommt von den Redakteuren das „Super“, das er hören will. Engelke fragt nicht. Bis zur letzten Sendung will sie die perfekte Form suchen. Und hat sie vielleicht gerade deshalb schon gefunden.

„Morgenmagazin“ mit Berichten von der Berlinale, ca. 7 Uhr 40, ARD

Zur Startseite