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Medien: Für immer jung in Entenhausen

Das „Micky Maus“-Magazin, Deutschlands älteste und erfolgreichste Kinderzeitschrift, wird 60 Jahre alt

Ob man selbst mit 60 auch noch so rüstig ist? So jugendlich wie die Maus aus der Feder des genialen Walt Disney, die wie keine andere Comic-Figur die deutsche Zeitschriftenlandschaft mitgeprägt hat? Das „Micky Maus“-Magazin, das mit Ausgabe 2907 am 29. August seinen 60. Geburtstag feiert, steht für eine beispiellose mediale Erfolgsstory. Die Figur selbst ist sogar schon mehr als 80 Jahre alt. Von dem Magazin wurden seit 1951 sagenhafte 1,2 Milliarden Hefte verkauft. Hefte, die in der sonst grauen Nachkriegszeit als erste deutsche Zeitschrift im Vierfarbdruck erschienen.

Lässt der Comic-Liebhaber diese sechs Jahrzehnte im Schnelldurchgang Revue passieren, wird deutlich, dass die Maus alle, die sich nach ihr an einer ähnlich gelagerten Kinder- und Jugendzeitschrift versucht haben, längst weit hinter sich gelassen hat. Selbst ein anderer Klassiker der deutschen Zeitschriftenlandschaft, „Fix und Foxi“ von Rolf Kauka, konnte schon Mitte der 90er Jahre nicht mehr mithalten und musste die Segel streichen.

Was aber macht den Unterschied aus? „Entenhausen!“, sagt Peter Höpfner kurz und knapp. Höpfner ist Chefredakteur des Egmont Ehapa Verlages in Berlin. Hier wird vom „Micky Maus“-Magazin über „Das Lustige Taschenbuch“, bis zum „Donald Duck“-Sonderheft so ziemlich alles verlegt, was es am Kiosk oder im Bahnhofsbuchhandel zu diesem Thema zu kaufen gibt. „Entenhausen steht für unsere beliebten Charaktere“, erläutert Höpfner. „Generationen haben mit der ,Micky Maus‘ lesen gelernt und geben das später an ihre Kinder weiter.“

Da ist was dran. Im Gegensatz zu den meisten anderen Comics aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik konnte die „Micky Maus“ den Vorwurf der Schundliteratur schon bald entkräften. Daran hat Erika Fuchs einen großen Anteil. Die legendäre Chefredakteurin, die die Geschicke des Heftes von 1951 bis 1988 lenkte, bemühte sich nicht nur um sprachliches Stilbewusstsein und grammatikalische Disziplin, sondern führte dem allgemeinen Sprachgebrauch auch das eine oder andere Entenhausener Bonmot zu, etwa „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“.

„Der Zeitgeist wird durchaus in den Comics abgebildet, ohne dass wir uns anbiedern“, sagt Höpfner. „Es wäre traurig, wenn in Entenhausen die Zeit stehen bleiben würde.“ So konkurrierten Donald und Gustav Gans um den Job als Entenhausener Bürgermeister, und dabei würden Wahlslogans der demokratischen Parteien aus dem Bundestagswahlkampf persifliert.

Über die Jahrzehnte ist aus einem reinen Comic-Heft ein Lifestyle-Magazin für kleine Leser geworden. Von anfangs 32 Seiten wuchs der Umfang auf heute 52. „Diese 20 zusätzlichen Seiten machen den Magazinteil des Heftes aus“, sagt der Mäuse- und Entenexperte. „Der ergänzt die Comics um Aktualität und Emotionalität“. Gerade erst habe man analysiert, wie das bei den Lesern ankommt. Dabei wurden drei Varianten getestet. Ein reines Comic-Heft, eine Ausgabe mit einem monothematischen Redaktionsteil und das tatsächliche Heft, das neben den Comics auch Rätsel, Witze und Information über Kino-Neustarts, Sportereignisse und ähnliches bringt. „Und das Heft, so wie es jetzt am Kiosk zu finden ist, hat den Test mit weitem Abstand für sich entschieden.“

Das Konzept funktioniert nicht zuletzt dank der Extras oder Gimmicks, die sich über die Jahre von relativ primitiv bis zu hoch technologisiert entwickelt haben. Anfangs mussten die Leser schon mal mit einer Papp-Sonnenblende vorlieb nehmen. Heute gibt es wöchentlich etwas zum Spielen und Staunen. Mal ein Detektivset mit Taschenlampe und Lupe, mal ein Piratenfernglas oder auch ein Furzkissen. „Das Extra soll für Verkaufsimpulse sorgen“, sagt Höpfner, auch um neue Leser zu gewinnen. Die verkaufte Auflage liege heute bei durchschnittlich 180 000 Heften wöchentlich. Und das bedeute mehr als anderthalb Millionen Leser in der Woche. Beeindruckend, aber nichts im Vergleich zu der runden Million Hefte, die man in den neunziger Jahren wöchentlich verkaufte, als die Wende neues Leserpotenzial brachte. In der DDR war das Heft des Klassenfeindes verboten.

Bei aller Sympathie für Micky soll nicht verschwiegen werden, dass sich die Maus eigentlich mit fremden (Enten-)Federn schmückt. Denn fast von Beginn an ist nicht sie, sondern die Ente der ganz große Star. Donald Duck und Anhang erobern früh das Heft, dessen Aufmachergeschichte seit jeher eine Enten-Story ist. Das wirft die Frage auf, warum das Heft dann nicht „Donald Duck“-Magazin heißt. „Als das „Micky Maus“-Magazin 1951 erstmals erscheint, ist die Maus die wichtigste Figur für Walt Disney. Oder wie er selbst stets betonte: ‚It all started with the mouse‘“, erzählt Peter Höpfner.

Bereits im ersten Heft stellt sich auf der letzten Umschlagseite Donald vor und kündigt sein weiteres Erscheinen an. Heute liegt er auf der Beliebtheitsskala deutlich vor Micky. Das mag daran liegen, dass sich der Leser mit dem ewigen Pechvogel eher identifizieren kann als mit der Supermaus der mittleren Jahre, „die immer alles weiß und alles kann“, so Höpfner.

Zwar hat man vor etwa zehn Jahren versucht, der Figur ihren einst eher anarchischen Charakter zurückzugeben, indem man Micky wieder im roten Strampelhöschen statt im Humphrey-Bogart-Gedächtnislook zeichnet. Aber der Sieger in der Gunst bleibt doch Donald Duck. Enten sind eben die besseren Menschen – mehr jedenfalls als Mäuse.

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