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Hacken unter höchster Gefahr: Szene aus "Invisible, Inc."

© Klei Entertainment

Neue Games: Hackerangriff: "Technobabylon" und "Invisible, Inc." im Test

Wie sieht unsere Welt in 50 Jahren aus? Zwei neue Computerspiele entführen in eine Zukunft zwischen Nanotechnik, Überwachung und Künstlicher Intelligenz. Als Hacker unterwandern Spieler das System.

Wenn Game-Designer sich die Zukunft vorstellen, dann oft als Dystopie. Computerspiele wie "Deus Ex" oder "Watch Dogs" zeigen Gesellschaften, die von Überwachung, Repression und den Interessen globaler Konzerne bestimmt werden. Die Heldinnen und Helden dieser Spiele sind stets Außenseiter: Sie kämpfen gegen das herrschende System und nutzen dabei ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten - so wie der Hacker Neo im Film "Matrix".
Computerspieler jedoch sind nicht nur Zuschauer: Sie schlüpfen selbst in die Rolle der Helden, bestimmen selbst über deren Schicksal. Der Kampf nimmt sehr unterschiedliche Formen an: Dystopien gibt es als Rollen- und Strategiespiele, als Point-and-Click-Adventures und Open-World-Games, in denen man futuristische Städte erkundet. In den letzten Wochen sind gleich zwei neue Science-Fiction-Spiele vor dystopischer Kulisse erschienen: "Invisible, Inc." von Klei Entertainment und "Technobabylon" von Wadjet Eye Games. Wir haben die beiden Neuerscheinungen für Sie getestet.

Invisible, Inc. (PC, Mac, Linux)
Klei Entertainment genießt einen hervorragenden Ruf: Das kanadische Independent-Studio entwickelte das Survival-Spiel "Dont' Starve" und das 2D-Schleichspiel "Mark of the Ninja", beide wurden Bestseller. Auch "Invisible, Inc." ist ein Schleichspiel, allerdings keines, bei dem es auf Fingerfertigkeit und schnelle Reaktionen ankommt. Stattdessen geht es um Strategie und Risikobereitschaft.
Wir schreiben das Jahr 2074: Die Regierungen sind abgesetzt, die Welt wird von Großkonzernen beherrscht. Invisible, Inc. ist eine Auftragsfirma, die Konzerngeheimnisse ausspioniert - sie verfügt über ein weltweites Netz von Agenten und eine hoch entwickelte Künstliche Intelligenz namens Incognita. Eines Tages wird die Firma enttarnt und ihr Hauptquartier überfallen, nur wenigen Mitarbeitern gelingt die Flucht. Sie haben genau 72 Stunden Zeit, um ihren letzten großen Auftrag auszuführen. Doch um die Supercomputer mit Incognita am Laufen zu halten, braucht es viel Geld. Das muss der Spieler bei Spionage-Aufträgen rund um den Globus verdienen.

"Invisible, Inc." ähnelt dem großartigen "XCOM: Enemy Unknown". In beiden Spielen lotst man Einsatzteams durch gefährliche Missionen, die Zug um Zug auf einer in Felder unterteilten Karte ablaufen - und die aus der Vogelperspektive gesteuert werden. Bei "Invisible, Inc." wählt man aus einem Agenten-Pool ein Zweier-Team aus. Agent Brian Decker etwa ist ein Meister der Tarnung, während seine Kollegin Maria "Internationale" Valdés Computer-Terminals sogar durch Wände hindurch hacken kann: Beiden nutzen High-Tech-Implantate, um ihre Fähigkeiten zu verbessern. In den Missionen infiltrieren die Agenten Firmenräume, um wertvolle Wirtschaftsdaten zu stehlen und nebenbei auch den einen oder anderen Geldtresor zu knacken - unterstützt werden sie dabei von Incognita. Die Räumlichkeiten sind mit Überwachungskameras, Laserschranken und Tür-Passwörtern gesichert, schwer bewaffnete Wachen patrouillieren durch die Gänge. Der Clou: Die Labyrinthe von "Invisible, Inc." sind nicht einzeln von Hand entworfen, sondern werden prozedural generiert, also mit einem gewissen Zufallsfaktor vom Computer erzeugt. Keine Mission ist wie die andere - das erhöht den Wiederspielwert enorm.

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Agent Decker & Co. tun alles, um bei ihrem Raubzug unentdeckt zu bleiben. Direkte Konfrontationen mit Wachen gilt es zu vermeiden, sie enden meist tödlich. Stattdessen sind Schleichen, Tarnung und das Hacken von Sicherheitssystemen gefragt. Wichtig ist, so schnell wie möglich die zentralen Punkte des Labyrinths ausfindig zu machen: den Standort des Hauptcomputers, bewachte Nadelöhre und den rettenden Ausgang. Je länger eine Mission dauert, desto gefährlicher wird sie. Denn wenn klar ist, dass sich Eindringlinge in der Firma befinden, erhöht sich die Alarmstufe mit jedem Spielabschnitt - die Firewalls sind dann schwerer zu knacken, es gibt zusätzliche Überwachungskameras und auch mehr Wächter, die zudem stärker bewaffnet sind. Spieler müssen sich ihr Vorgehen genau überlegen - sonst verzetteln sie sich und landen in einer tödlichen Sackgasse. Jedem Agenten stehen pro Runde eine bestimmte Anzahl "Aktionspunkte" zur Verfügung: Mit diesen Punkten kann der Spieler die Figur über das Feld ziehen, Türen öffnen oder Terminals hacken. Bevor man einen Raum betritt, sollte man auf jeden Fall prüfen, ob er von Kameras oder Security-Mitarbeitern überwacht wird; dafür schaut man durchs Schlüsselloch oder linst um Ecken. Felder, die im Sichtkegel einer Wache oder Kamera liegen, sind rot eingefärbt und müssen gemieden werden. Gegner haben bestimmte Laufwege, man kann sie umschleichen oder hinterrücks betäuben - allerdings wachen sie nach ein paar Spielrunden wieder auf und schlagen Alarm. Dann sollte man nicht mehr in ihrer Nähe sein.

Die Künstliche Intelligenz Incognita hackt das Sicherheitssystem. Szene aus "Invisible, Inc.".
Die Künstliche Intelligenz Incognita hackt das Sicherheitssystem. Szene aus "Invisible, Inc.".

© Klei Entertainment

Das Hacken der Sicherheitssysteme übernimmt stets die KI-Begleiterin Incognita. Ähnlich wie die Agenten verfügt sie über rundenweise aufgefrischte Aktionspunkte - je höher die Sicherheitsstufe eines Terminals ist, desto mehr Punkte müssen investiert werden. Damit unterscheidet sich "Invisible, Inc." von anderen Games, die das Hacken mit Rätseln und Logikaufgaben verknüpfen. Langweilig wird "Invisible, Inc." allerdings nicht, im Gegenteil: Das permanente Abwägen von Chancen und Risiken ist ein hoch spannender Balance-Akt. Erkundet man weitere Räume, in denen vielleicht noch wertvolle Beute wartet? Oder strebt man lieber in Richtung Ausgang, weil die Alarmstufe unentwegt steigt?
Schon auf der ersten von drei Schwierigkeitsstufen ist "Invisible, Inc." sehr anspruchsvoll. Die zufallsgenerierten Level sind manchmal so aufgebaut, dass der Weg zum Ausgang kaum zu schaffen ist. Wird ein Agent im Einsatz verhaftet, kann man ihn zwar wieder befreien - doch diese zusätzlichen Rettungsmissionen nagen am 72-stündigen Zeitlimit. Wer einen unbedachten Zug gemacht hat, kann die begrenzte Rückspulfunktion nutzen; in manchen Fällen hilft aber nur der Level-Neustart. Musik und Comic-Grafik passen hervorragend zum spannenden Agenten-Szenario, auch der schrittweise Ausbau ihrer Fähigkeiten motiviert. Fans von rundenbasierten Strategiespielen werden mit "Invisible, Inc." lange Spaß haben.

"Invisible, Inc." für PC, Mac und Linux (Download). Preis: 20 Euro. USK: Keine Alterseinstufung.

Technobabylon

Schleichen... und dann hinterrücks überwältigen: Szene aus "Invisible, Inc.".
Schleichen... und dann hinterrücks überwältigen: Szene aus "Invisible, Inc.".

© Klei Entertainment

Die Hackerin Latha Sesame lebt in einem heruntergekommenen Wohnblock inmitten einer neonschimmernden Mega-City. Sie trägt Overalls aus recyclebarem Papier, ernährt sich von Brei aus einem Essensgenerator und verlässt so gut wie nie ihre Behausung - stattdessen verbringt sie die meiste Zeit in einer dreidimensionalen Cyber-Welt namens "Trance". Latha ist eine von zwei Hauptfiguren des Point-and-Click-Adventures "Technobabylon", das im Jahre 2087 spielt. Die andere ist Charlie Regis, ein Polizist alter Schule mit deutlicher Abneigung gegen jede Art von High-Tech-Kram, dessen Polizeibehörde jedoch von einer zentralen KI koordiniert wird. Gemeinsam mit seiner jungen Kollegin Max Lao ist Charlie einem Mind Jacker auf der Spur: Der Unbekannte hackt sich in die Hirne seiner Opfer, um Informationen zu stehlen, und tötet sie dabei. Latha und Charlie wissen noch nicht, dass sich ihre Wege irgendwann kreuzen werden. Und dass dadurch eine weitläufige Verschwörung zum Vorschein kommt.

Die Firma Wadjet Eye Games ist auf Point-and-Click-Adventures spezialisiert. Seit ihrer Gründung im Jahre 2006 hat sie ein Dutzend solcher Spiele entwickelt und veröffentlicht, etwa den spannenden Neo-Noir-Thriller "Gemini Rue" und das Mystery-Adventure "Blackwell Deception". Fast alle Wadjet-Eye-Spiele zeichnen sich durch eine kunstvolle Pixel-Ästhetik aus, die an die Blütezeit des Genres in den Achtzigern erinnert. Mit "Technobabylon" legt das Studio nun ein Cyberpunk-Abenteuer vor, das Anleihen beim Film "Blade Runner" und Spielen wie "Deus Ex" oder "Police Quest" nimmt. Das Spiel überzeugt durch sorgfältig ausgewählte Synchronsprecher, geschliffene Dialoge und überraschende Wendungen. Und auch die Genre-typischen Kombinationsrätsel sind meist gut in die Zukunftswelt integriert.

Vernetzt: die Hackerin Latha aus "Technobabylon".
Vernetzt: die Hackerin Latha aus "Technobabylon".

© Wadjet Eye Games

Vor allem die Matrix-artige Trance dient immer wieder als Plattform für originelle Rätsel. Zum Beispiel manipuliert Latha Automaten und Sicherheitstüren, um ihre Ziele zu erreichen - dafür klinkt sie sich in die Trance ein und hackt die Firewalls der Geräte. Das klingt trocken, ist es aber nicht, weil die Firewalls als künstliche Intelligenzen auftreten: Die Tür wird von einem virtuellen Ritter bewacht, den Essensautomat steuert eine KI-Köchin. Durch Dialoge erhält Latha schließlich Hinweise darauf, wie sie die Sicherheitssysteme überlisten kann. Andere Rätsel sind herkömmlicher gestrickt, passen aber ebenfalls gut in die Sci-Fi-Welt des Spiels: Mal analysiert man DNA-Proben, mal steuert man eine Drohne. Die meisten Rätsel, in denen man Gegenständen kombiniert, sind mit logischem Denken gut lösbar - nur in ganz seltenen Fällen sind die Lösungen so abwegig, dass man es mit Trial and Error versuchen muss.

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Eine große Stärke von "Technobabylon" ist seine glaubhafte Welt. Zwar strotzt das Spiel vor Cyberpunk-Klischees wie regennassen Straßenschluchten und finsteren Hacker-Höhlen - doch gelingt es ihm ganz ausgezeichnet, Themen wie Überwachung und Entfremdung zu thematisieren. Die pixelige Retro-Grafik lässt viel Raum für die Einbildungskraft der Spieler. Die Zukunftsvision von "Technobabylon" wirkt dadurch stimmiger als so manches Action-Spektakel vor Hochglanzkulissen.

"Technobabylon" für PC (Download). Preis: 15 Euro. USK: Keine Alterseinstufung.

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