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Figuren aus "Yet Another World".

© Extraleben

Interview: Theater trifft "Grand Theft Auto"

Das Stück "Yet Another World" verschmilzt Bühnenraum und Videospiel. Zu erleben ist es bei der International Games Week in Berlin. Ein Gespräch mit Benjamin Burger, der gemeinsam mit Anne Andresen Regie führt.

Herr Burger, worum geht es in "Yet Another World"?

"Yet Another World" ist eine Roman-Adaption des Buches "Chronic City" von Jonathan Lethem. In dem Roman wird die Frage aufgeworfen: Leben wir in einer fingierten Wirklichkeit, in einer Simulation? Wir von der Theatergruppe Extraleben erzählen diese Geschichte in der virtuellen Welt des Computerspiels "Grand Theft Auto IV".

Wie verknüpfen Sie Roman und Spiel?

Als Firma "Extraleben" versprechen wir den Theaterbesuchern, den ersten künstlichen Menschen entwickelt zu haben, den wir in der Welt von "Grand Theft Auto IV" ansiedeln konnten. Die Besucher können diesen Prototypen nun bewundern: Sie bereisen seine Lebenswelt und treffen ihn dort live, er erzählt ihnen etwas über seine Geschichte - und diese Geschichte ist wiederum entliehen aus dem Roman.

Was haben Computerspiele und Theater grundsätzlich gemein?

Zunächst einmal gibt es einen grundsätzlichen Unterschied: Theater besetzt Raum, deutet ihn narrativ um, während Computerspiele den Raum nach ihren Bedürfnissen erweitern. Überschneidungen gibt es viele: In beiden Fällen gibt es eine Kulisse, eine Dramaturgie, Interaktion, Narration. Beide verbindet zudem, dass sie Live-Medien sind. In einem Spiel wie GTA herrschen rudimentär die gleichen Mechanismen wie im Theaterraum oder strukturell im filmischen Raum. Wir mussten Location Scouting betreiben, wir mussten überlegen, in welcher Kulisse wir welche Szene erzählen, welche Figur wir welche Rollen sprechen lassen. Wir mussten die Avatare also virtuell casten. Das war auf einmal sehr filmische oder theatrale Arbeit in der Videospielwelt.

Wie werden die Theaterbesucher ins Geschehen eingebunden?

Drei Zuschauer teilen sich einen Controller, mit dem sie eine Figur steuern. Nach einem längeren Intro loggen wir uns alle in die virtuelle Welt ein und begegnen dem Protagonisten. Die Leute folgen ihm, und er erzählt ihnen etwas über sein Leben in New York , was er dort erlebt hat. Es ist so etwas wie eine literarische Stadtführung, die dann aber zunehmend auseinanderbricht.

Das Stück wird live vertont.
Das Stück wird live vertont.

© Extraleben

Welchen Einfluss haben die Zuschauer?

Wir gehen auf die Zuschauer ein. Es ist aber nicht so, dass sie dieses Stück komplett frei selbst bestimmen könnten, denn wir haben ja einen Roman als Vorlage. Die Handlung ist gewissermaßen "geskriptet". Da liegt ja beibei Videospielen oft das Dilemma: geskriptete Handlung oder Freiheit.

Wie schwierig ist es, die Geschichte von "Chronic City" in einer offenen, nichtlinearen Spielwelt zu erzählen - einem so genannten Open-World-Game?

Die große Herausforderung ist, komplex und emotional zu erzählen. In dieser Hinsicht nutzen sich Open-World-Games schnell ab, denn die Avatare verfügen nur über sehr eingeschränkte Ausdrucksmöglichkeiten, Die Gesten wiederholen sich, es gibt unzählige Tötungsmöglichkeiten, aber jemandem zuzuwinken ist unmöglich. Wir können Emotionen nur durch die Wahl der Kulisse, Musik und die Stimme ausdrücken. Deswegen wird die Sprachausgabe von Synchronsprechern live eingesprochen. .

Ist "Yet Another World" auch für Theaterbesucher ohne Computerspiel-Erfahrung geeignet?

Die Zuschauer erhalten ein Tutorial und erlernen die Steuerung von Grund auf. Dass die Teilnehmer Dreiergruppen bilden, erleichtert die Sache zusätzlich.

Zuschauer tauchen per Spielkonsole in die virtuelle Stadt ein.
Zuschauer tauchen per Spielkonsole in die virtuelle Stadt ein.

© Extraleben

Was können Games und Theater voneinander lernen?

Was das Theater von Games lernen kann, sind vor allem die Einbindung der Zuschauer und die etablierten Erzählstrukturen in einer interaktiven Narration. Außerdem sollte das Theater keine Angst vor Technologie haben. Das Videospiel wiederum kann vom Theater die Emotionalität, die Dringlichkeit und das Spiel mit den Erwartungen erlernen. Für uns ist es spannend, ein Action-Spiel zu nehmen und darin einen komplexen, feinfühligen Roman zu erzählen.

Braucht es neue Schnittstellen oder eine bessere Künstliche Intelligenz, um diese Dringlichkeit ins Spiel zu bringen, von der Sie sprachen?

Games werden in Zukunft immer räumlicher, die Schnittstelle tritt immer weiter in den Hintergrund. Virtual-Reality-Brillen oder Augmented Reality verbinden reale Räumlichkeit mit den virtuellen Möglichkeiten. Dadurch entstehen natürlich ganz neue Methoden für eine körperliche Einbindung des Spielers.

Welche aktuellen Computerspiele gefallen Ihnen besonders gut?

Ich bin ein großer Fan der Serie "The Walking Dead" von Telltale. Ihre besondere Stärke ist, moralische Dilemmata zu erzeugen und Entscheidungen herbeizuführen. Ohnehin reizen mich narrative Games besonders. Auch "Kentucky Route Zero" ist fantastisch: Es ist sehr literarisch und theatralisch.

Theaterstück "Yet Another World" der Gruppe Extraleben.
International Games Week Berlin - "Gamefest am Computerspielemuseum"

Aufführungszeiten: 23.4.2015: 20:00 - 21:30 Uhr (auf Einladung) 24.4.2015: 18:30 - 20:00 und 21:00 - 22:30 Uhr 26.4.2015: 18:00 - 19:30 Uhr und 20:30 - 22:00 Uhr Ort: Studiobühne in der Alten Feuerwache, Marchlewskistraße 6, 10243 Berlin Empfohlen ab 16 Jahren Eintritt: 8 Euro

Karten gibt es hier.

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