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Videospiele: Wenn der Himmel weint

Ein Meilenstein der Videospielgeschichte: "Heavy Rain" bietet mehr Tiefgang als Ballerei.

Die Szenen könnten aus einem Werbespot für Bausparverträge stammen: An einem Frühlingsmorgen spielt ein Vater mit seinen beiden Sprösslingen im Garten hinter dem Haus, gemeinsam feiert die Vorzeigefamilie am Frühstückstisch einen Kindergeburtstag. Es ist eine unwirklich heile Welt, in die uns das Videospiel „Heavy Rain“ hineinversetzt, und die es wenig später auch wieder komplett zerstört: Einer der Söhne stirbt bei einem Autounfall, die Ehe zerbricht an Schuldzuweisungen, man geht getrennte Wege. Nun sitzt der Vater, schwermütig geworden, in einer dunklen Wohnung im schmuddeligen Vorort. Schon naht der nächste Schicksalsschlag: Das verbliebene Kind wird vom Spielplatz weg entführt. Alles deutet darauf hin, dass es sich in der Gewalt des „Origami-Killers" befindet, der Knaben in Regenwasserkanälen ertränkt und die Leichen mit gefalteten Papierfiguren markiert. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

„Heavy Rain“ ist das neue Werk des französischen Spieleentwicklers David Cage („Fahrenheit"), und es lässt sich wohl am besten als „interaktiver Film Noir“ beschreiben. Auf der Jagd nach dem Origami-Killer steuert der Spieler vier verschiedene Hauptfiguren, deren Wege sich immer wieder kreuzen: den verzweifelten Vater Ethan Mars, die Journalistin Madison Paige, den FBI-Agenten Norman Jayden und den Privatdetektiv Scott Shelby.

Anders als in den meisten Action-Titeln geht es in „Heavy Rain“ nicht um Geballer und markige Sprüche. Die zentrale Frage des Spiels lautet: Wie weit würdest du gehen, um jemanden zu retten, den du liebst? Jede Entscheidung, die getroffen wird, kann gravierende Auswirkungen auf weitere Geschehnisse haben – das Spiel hält mehrere Handlungsverläufe parat. Sogar sterben können die Hauptfiguren: „Heavy Rain“ geht dann ohne sie weiter. Ethan Mars steht immer wieder vor der Wahl, wie weit er die Schnitzeljagd des Entführers mitspielt und dessen lebensgefährliche Aufträge ausführt. Auch in den anderen Rollen herrscht häufig Zeit- und Handlungsdruck, etwa beim Verhör eines Verdächtigen oder bei der Schnüffelei in einer Wohnung.

Dass „Heavy Rain“ ein Meilenstein der Videospielgeschichte ist, hat einen einfachen Grund: Es nimmt seine Protagonisten ernst. Der Spieler muss nicht nur Reaktionsschnelligkeit und Nervenstärke beweisen, er soll sich tief in die Figuren hineinversetzen. Die emotionale Bindung stellt das Spiel mit alltäglichen Aufgaben her: wenn es gilt, eine Wunde zu säubern oder ein Baby zu wickeln. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, auch wenn die Controllersteuerung das Geschehen reichlich abstrahiert, liegt in diesen Momenten eine stille Magie. „Heavy Rain“-Schöpfer Cage beweist, dass er vom Kino gelernt hat: Filmreife Kameraperspektiven, Split-Screens, packende Dialoge und ein orchestraler Soundtrack schaffen intensive Spielerlebnisse. Auch wenn die Handlung mitunter wie ein Mix bekannter Serienmörderfilme wirkt, zeigt „Heavy Rain“ eindrucksvoll, wie erwachsene Unterhaltung an der Konsole aussehen kann. Achim Fehrenbach

Für Playstation 3. USK: ab 16 Jahren. Preis: 70 Euro.

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