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Fotografie: Dokumentarin der Macht

Erst tanzte sie Ballett, jetzt rückt sie Kanzlerin Angela Merkel ins richtige Licht: die Fotografin Laurence Chaperon.

Sie hätte den Politiker „abschießen“ können. Verschwitzt und mit rotem Kopf joggte er an ihr vorbei, ausnahmsweise sah er nicht nach Macht, sondern ganz menschlich aus. Ein seltenes Motiv. Trotzdem drückte sie nicht auf den Auslöser.

Laurence Chaperon, 47, will keine Politiker „abschießen“. Sie nutzt ihre Kamera nicht als Waffe, sondern als Instrument, um die Mächtigen auch jenseits ihrer offiziellen Funktion einzufangen. „Ich will ihre menschliche Seite zeigen“, sagt Chaperon und weiß: Dies kann nur gelingen, wenn ihr die Politiker vertrauen. Das tut selbst die mächtigste Frau im Land, Angela Merkel – nur wenige Fotografen ließ sie so oft und so nah an sich heran wie Laurence Chaperon.

Die gebürtige Französin gehört damit zur Spitze der Politfotografen in Berlin. Einen offiziellen Leibfotografen der Kanzlerin gibt es nicht. Drei Fotografen des Bundespresseamtes halten zwar ihre Auftritte fest, aber meistens sind auch Fotografen von Nachrichtenagenturen oder der Presse dabei. „Sofern die Kanzlerin die Gastgeberin ist, hat sie das letzte Wort bei der Auswahl, wer mit darf“, sagt ein Sprecher des Bundespresseamtes. Und wenn’s menscheln soll, sei Chaperon, die als selbstständige Fotografin von Magazinen wie „Stern“ oder „Bunte“ beauftragt wird, oft in Merkels Begleitertross zu finden.

Gerade erst hat Laurence Chaperon zusammen mit Sebastian von Bassewitz das Buch „Angela Merkel – das Porträt“ herausgegeben, eine Biographie in Bildern. Darin zeigt sie die Bundeskanzlerin sowohl in politischen Situationen wie bei Besprechungen im Kanzleramt, als auch privat, beispielsweise mit ihrem Mann Joachim Sauer beim Essen im Restaurant. Einige der Fotos sind bei offiziellen Terminen entstanden, andere sind Glückstreffer. So wie das Bild, das Merkel am Brüsseler Flughafen zeigt, kurz bevor sie in ihre Limousine steigt, im Hintergrund der Regierungsflieger. „Frau Bundeskanzlerin!“, rief Chaperon, die schnell zum Wagen geeilt war. Stolz lächelnd hob Merkel den Kopf, ihr Gesicht spiegelte sich im Autodach. Ein perfektes Bild.

Laurence Chaperon würde das allerdings nicht behaupten. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man mit sich zufrieden ist. Dann wird man langweilig“, sagt sie. Viele tausend Fotos von Politiker verschiedenster Parteien hat sie auf ihrem Computer gespeichert. Ihr Atelier in der Inselstraße ist gleichzeitig ihre Wohnung, wo sie mit ihrer sechsjährigen Tochter lebt. Fast jeden Tag zieht sie mit ihrer Kamera los, um Fotos zu machen.

Dabei hat Laurence Chaperon nie geplant, Dokumentarin der Macht zu werden. In Rambouillet bei Paris wächst sie auf, wird mit 18 von ihrem Gymnastiklehrer als Balletttänzerin entdeckt – eigentlich zu spät, um in diesem Beruf erfolgreich zu werden. Doch Chaperon, ehrgeizig und hartnäckig, trainiert täglich, geht mit 22 als Tänzerin an die Oper in die damalige Hauptstadt Bonn. Fotografieren bleibt lange nur ihr Hobby, seitdem sie sich mit 14 Jahren ihre erste Kamera gekauft hat. „Ich wollte Malerin werden, aber habe schnell gemerkt, dass ich nie wirklich gut werden würde. Weil ich Perfektionistin bin, habe ich mit der Malerei aufgehört“, sagt Laurence Chaperon.

Die Faszination für Bilder lässt sie aber nie los. Als sie mit 30 ihre Karriere als Tänzerin beendet, studiert sie per Fernstudium an einer Pariser Hochschule Fotografie, parallel lässt sie sich bei einem Bonner Fotografen ausbilden. Er ist auf Bilder von Politikern spezialisiert, so fängt auch Chaperon an, Politiker zu fotografieren.

Ohne es zuvor geahnt zu haben, war die Zeit als Tänzerin die beste Vorbereitung für diesen Job. „Neid und Narzissmus sind wohl selten so stark zu spüren wie in einem Corps de Ballett“, sagt Laurence Chaperon. Jetzt profitiert sie davon, so früh gelernt zu haben, sich zu behaupten. Denn der Kampf ums beste Bild gehört in der Riege der Politfotografen zur Tagesordnung. Klein und zierlich wie sie ist, würde Laurence Chaperon kaum den Kampf im Gedränge vorm Roten Teppich oder einer Absperrung gewinnen. Sie geht andere Wege.

Laurence Chaperon sucht den persönlichen Kontakt, vereinbart Fotosessions, um die Politiker von einer anderen Seite als der ihres Schreibtisches zu zeigen – nie jedoch im falschen Licht. Es ist ein Geben und Nehmen. Die Politiker, für die gute Fotos ein wichtiges Instrument zur Imagepflege sind, müssen sich nicht vor hässlichen Bildern fürchten. Chaperon bekommt dafür Zutritt zu Bereichen, die ihren Kollegen oft verwehrt bleiben.

Im Porträt-Buch sieht man Angela Merkel beispielsweise Gemüse schnippelnd in der Kanzleramtsküche, mit ihren Eltern und mit kältegeröteter Nase am Ostseestrand – kein einziges Mal mit hängenden Mundwinkeln, sondern stets strahlend, sympathisch und menschlich wirkt sie dabei. Merkels Schokoladenseite zu zeigen, ist Chaperons Spezialität. Damit hat sie das Vertrauen der Kanzlerin gewonnen. Vermutlich. Denn über ihr Verhältnis zu Merkel würde die Fotografin nie sprechen. Sie lächelt die Frage weg. Diskretion ist ihre Geschäftsgrundlage. Erst neulich war sie für den Bildband dabei, als sich Merkel im Kanzleramt mit ihren wichtigsten Beratern traf. Worum es dabei ging, interessiere sie gar nicht, sagt Chaperon: „Ich versuche, mich bei der Arbeit unsichtbar zu machen. Die Leute sollen vergessen, dass ich überhaupt da bin.“

Merkel ist wohl eher froh, wenn sie Chaperon in ihrer Nähe weiß. Seitdem sie CDU-Generalsekretärin wurde, begleitet Chaperon sie mit ihrer Kamera. Die Fotografin hat mitbekommen, wie Merkel von Kohls Mädchen zur Kanzlerin wurde – und wie dieser Traum fast geplatzt wäre. Als einzige Fotografin durfte Chaperon bei der Bundestagswahl 2005 in der CDU-Zentrale fotografieren. Und machte prompt das Foto der Wahlnacht, als Angela Merkel am Bildschirm die ersten Hochrechnungen sah und ihre Zuversicht aus dem Gesicht wich.

Wenn Angela Merkel im September wieder vor der Bundestagswahl steht, wird Laurence Chaperon wohl wieder an ihrer Seite sein – und festhalten, ob Merkel am Ende mit hängenden Mundwinkeln oder strahlend dasteht.

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