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Ein junger Fan unterstützt bei der Frauenfußball-WM in Kanada das US-Team, das die deutsche Elf in der Nacht zu Mittwoch im Halbfinale mit 2:0 besiegte.

© imago/foto2press

Frauen-Fußball-WM: Mutti auf dem Spielfeld

Leider keine Heldenstorys - die Frauen-Fußball-WM hat es wieder gezeigt: Klischees dominieren noch immer die Berichterstattung über Frauensport. Dabei löst die "Mutterfigur" offenbar zunehmend das "Sexobjekt" ab.

Das Interesse an der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Kanada ist groß unter den deutschen Fernsehzuschauern: Mehr als fünf Millionen Menschen verfolgten Anfang Juni das Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen die Elfenbeinküste, am vorvergangenen Samstag gewann die Mannschaft beim Achtelfinalspiel gegen Schweden mit 6,12 Millionen Zuschauern das direkte TV-Duell gegen das U-21-Team der Männer. Und in der Nacht zu Mittwoch verfolgten ab ein Uhr sogar 2,63 Millionen Menschen, wie sich die deutsche Mannschaft im Halbfinale gegen die USA mit einem 0:2 geschlagen geben musste – damit hatte sich bei einem Marktanteil von 42,6 Prozent fast jeder zweite Zuschauer für den Frauenfußball entschieden.

Dieser außerordentliche Publikumserfolg der Fußballerinnen wirkt noch ungewöhnlicher und erstaunlicher, wenn man sich die Sportberichterstattung insgesamt genauer anschaut, so, wie es die US-Forscherin Cheryl Cooky von der Purdue-Universität in Lafayette mit ihrem Team getan hat. In ihrer kürzlich veröffentlichten Langzeitstudie gibt sie einen Überblick über ein Vierteljahrhundert Sportberichterstattung in den USA. Ihre Hauptbefunde zum Status quo sind ernüchternd.

Erstens werden Sportlerinnen weniger stark als Sexobjekte und als Witzfiguren dargestellt als früher. Stattdessen werden sie nun gerne in ihrer Rolle als Mütter gezeigt. Zweitens sind Geschichten über Sportler oft Heldenstorys, bei Geschichten über Sportlerinnen hingegen überwiegend relativ langweilige Sachverhaltsschilderungen. Und drittens erhielten die drei populärsten US-Männersportarten – Football, Basketball und Baseball – 2014 in den US-Medien noch mehr Platz als fünf Jahre zuvor, der Anteil stieg von 68 Prozent auf 74,5 Prozent Sendezeit in den ausgewählten TV-Sportnachrichten und Highlight-Shows. Für Frauensport blieben dagegen nur rund drei Prozent.

Die Analyse des US-Forscherteams um Cheryl Cooky bestätigt einen Trend, der bereits aus mehreren Studien bekannt ist, wie beispielsweise aus dem International Sports Press Survey 2011: Männer dominieren demnach nicht nur den Bildschirm, sondern es sind weiterhin hauptsächlich Männer, die über die Männer berichten. Nur fünf Prozent der Top-Reporter sind weiblich, auch unter den weniger prominenten Berichterstattern beträgt der Frauenanteil nur 15,7 Prozent. Dazu ist fast jede zweite Anchor-Person weiß und männlich.

Dieses Bild steht im krassen Gegensatz zu den zahlreichen Frauen und Mädchen, die Sport treiben. Gerade Fußball wird bei ihnen immer populärer, mehr als eine Million Frauen und Mädchen sind nach Angaben des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) inzwischen in Vereinen aktiv – möglicherweise erwächst gerade hieraus der Unmut über die auch in Deutschland noch mangelhafte Berichterstattung. Zwar übertragen ARD und ZDF alle WM-Spiele der Frauennationalmannschaft live, doch ein unverkrampfter Umgang gelingt den Öffentlich-Rechtlichen beim Thema Frauenfußball weiterhin nicht, wie bereits der Trailer der ARD zu dem Turnier beweist.

Hinzu kommen Ungeheuerlichkeiten vonseiten des internationalen Fußballverbands Fifa wie beispielsweise die Entscheidung, die Frauen zum Spiel auf Kunstrasen zu zwingen, obwohl sich dieser mehr aufheizt und etwa bei Schürfwunden das Risiko einer Infektion viel höher ist als bei Naturrasen, auf dem Männer weiterhin spielen dürfen. Auch müssen Männer nicht vor sich hertragen, dass sie in einem Männerturnier spielen. So hatte die Fifa den schwedischen Privatkanal TV4 zurückgepfiffen, weil er unter dem Titel „Fifa Fußball Weltmeisterschaft 2015“ aus Kanada berichten wollte. Die Fifa aber machte klar: Dieser Name dürfe nur für das Männerturnier verwendet werden. Wenn Frauen auf den Platz laufen, müsse es „Frauenweltmeisterschaft“ heißen – das ist gemein wie ungerecht, solange Männern keine „Herrenweltmeisterschaft“ verordnet wird.

Frauenfußball soll man zwar nicht am Männerfußball messen, doch Diskriminierung muss benannt werden. 2017 steht die Europameisterschaft in den Niederlanden an, bei der die deutsche Mannschaft ihren Titel verteidigen will – bleiben zwei Jahre, um dem Frauenfußball auch in der Berichterstattung die Popularität zukommen zu lassen, die er bei Spielerinnen und Fernsehzuschauern längst hat.

Marlis Prinzing

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