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Hochzeit. Hanna (Katharina Thalbach) scheint ihr Glück gefunden zu haben.

© MDR

Film: Das Mädchen Kosmetik

Umwerfend: Katharina Thalbach als gebeutelte Frau in "Der Mond und andere Liebhaber".

Grimme-Institut-Chef Uwe Kamman hat sich neulich über das Sommerloch im Fernsehen aufgeregt: überall Wiederholungen, Einfallslosigkeit. In den Sommermonaten werde nur zweite Wahl gesendet. Den Film „Der Mond und andere Liebhaber“ dürfte er dabei nicht auf der Rechnung gehabt haben. Das tragische Märchen einer vom Leben gebeutelten Frau, die sich nicht unterkriegen lässt, immerhin eine der wenigen Fernsehfilm-Premieren dieses Sommers, entschädigt für manches, was in diesen Tagen auf den Bildschirm geschickt wird.

Was vor allem auch an der wunderbaren Katharina Thalbach liegt. Eine der vielseitigsten deutschen Schauspielerinnen (und Regisseurinnen!) spielt die Hanna, eine Frau um die 50, Arbeiterin in einer Kosmetikfabrik, welche am Anfang gleich mal, im wahrsten Sinne des Wortes, krachend pleitegeht. Danach scheint sich das Blatt für kurze Zeit zugunsten Hannas zu wenden. Bei einem Konzert der Rockband „Silly“ – mit dem Gitarristen Uwe Hassbecker darf Thalbach ein bisschen kuscheln – gewinnt Hanna eine All-inclusive-Urlaubsreise in die Türkei, zusammen mit ihrer 19-jährigen Tochter. Dass es dort zum ersten Mal seit drei Jahren regnet, würde jeden Urlauber vollends deprimieren. Hanna nicht, die schläft nachts allein auf dem Liegestuhl am Strand und spricht andauernd mit dem Mond.

Als Hanna nach Deutschland zurück- kehrt, wartet nur noch die beste Freundin Dani (Fritzi Haberlandt) und der neue Job auf sie: eine triste Tankstelle am Ortsausgang. Hannas Tochter stirbt bei einem Autounfall, bei dem die Mutter nicht ganz unschuldig ist, und die verheißungsvolle, leidenschaftliche Liebe mit dem begeisterungsfähigen Gansar (famos: Birol Ünel) entpuppt sich ziemlich schnell als Seifenblase. Gansar ist gebunden. Toll, tolles Leben.

Glücklich sein wollen, ohne Kompromisse, es geht im Leben nicht um Erkenntnisse, sondern um Leidenschaft, und das alles vor einer abbruchreifen Kulisse im ostdeutschen Nirgendwo – vielen Darstellern und Regisseuren wären diese Grundideen um eine allzu tragische Heldin zu einer naiven Schmonzette oder/und plakativen deutsch-deutschen Geschichte zerronnen. Nicht der Thalbach und auch nicht Bernd Böhlich (Buch und Regie), der schon 2006 im Kinofilm „Du bist nicht allein“ mit Katharina Thalbach zusammengearbeitet hat.

Es gibt einen guten Bogen und großartige Szenen in diesem Film, zum Beispiel die, wenn Hanna einen Reiseführer für Pakistan – Lover Gansar sagt, er käme aus Kaschmir – zu erwerben sucht oder besser gesagt, klaut, dabei vom russischen Verkäufer erwischt und, wie unbarmherzig, angezeigt wird. Und als Hanna in der Küche die Nachricht vom Tode ihrer Tochter überbracht wird, spielt das die Thalbach grandios, erschüttert, an die Wand gelehnt, verhalten-explosiv. Immer wieder klopft der Tod an Hannas Tür. Immer wieder kommt Hanna auf die Beine. Das gilt auch für die letzte Szene des Films, bei der Detlev Buck als Gaststar einen Versuch unternimmt, um die nun fast doch schon verzweifelte Hanna endlich ins Glück zu holen.

Mit Detlev Buck soll die Thalbach übrigens schon an einem neuen Filmprojekt zusammensitzen, wie neulich der Dokumentation „Deutschland, deine Künstler“ über Katharina Thalbach zu entnehmen war.

Filmemacher Böhlich nannte sein Werk zum Kinostart vor zwei Jahren ein Kinomärchen. In der Kritik ist „Der Mond und andere Liebhaber“ nicht überall gut weggekommen. Ein „tragisch komischer Spätsommernachtstraum“, schrieb der „Spiegel“. Böhlich versuche den Spagat zwischen märchenhafter Parabel – der Suche nach der großen Liebe – und einem aktuellen Sozialdrama. Das erweise sich als unmöglich, hieß es andererseits , genauso wie die Tatsache, dass die einsamen Protagonisten in diesem Film gerne sehnsuchtsvoll zum Mond blicken, eine nicht gerade dezente Bildsprache.

Das kann man vielleicht so sehen, schon gar, wenn man im Presseheft Zeilen mitliest wie: Bei Hanna müsse es die große Liebe sein – alles oder nichts. Dann kann man diese Art von märchenhafter Tragikomödie aber auch gleich ganz sein lassen.

Lebenslust, Kaschmir, Sinnlichkeit. Und Katharina Thalbach. Eine Perle im Sommerloch.

„Der Mond und andere Liebhaber“, ARD, 20 Uhr 15

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