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Franz Müntefering.

© Thilo Rückeis

Franz Müntefering: Wo kein Koch, da kein Kellner

Franz Müntefering hielt in der Freien Universität einen Gastvortrag über Politik und Journalismus. Er ging dabei auch auf den Rücktritt des Bundespräsidenten ein.

Witze kann Franz Müntefering über Boulevardjournalisten auch weiterhin reißen. Zum Glück gebe es in Berlin nicht so viele Büsche, sagte der ehemalige Vizekanzler und frühere SPD-Chef, als er am Dienstag in der Freien Universität einen Gastvortrag zum Verhältnis von Politik und Journalismus hielt. So könnten sich die Reporter der bunten Blätter schlecht verstecken, um ihn auszuspionieren.

Dabei ist Müntefering beim Thema Boulevardjournalismus zurzeit weniger zum Scherzen zumute. Erst kürzlich legte er vorm Deutschen Presserat Beschwerde gegen die „Bunte“ ein. Der „Stern“ hatte berichtet, dass die „Bunte“ die Berliner Agentur CMK beauftragt haben soll, das Privatleben von Müntefering und seiner heutigen Ehefrau auszuspionieren. Die „Bunte“ bestritt die Vorwürfe. Weil damit Aussage gegen Aussage stand, blieb Münteferings Beschwerde erfolglos.

„Ich bin nicht pingelig oder empfindlich, aber es gibt Grenzen, die der Boulevard nicht überschreiten sollte“, sagte Müntefering am Dienstag. Doch sofern es nicht um gute oder schlechte Politik gehe, habe das Privatleben der Politiker in der Berichterstattung nichts verloren. Wenn Magazine veranlassten, Mikrofone in Briefkästen zu verstecken oder benachbarte Wohnungen zu seiner Beobachtung anzumieten, dann sei das „randständig“.

Auch auf den Rücktritt des Bundespräsidenten Horst Köhler am Montag, der auf ein umstrittenes Radiointerview folgte, nahm Müntefering Bezug. „Ich glaube nicht, dass das Interview der Auslöser gewesen ist“, sagte Müntefering. Vielmehr sei die Art und Weise des Rücktritts eher ein Zeichen dafür, dass Köhlers „Seele schon wundgescheuert“ gewesen sein müsse, die Reaktionen auf das Interview seien deshalb wohl nur noch der „Tropfen auf den heißen Stein“ gewesen. Dass Medien allein den Rücktritt eines Politikers bewirken können, glaubt Müntefering eher nicht.

Generell bezeichnete Müntefering sein Verhältnis zu Journalisten und Medien als gut. Politik und Journalismus stünden nicht im Verhältnis Koch und Kellner, sagte er – angelehnt an den früheren Spruch des Ex-Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), in der rot-grünen Bundesregierung selbst der „Koch“ zu sein, sein Vizekanzler Joschka Fischer (Grüne) hingegen der „Kellner“. Eine solche Hierarchie will Müntefering im Verhältnis von Politik und Journalismus nicht aufstellen, beide seien unverzichtbar für das Gelingen einer Demokratie und müssten den Menschen Orientierung bieten. Jedoch verurteile er Journalismus, der Politik in eine bestimmte Richtung beeinflussen und dadurch selbst mitgestalten wolle. Im Fall des Rettungspakets für Griechenland hätten Boulevardzeitungen heftig dagegen angeschrieben und eine „Agitation ins Volk hinein“ betrieben, sagte Müntefering. Aber er glaube an die „kollektive Vernunft“, solche Kampagnen als Meinungsmache zu erkennen.

Im Hinblick auf neuere Kommunikationswege wie Twitter und Blogs warnte Müntefering davor, in einer Informationsflut unterzugehen. Die neuen Techniken zu beherrschen sei zwar heute so wichtig wie Rechnen, Schreiben und Lesen. Doch er selbst beschäftige sich mit diesen neuen Techniken wenig. Um sich zu informieren, gebe es für ihn „nichts Wichtigeres als Zeitungen“. Sonja Pohlmann

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