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Medien: Garantiert ohne Schleichwerbung

Manche Marken gibt es nur im Fernsehen. Die drei Designer von „Schein Berlin“ erfinden alles – von Bier über Waschmittel bis zum Geldschein

„Altril“ ist der Name des Waschmittels, das Bier heißt „Kranzhofer Pilsener“, und auf der Sektflasche steht „Cornet“. Die Namen der Produkte klingen glaubwürdig, und die Verpackungen sehen täuschend echt aus. Aber in keinem Supermarkt der Welt gehen sie über den Ladentisch. Was so real klingt und aussieht, sind die Produkte der Berliner Firma „Schein Berlin“. Die drei Inhaber, Jan Hülpüsch, Henning Brehm und Daniel Porsdorf, stellen „Scheinprodukte“ für Spielfilme und Fernsehserien wie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ oder „Bianca“ her.

„Wir schaffen fremde Welten. Wir erfinden Dinge, die man sich in der Realität vorstellen kann, die aber nur in den fiktiven Welten des Films tatsächlich erscheinen,“ sagt der studierte Grafikdesigner Henning Brehm. Denn echte Markennamen und Produkte wie „Coca-Cola“ und „Mars“-Riegel sind spätestens seit dem Schleichwerbung-Skandal des letzten Jahres tabu in Fernsehserien.

Seit fünf Jahren arbeitet die Firma „Schein Berlin“ erfolgreich für die RTL-Dauerserie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. „Die Idee kam zu uns,“ sagt Jan Hülpüsch, der vor sechs Jahren von einem Freund gefragt wurde, ob er das Design für die RTL-Serie „Großstadtträume“ machen würde. Die Handlung spielte in einer Zeitschriftenredaktion, und dafür wurden zahlreiche Magazine benötigt. Jan Hülpüsch gestaltete die Cover, und sein Freund Daniel Porsdorf schoss die Fotos.

Auch heute macht die Gestaltung von Printtiteln für „GZSZ“ immer noch einen großen Teil der Arbeit des Teams aus. Schließlich ändern sich die Cover der fiktiven Zeitungen in der Serie jede Woche. Dazu kommen noch zahlreiche Bücher, Poster und Produkte. Allein 380 Marken hat „Schein Berlin“ in den letzten Jahren für „GZSZ“ gestaltet – und darin sind die zahlreichen Ablegerprodukte, wie die Light-Versionen von Getränken, noch nicht mitgezählt.

Während der Dreharbeiten zu „GZSZ“ merken die Requisiteure oft erst kurz vor Drehbeginn einer Szene, dass ein Detail fehlt. Deswegen hat die Firma auch ein Büro in den Babelsberger Studios, wo die Serie für den Privatsender gedreht wird. In solchen Fällen muss das Design in wenigen Minuten stehen.

Den Namen einer roten „Coca-Cola“-Dose zu überkleben und daraus eine „Floki“-Cola zu machen, genügt aber nicht. Denn ein neuer Name macht noch lange kein echtes Fake-Produkt aus. „Zu einer Marke gehören ebenso die Farben und anderen Gestaltungscharakteristika“, sagt Henning Brehm. Deshalb schaffen die Designer ein vollkommen neues Produkt: Sie recherchieren den Namen, messen den Rohling aus, gestalten am Computer den Aufkleber oder die Verpackung und drucken dann ihr Werk aus. Das Ganze passiert in nur 20 bis 60 Minuten.

Da bleibt keine Zeit für kreative Blockaden. „Dafür haben wir uns auch zu viele Inspirationsquellen aufgebaut“, erklärt Brehm, der in seiner Freizeit vor allem ausländische Supermärkte und ihr Angebot fotografiert und ungewöhnliche Produkte sammelt. Um eine neue Marke zu gestalten, benötigt er keinen Blick in einen Supermarkt. „Eigentlich haben alle Menschen die realen Designs in ihren Köpfen gespeichert, ich rufe sie lediglich ab.“

Die Designer gehen ihre Arbeit vor allem intuitiv an. Man müsse die Typografie eines Produkts treffen. Denn ein Jogurt-Becher in Rot sei einfach undenkbar, sagt Jan Hülpüsch. Ihn amüsiert es, wie sehr sich die Verpackungen der einzelnen Produktgruppen in der Realität oft ähneln.

So dürfen die Macher auch nicht dem Reiz nachgeben, ein auffälliges Design zu entwerfen, das in der Realität erfolgversprechend wäre. „Das Produkt soll vor allem glaubwürdig aussehen und den Blick nicht von den Schauspielern und der Handlung ablenken“, so Hülpüsch. Er ist froh, dass er sich für das Fernsehen austoben kann, da er hier eine größere Palette an Artikeln herstellt. Seine Scheinprodukte sind schneller und damit auch günstiger gefertigt als die Designs in der realen Welt.

„Medikamente sind eigentlich am leichtesten zu gestalten“, sagt Henning Brehm, „sie haben ein sehr reduziertes Design.“ Aber auch ausländische Artikel gehören zum Repertoire von „Schein Berlin“. Europäische Produkte lassen sich mithilfe von Wörterbüchern ganz leicht herstellen. Schwieriger werde es bei asiatischen Artikeln, meint Brehm, der auch schon das Design eines fiktiven japanischen Energy-Drinks entworfen hat. Nach den Dreharbeiten erklärte ihm eine Japanerin, dass der Schriftzug „Autohaus“ bedeute. Da es sich hier um einen Auftrag für eine deutsche Serie handelte, war dies kein Problem. Ohnehin sind die Produkte meistens nur wenige Sekunden auf dem Fernsehschirm und kaum im Detail zu erkennen.

Wieso unternimmt ein Sender den Aufwand, spezielle Marken für die Serie gestalten zu lassen? Das gehöre bei „GZSZ“ mit zur Bildqualität, sagt Hülpüsch und erklärt, wieso niemals eine real existierende Limonade von den Protagonisten der Serie getrunken wird. „Die Serie ist letztlich nichts anderes als ein Vehikel, um Werbeblöcke zu verkaufen. Wenn ,Coca-Cola‘ also die Getränke in der Serie stellen würde, würde ,Pepsi‘ wohl kaum den Werbeblock dazwischen kaufen. Wenn allerdings ein fiktives Getränk konsumiert wird, dann haben beide Firmen einen Anreiz, im Block zu werben.“

Erstaunlich nur, dass die Aufträge für das „Schein Berlin“-Team nach der Schleichwerbung-Debatte nicht deutlich mehr geworden sind. „Immerhin hat die Sensibilität zugenommen. In der ,Lindenstraße‘ werden Produktnamen überklebt, in manchen Filmen bleiben ganze Küchen leer aus Angst vor rechtlichen Problemen“, so Designer Hülpüsch, der dies weder „schön“ noch „realistisch“ findet.

Doch eigentlich hat die Firma auch so genug zu tun. Schließlich gehört nicht nur „GZSZ“ zu den Kunden, sondern auch deutsche Spielfilm- und Hollywoodproduktionen. Der letzte große Auftrag war der Kinofilm „V – wie Vendetta“. Henning Brehm sagt, die Amerikaner seien schon weiter. „Die haben mich gleich für sechs Monate gebucht. Da ist man in seiner Arbeit viel freier und kreativer. Man liest das Drehbuch und überlegt sich dann, welche Produkte gebraucht werden. Man arbeitet mit viel mehr Leuten zusammen, vom Kulissengestalter bis zum Fahrzeugbauer.“

Für den Science-Fiction-Film hat er Geldscheine gestaltet, eine Fortentwicklung nach dem Vorbild des britischen Pfunds. Bezahlen kann er mit denen im realen England auf gar keinen Fall – die Queen fehlt auf der Pfundnote.

Kerstin Leppich

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