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Mehrere hunderttausend zumeist junge Fans von Computer- und Videospielen nach Köln pilgern.

© REUTERS

Gamescom in Köln: Virtuelle Realität ist mehr als nur ein Spiel

Deutschland muss sich fragen lassen, ob es für diese Zukunft hinreichend gerüstet ist. Die neue Technologie betrifft die bedeutenden Industriezweige. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kurt Sagatz

Mehrere hunderttausend zumeist junge Fans von Computer- und Videospielen werden in den nächsten Tagen nach Köln pilgern. Bis zum Sonntag findet dort mit der Gamescom die wichtigste Messe dieser verhältnismäßig jungen Branche statt, die jedoch mit gut zwei Milliarden Euro Jahresumsatz allein in Deutschland ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Zum Vergleich: An der Kinokasse lassen die Deutschen mit 1,2 Milliarden Euro nur etwas mehr als die Hälfte dessen, was sie für Spiele aus den Bereichen Sport, Spaß, Simulation, Strategie, aber eben auch für Action- und Ballerspiele ausgeben. Oder für die Zusatzinhalte im derzeit wohl populärsten Smartphone-Game „Pokémon Go“. Die große Faszination liegt in der Verbindung von realer Welt und virtueller Realität, durch die die kleinen Monster an allen nur denkbaren realen Plätzen eingesammelt werden können.

Die Fachleute sprechen von erweiterter Realität, die Branche ist verzückt und hofft nach Jahren der Stagnation – sowohl beim Umsatz als auch bei den Ideen – auf neue Impulse. Einer davon heißt Virtuelle Realität oder kurz VR, zu erkennen an den klobigen Brillen, die in diesen Tagen in keiner Zeitung und in keinen Fernsehnachrichten fehlen dürfen, wenn von der Gamescom in Köln und in einigen Wochen von der Funkausstellung in Berlin berichtet wird. Doch VR ist mehr als nur der nächste Trend in einem kurzlebigen Unterhaltungssegment. Die Technik dahinter ist nicht ans Medium Spiele gebunden. Die Verschmelzung von realer Welt und von Computern berechneten Bildern wird in den nächsten Jahren große Bereiche des Lebens und der Arbeitswelt nachhaltig verändern.

Bei VR-Spielen steht der wirtschaftliche Durchbruch kurz bevor

Konstrukteure in der Automobilindustrie müssen künftig keine Prototypen mehr bauen, um sie in realer Größe begutachten oder verändern zu können. Denn die 3-D-Technik ist nicht mehr an einen festen Standpunkt gebunden. Im Operationssaal muss der Arzt nicht mehr auf einen Monitor schauen, um endoskopische Bilder zu sehen. Bei komplizierten Eingriffen werden ihm die nötigen Informationen oder Bilder auf seine VR-Brille projiziert. Und ein Monteur muss keine schweren Handbücher mehr mit sich herumschleppen, sondern wird von einem VR-Expertensystem dabei unterstützt, die Schrauben in der richtigen Reihenfolge anzuziehen. Noch ist das meiste davon Zukunftsmusik. Doch bei VR-Spielen steht der wirtschaftliche Durchbruch kurz bevor, die neuen Brillen wie die von Sony sind nicht einmal halb so teuer wie die Konkurrenzmodelle. Nächstes Jahr mischt dann auch Microsoft mit; deren Hololens-Brillen lassen sich mit jedem neuen Windows-Rechner verbinden. Da über 90 Prozent aller Schreibtisch-Computer mit Windows laufen, ist das ein wichtiges Kaufargument.

Auf der Gamescom brechen die Computer- und Videospielefans erst einmal zu anderen, fernen Galaxien auf, beispielsweise mit dem VR-Spiel „Star Trek Bridge Crew“. Technik und Titel stammen zumeist aus Japan und den USA. Die Industrienation Deutschland muss sich fragen lassen, ob sie für diese Zukunft hinreichend gerüstet ist, wichtiger noch: ob sie in der Lage ist, diese Zukunft aktiv mitzugestalten? Ob Medizintechnik, Maschinenbau oder Automobilsektor – die neue Technologie betrifft die bedeutendsten Industriezweige des Landes. Hier geht es um ganz reale Zukunftsfragen. Denn VR ist mehr als nur ein Spiel.

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