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Silent_Hill

© Promo

Auf PC und Konsole: Wahl der Waffen

Das Wii-Spiel "Silent Hill" belohnt Wegrennen. Ansonsten wird weiterhin erst geschossen, dann gefragt.

Ende Januar hat die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ihren Jahresbericht für 2009 vorgelegt. 3100 Computer- und Konsolenspiele habe man geprüft, heißt es da. Mehr als 80 Prozent davon hätten eine Altersfreigabe von null, sechs oder zwölf Jahren erhalten. Und dann kommt ein Satz, der aufhorchen lässt: „Im letzten Jahr gab es einen weiteren Rückgang bei den Ego-Shootern.“ Die Anzahl der Prüfverfahren für dieses Genre habe sich gegenüber dem Vorjahr mehr als halbiert, so die USK.

In der Medienöffentlichkeit werden solche Zahlen gerne als Trend interpretiert. Die vermeintliche Botschaft klingt ja auch verlockend: Es gibt immer weniger Ballerspiele – und damit sinkt in Videospielen die Gewalt. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Wenn die USK so etwas herausstreicht, zeigt das in erster Linie, wie stark sie sich an der weiter köchelnden Killerspieldebatte orientiert.

Die Arbeit der USK ist mit dieser Debatte untrennbar verwoben: Jugendschützer werfen der halbstaatlichen Kontrollstelle immer wieder vor, zu lasch zu prüfen – und damit nur die Interessen der Spieleindustrie zu vertreten. Einige Politiker fordern regelmäßig ein pauschales Killerspielverbot, obwohl solche Spiele von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bei Bedarf schon jetzt indiziert werden können. Darüber hinaus bietet die USK mit ihren Alterskennzeichnungen eine Einstufung, an der sich Eltern orientieren können. Spiele ohne Jugendfreigabe tragen ein „Ab 18“-Siegel und dürfen erst gar nicht an Minderjährige verkauft und zudem nicht beworben werden.

Die Killerspieldebatte krankt zudem daran, dass sie häufig unsachlich geführt und politisch instrumentalisiert wird. Als klassische Schwarz-Weiß-Diskussion verhindert sie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Videospiele. „Andere Aspekte geraten dabei völlig in den Hintergrund“, kritisiert der Medienethiker Michael Nagenborg, „zum Beispiel die Frage, wie die Spiele in unseren Alltag eingebettet sind, von wem und wie sie konkret genutzt werden.“ Es handele sich eben nicht nur um Spielzeug für Kinder und Jugendliche, so Nagenborg: „Das Durchschnittsalter von Videospielern liegt – je nach Studie – zwischen 25 und 30 Jahren.“ Zudem werde oft übersehen, dass jedes dritte Spiel Kampfhandlungen enthalte, wenn auch meist in milderer Form. Nagenborg erforscht, welche Funktion und welche Aussage Gewalt in den unterschiedlichen Videospielgenres haben kann. In Ego-Shootern beispielsweise spielt das passive Erleben von Gewalt eine immer größere Rolle. Einen verwundeten, humpelnden Soldaten aus der Ich-Perspektive zu spielen, könnte sogar Rückwirkungen auf die Wahrnehmung realer Kriege haben, sagt Nagenborg.

Das erste Quartal 2010 bietet Medienwissenschaftlern wie Michael Nagenborg unterdessen jede Menge Forschungsmaterial. Besonders im Februar herrscht bei den „Ab 18“–Titeln dichtes Gedränge. Der wohl wichtigste Grund für dieses massive Frühjahrsaufkommen ist das zurückliegende Weihnachtsgeschäft: Es wurde vom Kriegsspiel „Call of Duty: Modern Warfare 2“ dominiert. Nach einer Branchenschätzung wurden bis heute allein für die Videospielekonsolen PS3 und Xbox 360 mehr als 15 Millionen Exemplare dieses Titels verkauft – da blieb für die anderen Spiele im Weihnachtsgeschäft nicht viel Geld übrig. Das sollen die Spieler nun jetzt locker machen.

Und tatsächlich: Im neuen Jahr ist die Konkurrenz umso lebendiger. Im Genre „Hack and Slash“ buhlen gleich vier Spiele um die Gunst der Käufer. Am 8. Januar sind bereits das atemlose, grellbunte Prügelspektakel „Bayonetta“ und das düstere „Darksiders“ erschienen. Im Februar folgt mit „Dante’s Inferno“ eine sehr freie Adaption von Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“. Im März bricht Antiheld Kratos in „God of War 3“ erneut zu einem erbarmungslosen Rachefeldzug auf.

Keines der vier Spiele erhält eine Jugendfreigabe – angesichts der blutigen Keilereien ist das auch kein Wunder. Immerhin beweist „Bayonetta“ mit seinem grellen Popkulturmix, dass selbst exzessives Hauen und Stechen mit einem Augenzwinkern daherkommen kann.

Auch die übrigen Titel des ersten Quartals zeigen Gewalt als Spielelement in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen. Besonders gut lässt sich das am Genre Survival-Horror beobachten, das seit den frühen Tagen von „Doom“ (1993) den Ruf dumpfer Ballerei mit sich schleppt. Tatsächlich wird in „Bioshock 2“, das am 9. Februar erscheint, immer noch reichlich geballert. Allerdings verfügte bereits der erste Teil von 2007 über eine atmosphärisch ungeheuer dichte Dystopie – also einer ins Negative umgeschlagenen Utopie – einer leckgeschlagenen Unterwasserstadt. Eine ganz andere Art von Survival-Horror bietet „Silent Hill – Shattered Memories“ auf der Wii-Konsole: Das Spiel kommt praktisch ohne Waffen aus. Der Protagonist Harry Mason kann sich den Monstern nur dadurch entziehen, dass er sie per Wii-Fernsteuerung abschüttelt – und danach möglichst schnell das Weite sucht. Die USK hat „Shattered Memories“ ab 16 Jahren freigegeben. Gar nicht erst kontrollieren musste sie den Horror-Shooter „Aliens vs. Predator“: Publisher Sega verzichtet wegen des hohen Gewaltgrades auf eine Veröffentlichung in Deutschland.

Zu den prominentesten Neuerscheinungen des Frühjahrs zählt das Spiel „Heavy Rain" (24. Februar) – auch deshalb, weil es in keine Genreschublade passt. Am ehesten lässt es sich als „interaktiver Film“ beschreiben: Auf der Suche nach dem mysteriösen „Origami-Killer“ steuert der Spieler vier ganz unterschiedliche Charaktere durch animierte Sequenzen. Obwohl es auch in diesem Spiel um Mord und Totschlag geht, hat die USK eine Freigabe ab 16 Jahren erteilt. „Man darf gespannt sein, wie die Gewalt in diesem Spiel aussieht“, sagt Michael Nagenborg.

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