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Die Hunnen kommen! Szene aus "Total War: Attila".

© The Creative Assembly

Computerspiel im Fakten-Check: "Rom war froh, in Attila einen Ansprechpartner zu haben"

Die Computerspielserie "Total War" stellt historische Konfliktphasen nach. In "Total War: Attila" erleben Strategie-Fans die Zeit der Völkerwanderung, zehn verschiedene Völker sind spielbar. Doch wie genau nehmen es die Macher mit der Geschichte? Wir baten den Hunnen-Experten Michael Schmauder von der Uni Bonn um einen Fakten-Check.

Herr Professor Schmauder, was weiß man heute über die Hunnen?

Aus der Zeit der Hunnen gibt nur sehr wenige archäologische Funde, deshalb gibt es auch kaum gesicherte Erkenntnisse. Wir wissen eigentlich nur, dass die Hunnen aus dem asiatischen Raum kamen, aber über ihre Formierungsphase ist so gut wie nichts bekannt.

Wann erscheinen die Hunnen auf der historischen Bühne?

Ab 375 n.Chr. treten die Hunnen an der Nordküste des Schwarzen Meeres in Erscheinung. Doch selbst für diese Zeit sind die archäologischen Funde sehr überschaubar. Das hängt einerseits mit den Bestattungssitten zusammen und andererseits damit, dass es keine riesigen Menschenmengen waren - sondern vermutlich mobile, militärisch sehr gut ausgebildete Kontingente, die mit relativ wenigen Kriegern viel bewirken konnten. Man kann hier von maximal einigen zehntausend Personen ausgehen.

In "Total War: Attila" (Rezension) sind die Hunnen eines von zehn spielbaren Völkern. Sie kämpfen unter anderem gegen Römer, West- und Ostgoten. Waren die Fronten damals wirklich so klar?

Man geht davon aus, dass es bei den Hunnen einen asiatischen Kern gibt, zu dem auch Persönlichkeiten wie Attila zählten. Das waren echte Reiternomaden. Ab 375 n.Chr. hat man es aber mit ganz unterschiedlichen Völkern zu tun. Im Umkreis Attilas gab es unter anderem Germanen, Ostgoten und Alanen, die ihm treu ergeben waren - ethnische Zugehörigkeit spielte da keine Rolle, wie überhaupt in der gesamten Zeit der Völkerwanderungen.

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Im Spiel sind die Ostgoten eine unabhängige Spielfraktion...

Die Ostgoten, von denen man historisch korrekt eigentlich erst nach dem Ende des hunnischen Reiches sprechen kann, wurden bereits um 375 von den Hunnen geschlagen und in das Hunnische Reich integriert. Danach gab es zwischen beiden Völkern keine größeren Kämpfe mehr: Die Masse der Ostgoten lebte im Hunnischen Reich.

Die Trailer zum Spiel inszenieren den Hunnenkönig Attila als apokalyptischen Reiter, der den Niedergang des Römischen Reiches einläutet. Wie gefährlich war Attila wirklich für die Römer?

Attila war für das Römische Reich eine echte Bedrohung, er hat es stark unter Druck gesetzt. Das Verhältnis ist jedoch ambivalent: Rom war Mitte des 5. Jahrhunderts n.Chr. ganz froh, in Attila einen festen Ansprechpartner zu haben, der in der gesamten Grenzregion für eine gewisse Stabilität sorgte. Die eigentlichen Schwierigkeiten begannen für das weströmische Reich erst nach dem Zusammenbruch von Attilas Reich: Dieser Zusammenbruch brachte alle möglichen Völkerschaften wieder in Bewegung.

Der rundenbasierte Modus in "Total War: Attila".
Der rundenbasierte Modus in "Total War: Attila".

© The Creative Assembly

Wie sah das Verhältnis von Römern und Hunnen konkret aus?

Es gab immer wieder Bündnisse zwischen Rom und den Hunnen, gerade um 400 n.Chr.. Sie holten sich häufig hunnische Kontingente, um vor allem germanische Gruppen zu bekämpfen, die ins Römische Reich eingefallen waren. Auch der römische General Flavius Aëtius setzte hunnische Kontingenten ganz gezielt ein, um Konflikte im Reich zu lösen oder zu schüren. Das ambivalente Verhältnis zwischen Römern und Hunnen zeigt sich besonders bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern: Attila war bereits geschlagen, Aëtius setzte aber nicht nach.

Warum tat er das nicht?

Aëtius hat immer versucht, seine Gegner so zu schwächen, dass ein Kräftegleichgewicht entstand. Vermutlich wusste er, dass er etwas Unkontrollierbares auslösen würde, wenn Attila vernichtet würde. Die Fokussierung auf eine Person war für Rom am einfachsten.

Permanent im "Horde-Modus"

Die Karte von "Total War: Attila".
Die Karte von "Total War: Attila".

© The Creative Assembly

Im Spiel sind die Hunnen das einzige Volk, das sich permanent im so genannten "Horde-Modus" befindet. Das heißt, die Hunnen können keine Städte gründen und müssen ständig plündernd umherziehen. War das wirklich so?

Attila und seine Vorgänger haben versucht, in den Steppenregionen am Schwarzen Meer und im Karpatenraum ein reiternomadisches Reich aufzubauen. Sein Vordringen nach Westen diente immer dazu, Beute zu machen und die Anhängerschaft an sich zu binden. Aus diesem Teufelskreis konnte Attila kaum aussteigen: Selbst kurz nach der Niederlage auf den Katalaunischen Feldern war er wieder in Italien unterwegs und plante einen Zug gegen Ostrom. Die Hunnen zogen sich nach ihren Kriegszügen im Römischen Reich immer wieder in ihre Territorien nördlich des Limes zurück. Als Reiternomaden lebten sie meist in Jurten und nicht in festen Gebäuden. In Städten haben sie sich nie längere Zeit aufgehalten.

Im Prolog des Spiels übernimmt man die Rolle der Westgoten. Sie ziehen umher, erobern verschiedene Städte und bauen diese auch aus. Ist das historisch belegt?

Die Westgoten bauten nach ihrer Aufnahme in das Römische Reich im Jahr 376 keine komplexen Gebäude, sie besetzten auf dem Balkan auch nicht dauerhaft Städte. Sie ernannten auch keine Statthalter oder Provinzverwalter, zum einen hielten sie sich dafür viel zu kurz an bestimmten Orten auf, zum anderen handelte es sich um römische Verwaltungsstrukturen. Sie waren in ihren zwei Jahrzehnten auf dem Balkan permanent unterwegs.

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Im Spiel nutzen die Westgoten bei der Eroberung von Städten Katapulte, Belagerungstürme und Rammen...

Die Westgoten verfügten tatsächlich über Belagerungsgerät. Sie waren gut ausgerüstet, sonst hätten sie die oströmische Armee unter Kaiser Valens in Adrianopel im Jahr 378 nicht schlagen können. Das Belagerungsgerät bauten die Westgoten aber nicht selbst, sondern dies dürfte vor allem durch Gefangene römische Soldaten geschehen sein.. Solche Technologien basierten auf dem Know-How der Römer.

Michael Schmauder ist Abteilungsleiter am LVR-LandesMuseum Bonn und Honorarprofessor an der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Studium der Vor- und Frühgeschichte in Bonn, Berlin und München. Magisterarbeit zu spätantiker Malerei in Neapel in Christlicher Archäologie. Promotion zu Oberschichtgräbern und Schatzfunden des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. ist Südosteuropa in Vor- und Frühgeschichte. Forschungsschwerpunkte Spätantike/Völkerwanderungszeit und Reiternomaden.

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