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Medien: Gäste dürfen friedlich sein

Im Springer-Verlag wird über die eigene Haltung zum Krieg diskutiert

Die Wut vieler Springer-Mitarbeiter gärt schon lange. Anfang dieser Woche entlud sie sich in einem Offenen Brief des Gesamtkonzernbetriebsrats. Es geht um die Irak-Berichterstattung der Springer-Zeitungen, und es geht um die dritte Präambel in der Unternehmensverfassung, die unter dem Eindruck des 11. September 2001 nachträglich eingeführt wurde. Sie erklärt „die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika" zum Unternehmensgrundsatz. Ursprünglich wollte Verlagsgründer Axel Springer 1967 mit dem Verfassen der Präambeln, die jeder Redakteur mit seinem Arbeitsvertrag unterschreibt, gewährleisten, dass die Zeitungen seines Hauses „nicht Politik machen, sondern Politik beschreiben".

Erstmals kritisierten Mitarbeiter die Irak-Berichterstattung der Springer-Blätter Mitte März bei einer Betriebsversammlung in Berlin. Am 31. März verfasste der Betriebsrat seinen Offenen Brief: Den Blättern sei „tagtäglich eine überwiegend einseitige Berichterstattung über den Krieg" zu entnehmen, der Krieg würde „uneingeschränkt befürwortet, die amerikanisch-britische Regierungslinie wird kritiklos übernommen. Und dabei wird Populismus schlimmster Art betrieben". An Vorstand und die Chefredakteure wird appelliert, „endlich für eine ausgewogene Berichterstattung über Krieg und Frieden in unseren Blättern zu sorgen".

Am Mittwoch antwortete Vorstandschef Mathias Döpfner: Die Vorwürfe seien „falsch und ungerecht". Er unterstelle „jedem Redakteur im Hause", grundsätzlich gegen Gewalt und Krieg zu sein, keiner mache es sich leicht, die Frage zu beantworten, „ob und wann Krieg und Gewalt zur Beendigung von Gewalt und Terror als letztes Mittel eingesetzt werden müssen". In den eigenen Blättern stünden jeden Tag Kommentare, Meinungen und Zitate von Kriegsgegnern. Für und Wider würden pluralistisch ausgewogen. Der Betriebsrat hatte in seinem Brief mit drei Beispielen argumentiert: Mit dem Seite-3-Kommentar „Blut für Öl, aber ja doch" von Chefredakteur Georg Gafron in der „B.Z.", mit deren Seite-1-Schlagzeile „Saddam, verpiss Dich" in der „B.Z." am 18. März sowie mit dem Leitartikel in „Welt" und „Berliner Morgenpost" von Chefredakteur Jan-Eric Peters („Die letzte Entscheidung") einen Tag später. Döpfner schreibt, ohne direkten Verweis auf diese drei genannten Beispiele: „Überall passieren im Tagesgeschäft Fehler. Solche Fehler herauszugreifen und zur Generallinie zu erklären, ist ebenso unrichtig wie ungerecht."

Am Donnerstag meldeten Jan-Eric Peters und „Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann (dessen „Bild" im Betriebsrats-Brief gar nicht erwähnt worden war) in einem gemeinsamen Brief zum Vorwurf der einseitigen Berichterstattung: „Wir wissen nicht, welche Zeitungen Sie jeden Tag lesen"; sie fügten ironisch an: „Nun sind wir doch etwas ratlos, was Sie damit meinen." Es folgt eine Aufzählung von Anti-Kriegs-Kommentaren der „Bild"-Autoren Peter Boenisch und Peter Gauweiler, eines Beitrages von Jürgen Todenhöfer in der „Bild am Sonntag", einer Analyse von Peter Scholl-Latour in der „Welt am Sonntag" (deren Chefredakteur Thomas Garms den Brief der Chefredakteure nicht mitverfasst hat) sowie eines Interview mit einem Kriegsgegner und eines Meinungsbeitrages einer Politikerin der Grünen.

Auffällig jedenfalls ist, dass skeptische oder gegen den Krieg argumentierende Positionen in den Springer-Blättern oft und gerne prominenten Gastautoren überlassen werden. Insbesondere „Bild" betreibt das Versteckspiel hinter der Meinung bekannter Schreiber mit einem hohem Maß an Perfektion und einer Vielschar von Gastschreibern, zu denen unter anderen auch Joachim Fest, Guido Knopp oder Lothar Loewe zählen. Nicht eingegangen ist Peters in dem Brief auf den Vorwurf, der sich auf seinen Leitartikel vom 19. März bezieht. Darin schrieb er: „Mit den Amerikanern oder gegen sie? (…) Heute können wir uns noch einmal entscheiden. Die Entscheidung der WELT/ BERLINER MORGENPOST steht fest." Eine klare Aussage. Sie signalisiert eher nicht, dass in „Welt"/“Berliner Morgenpost" auch andere Meinungen zugelassen sind.

In diesen Zeiten achten Redakteure und Leser aller Zeitungen besonders penibel auf die Berichterstattung. Das gilt umso mehr für Zeitungen, denen man eine bestimmte politische Ausrichtung unterstellt. Die „Financial Times Deutschland", zum Beispiel. Sie gehört zu 50 Prozent der britischen „Financial Times" und steht deshalb, aber auch wegen der Kommentare ihres Chefredakteurs Wolfgang Münchau unter dem Verdacht, der britischen Regierungslinie besonders treu zu sein. Bei Springer ist die Haltung zu Amerika als Unternehmensgrundsatz festgeschrieben, auch wenn Döpfner betont: Das Essential enthalte „keinerlei Verpflichtung zu einer bestimmten Haltung in der Kriegsfrage", sondern lediglich „eine grundsätzliche Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist kein Bekenntnis zum Krieg, sondern gegen Antiamerikanismus."

Claus Strunz, Chefredakteur von „Bild am Sonntag", beteiligte sich nicht an der Antwort auf den „Offenen Brief an Vorstand und Chefredakteure". Er wehrte sich zwar gegen die pauschale Diffamierung, allerdings in Form seines „Dienstagsbriefes", einer Mail an die Mitarbeiter der „BamS". Auf die Beispiele selbst ging er nicht ein. Gar nicht reagiert hat auf den Brief der tatsächlich angegriffene „B.Z."-Chefredakteur. Ihn treibt anderes um. Am Freitag schickte Georg Gafron eine Reporterin nach Hongkong, um über die lebensgefährliche Lungenkrankheit Sars zu berichten – entgegen der ausdrücklichen Warnungen des Auswärtigen Amtes, in die von Sars betroffenen Länder zu reisen.

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