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Da fehlt doch einer. So gut ARD-Kommentator Tom Bartels auch sein mag - ein zweiter Experte neben ihm könnte die Fußball-Übertragung unterhaltsamer machen.

© SWR

Fußball im Fernsehen: Gönnt uns einen zweiten Kommentator!

Unengagiert, meinungsscheu, sprachdröge: Kommentare bei Fußball-Übertragungen im Fernsehen brauchen deutlich mehr Furor. Andere Länder sind uns da schon voraus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Natürlich liegt die Wahrheit auf dem Platz. Sie liegt auf dem Platz im Stadion und auf dem Bildschirm. Aber im Fernsehen ist da als Vermittler noch der Kommentator mit im Spiel. Ein sonderbarer Solist – im Mannschafts- und Millionenspiel. Seine Helfer bleiben für die Zuschauer meist unsichtbar, seine Stimmen im Headset unhörbar.

So viel Bescheidenheit ist ein sehr deutsches Alleinstellungsmerkmal. Zwei Kommentatoren, zwei Reporterstimmen gönnt man sich und uns nur noch im Rundfunk. Obwohl es in anderen großen Fußballnationen, beispielsweise in England, in Spanien oder Italien (und vermutlich auch in Frankreich), ganz selbstverständlich ist, dass mindestens zwei TV-Kommentatoren einander abwechseln, ergänzen, korrigieren – und den Zuschauer informieren. Häufig kommentieren da ein Reporter und ein erfahrener Spieler oder Trainer im Duett.

Das muss keineswegs heißen, dass sich alles nur stimmlich verdoppelt, was schon einfach (nicht) reicht. Niemand will als Zuschauer während des laufenden Spiels dauernd zugetextet werden. Es geht auch nicht darum, krampfhaft andere Sport- und Medienkulturen zu adaptieren.

Natürlich sind brasilianische Reporter („Goooooooooool!!!!!!!!“) nicht nur beim Torschrei schwer zu imitieren. Und Dauertemperamentsausbrüche, mit denen etwa eine bekannte westdeutsche Fußballreporterin (im Radio) selbst noch ein Null-zu-Null im tiefsten Kellerduell zu erleuchten sucht, wären im Fernsehen eher schwer erträglich. Auch Herbert Zimmermanns legendäre, bei Helmut Rahns Siegesschuss gegen Ungarn fast südamerikanisch ausflippende Stimme galt eigentlich den Radiohörern. Erst später wurde sie für die Nachwelt noch als dramatisches Doping über die grau flimmernden Fernsehbilder des WM-Endspielwunders von Bern 1954 gelegt.

Auch dort, wo der Ball (noch) nicht ist

Von solchen Tonlagen ist die TV-Wirklichkeit – vor der Europameisterschaft in Frankreich – um Schalljahre entfernt. Das deutsche Fernsehen ist längst ins komatöse Gegenteil verfallen. Live-Kommentatoren, von denen kaum einer an den soeben in Pension gegangenen, stoisch ironischen, minimalistisch coolen Marcel Reif heranreicht, sie wirken zumeist nur noch wie Reportage-Funktionäre.

Minutenlang nennen sie allenfalls Spielernamen und sagen kaum je einmal mehr als das, was der Fernsehzuschauer ohnehin schon sieht. Zusätzliche Informationen liefern bei Fouls oder Abseits-Fragen allenfalls die Zeitlupen im Replay.

Aber ich kenne keinen der aktuellen TV-Kommentatoren (und keine Kommentatorin), der oder die für den Zuschauer ein Spiel wirklich lesen kann. Und damit auch zeigt, was wir im Ausschnitt am Bildschirm beispielsweise zur Raumaufteilung auf dem gesamten Spielfeld – auch dort, wo der Ball (noch) nicht ist – selber nicht sehen können.

Zudem fehlt im Kommentar fast durchgängig die Vermittlung der Atmosphäre im Stadion. Das liegt auch daran, dass die Kameraführung häufig sehr einfallslos ist (je nach Spielstand dieselben paar wiederkehrend jubelnden oder weinenden Gesichter im Publikum) und der Ton regelmäßig auf eine Art Mittellage gedimmt wird. Unterschiedliche Fan-Gesänge oder Sprechchöre sind dann zu einem sterilen Gesamtrauschen vermanscht.

Ein Reporter als Dortmund-Fan und eine(r) mit München-Faible

Meist schauen und hören die Kommentatoren zur eigenen Absicherung gar nicht mehr über den eigenen Monitorrand hinaus. Sie könnten genauso gleich aus dem Studio sprechen – und dabei hören sie sich oft an wie Proporz-Funktionäre: unengagiert, meinungsscheu, sprachdröge. Spielbegleitung wird so zum reinen Escortservice. Nur ohne Erotik, spürbare Anteilnahme oder Versinnlichung.

Vom intellektuellen Durchblick ganz zu schweigen. Und zur Selbstabschaffung des lebendigen Live-Kommentars tragen auch vorher, hinterher und in der Halbzeit die „Experten“-Gespräche bei. Nichts gegen Kahn, Scholl oder Klopp sommermärchenhaft. Aber sind die Kommentatoren folglich keine „Experten“ mehr?

Nein, lasst die oder andere doch auch schon während des Spiels als Ko-Kommentatoren ran! Dialoge sind meist weniger langweilig als Monologe (90 oder 120 Minuten lang!), das hat beim WM-Endspiel Deutschland - Argentinien 1990 das Duo Gerd Rubenbauer und Karl-Heinz Rummenigge exzellent demonstriert. Warum auch nicht ein Mann und eine Frau als Ko-Kommentatoren? Warum bei einem Pokalendspiel Bayern gegen den BVB nicht mal ein Reporter als Dortmund-Fan und eine(r) mit München-Faible? Jedenfalls sollten die Kommentare nicht monotoner sein als das Spiel.

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