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Frank Plasberg: "Betroffene sind mehr als Petersilie“

Moderator Frank Plasberg über Gäste, Kabbeleien und warum "Hart aber fair“ jetzt im Ersten läuft.

Herr Plasberg, wechseln Sie heute in die ARD, weil Sie dort mehr Geld verdienen?

Sicher nicht. Ich wechsele in die ARD, weil mein damaliger WDR-Intendant Fritz Pleitgen zusammen mit dem SWR-Intendanten Peter Voß gesagt hat, dass Anne Will zwar die Talkshow am Sonntag um 21 Uhr 45 bekommt – aber nur dann, wenn ich auch einen Sendeplatz im Ersten bekomme. Und ich nehme die Herausforderung gerne an.

Was ist denn die Herausforderung?

Natürlich wäre mir der Sonntag lieber gewesen, denn ich wollte es auch mal bequem haben im Leben. Da haben acht Millionen Zuschauer vorher den „Tatort“ eingeschaltet, und vier Millionen sind aus dem ZDF auf Wanderschaft. Aber weil mir angeblich die Starqualitäten fehlen, hat Anne Will den Sendeplatz um 21 Uhr 45 bekommen. Und wir sind mittwochs wieder auf einem Kampfsendeplatz gelandet: Parallel läuft „Stern TV“ auf RTL, im ZDF gibt es das „heute-journal“, oft wird Fußball gezeigt. Respektable Gegner.

Oft genug gibt es pro Woche ein Thema, auf das sich alle Talkshows stürzen. Sprechen Sie sich mit Ihren Kollegen ab, um Dopplungen zu vermeiden?

Nein. Natürlich sehe ich mir die Sendungen der Kollegen an. Aber Themen entwickeln sich weiter. Zwar gibt es jetzt in der ARD mit „Anne Will“ und „Hart aber fair“ zwei starke Talkshow-Marken, aber wir unterscheiden uns voneinander. Die Zuschauer wollen sich sonntags weniger anstrengen, deswegen bleibt der Sonntags-Talk in der Tradition des politischen Salons. Angeblich haben wir mit unserem Konzept nicht in dieses Format gepasst. Wir werden mitten in der Woche unser journalistisches Konzept fortführen, das vielleicht einen Ticken anstrengender ist.

Ihr Sendungstitel hört sich ja schon anstrengend an. Er verspricht, dass Sie hart sein wollen. Was bedeutet das?

Hart ist nicht im Sinne von gnadenlos zu verstehen. Ich will hartnäckig sein und bin nicht mit ersten Antworten zufrieden. Ich bohre gerne nach. Konsens oder eine angenehme Atmosphäre sind für mich nicht so wichtig wie Authentizität. Und ein Konflikt ist manchmal authentischer als Harmonie. Außerdem kabbel ich mich gerne. Das entspricht meinem Typus.

Wie schaffen Sie es denn, fair zu sein, wenn Sie so gerne streiten?

Ich gebe den Leuten Zeit, sich zu wehren. Das ist für mich Fairness. Zuschauer haben ein feines Gespür dafür, wann eine Situation unfair wird.

Neuerdings tauchen nicht nur bei Ihnen, sondern auch in anderen Talkshows die sogenannten Betroffenen auf. Sind das die neuen Fernsehstars?

Wenn das so wäre, dann würden sie ja aufhören, „Betroffene“ zu sein. Die Betroffenen sollen sich gerade von den Profis oder „Stars“ abgrenzen und ihr eigenes Schicksal schildern. Wir haben schon ganz normale Bürger in der Sendung mitdiskutieren lassen, als bei den anderen Shows ausschließlich nur die Wichtigen miteinander redeten. Bei uns sollen die Betroffenen aber nicht nur wie Petersilie als eine Art Talkshow-Salatgarnitur auftauchen, sondern mit ihrem Leben wirklich dabei sein. Deshalb sitzen sie bei uns mittendrin, zusammen mit den Polit-Profis. Das ist eine große Herausforderung – für uns genauso wie für die Betroffenen.

Warum ist es so schwierig, Betroffene in eine politische Talkshow zu integrieren?

Wir sprechen über Menschen, die TV-Laien sind. Da ist es schwierig, eine 75-Minuten-Sendung durchzuhalten und mit gestandenen Politikern zu diskutieren. Hinzu kommt ein enormer psychologischer Druck. Denn manchmal haben Menschen, die wir wegen ihrer besonderen Geschichte zu uns einladen, die Erwartung, dass sich ihr Leben ändern wird, wenn sie einem Minister öffentlich die Meinung sagen. Aber natürlich werden weder ihr Problem noch Hartz IV durch einen Fernsehauftritt gelöst. Wenn ich Pech habe, geht der Gast mit einem Trauma aus der Sendung und wird noch ein halbes Jahr später darauf angesprochen, dass er sich blamiert habe. Bei den Betroffenen übernehmen wir für einen Moment Verantwortung für ihr Leben. Und das macht Druck.

Wird „Hart aber fair“ ab heute im Ersten anders aussehen als im WDR-Fernsehen?

Statt 90 Minuten haben wir nur noch 75 Minuten zur Verfügung. Wir kürzen deshalb aber nicht an allen Ecken, sondern packen den Werkzeugkasten immer wieder neu. Mal lassen wir eine Reportage weg, mal gibt es einen Einzelgast weniger. Das entscheiden wir je nach Thema.

Werden Sie mehr Zuschauer haben als ihre ARD-Kollegin Anne Will?

Nein, wenn Sie wie wir fast bei jeder Sendung attraktive Fußballspiele im Gegenprogramm haben, sind die Zahlen vom beschützten Sonntagabend nicht zu erreichen. Das erwartet übrigens auch niemand von uns.

Sie produzieren pro Jahr 20 Sendungen in Berlin und 20 Sendungen in Köln. Warum ziehen Sie als Polit-Talker nicht ganz nach Berlin um?

Das zeigt alleine schon der Untertitel von „Hart aber fair“, der lautet: Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft. Und wenn wir diese Haltung beibehalten wollen, müssen wir einen gewissen Abstand zur Hauptstadt halten. Dadurch bekommt man einen anderen Blick auf die Dinge. Leider muss ich sagen, dass ich Berlin zunehmend attraktiv finde. Ich kann mir gut vorstellen, hier mal zu wohnen. Aber erst, wenn ich nicht mehr diesen Job mache.

Das Interview führte Sonja Pohlmann

„Hart aber fair“, ARD, 21 Uhr 45

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