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Nachwuchsförderung. Unter dem Motto „Die Neuen DeutschPoeten“ präsentiert Fritz regelmäßig deutschsprachige Musiker und Bands wie Kraftklub. Foto: RBB

© rbb/Stefan Wieland

Geburtstag: Spaß dran!

Sag’ mir, wo die Jugend ist: Radio Fritz, eines der ersten medialen Ost-West-Projekte nach dem Mauerfall, wird 20. Gut für Die Ärzte - schlecht für die Toten Hosen.

Kleine Quizfrage: Wenn die Macher von Radio Fritz auswählen müssten, welche der drei arrivierten deutschen Bands noch zur Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen passt, welche wäre das: a) Die Toten Hosen, b) Die Ärzte oder c) Tocotronic? Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigen sich tagaus, tagein Fritz-Programmchefin Karen Schmied und Musikchef Aditya Sharam, genauso wie es ihre Vorgänger Helmut Lehnert, Konrad Kuhnt und Stefan Warbeck getan haben. Seit nunmehr 20 Jahren versucht das Jugendradio des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) den Zeitgeist zu treffen, was immer schwieriger wird, eingedenk der starken Konkurrenz privater Radiostationen in Berlin-Brandenburg und des demografischen Wandels. Die Zielgruppe wird nicht gerade größer.

Anders noch vor 20 Jahren. Radio Fritz ging aus dem Brandenburger Jugendradio Rockradio B sowie dem SFB-Jugendradio Radio 4 U hervor. Am 1. März 1993 morgens um sechs Uhr startete das Jugendradio sein Programm aus den ehemaligen Studios des DDR-Rundfunks in der Nalepastraße in Berlin – damals noch eine Gemeinschaftsproduktion von SFB und ORB. Fritz gilt als Experiment eines der ersten medialen Ost-West-Projekte nach dem Mauerfall, lange vor Gründung des RBB.

Ende 1993 zog der Sender in die neuen Studios des ORB nach Potsdam-Babelsberg. Dem ersten Chefredakteur Helmut Lehnert, einem SFB-Mann gelang es, Ost- und Westpersonal zu mischen. Zugleich entwickelte er mit Fritz ein innovatives Radioformat, das weniger auf Mainstream, sondern stark auf Interaktion, Hörerbeteiligung und regionale Verankerung als „Kommunikations- und Aktionsradio“ setzte. Damit wurde Fritz Vorbild für viele andere öffentlich-rechtliche Jugendwellen wie N-Joy vom NDR oder 1Live vom WDR und setzte sich in der Region ab von der privaten Konkurrenz wie Energy oder KissFM.

Nach eigenen Angaben liegt denn auch das Wort-Musik-Verhältnis bei Radio Fritz mit Sendungen wie „Highnoon“ oder „Bluemoon“ bei bemerkenswerten 40:60. Woanders wird ein Charthit nach dem anderen gespielt, weil’s gut für die Quote ist. Gehört wird Fritz durchschnittlich von 91 000 Zuhörern pro Stunde. Die Zielgruppe wird allerdings knapp verfehlt, der Altersdurchschnitt beträgt 32 Jahre. Die größte Herausforderung sei der demographische Wandel, sagte Programmchefin Karen Schmied, die den Job 2012 übernommen hat. „Es gibt immer weniger junge Menschen in der Region.“ Darauf müsse der Sender immer wieder reagieren. Zum Beispiel musikphilosophisch. Electro, Hip-Hop, Urban, auch mal Indie, Techno, Kraftklub – „es gibt keine Stile mehr. Wir wollen Vielfalt dokumentieren, alle Facetten der Jugendkultur abdecken“, sagt Musikchef Sharma. Dazu gehört seit 2005 auch eine eigene Location, der 4000 Quadratmeter große FritzClub im Postbahnhof am Ostbahnhof, mit rund 1000 Gästen Wochenende für Wochenende. Radio Off-Air.

Natürlich hat die lange Radio-Fritz-Geschichte auch ein paar Kratzer. 2011 wurde die beliebte Sendung KenFM abgesetzt, dem Moderatoren Ken Jebsen gekündigt, nachdem Vorwürfe laut worden, er verbreite antisemitische Positionen. Dennoch, wenn in den vergangenen Jahren beim RBB übers Sparen nachgedacht wurde, der Bestand von Radio Fritz stand nicht wirklich zur Debatte. Bestenfalls soll Fritz dem Öffentlich-Rechtlichen Sender neues Publikum zuführen. Das dann später, mit Ende 30, 40 bei Radio Eins eine Heimat findet, genauso wie die Redakteure, Autoren und Moderatoren, die irgendwann aus ihrer Aufgabe bei Fritz herauswachsen. Siehe Steffen Hallaschka, Christian Ulmen oder Jürgen Kuttner, der bis 2007 mit seinem „Sprechfunk“ eine der originellsten Formate bei Fritz moderierte.

Chris Guse, mit einer eigenen TV-Show im RBB derzeit einer der markantesten Figuren im Radio-Fritz-Kosmos, ist noch nicht so weit. „Ich denke da von Tag zu Tag“, sagte er am Donnerstag bei einem Pressetermin am Postbahnhof. Der 33-Jährige wird am 9. März zusammen mit Magdalena Bienert das Geburtstagsfestival in der Columbiahalle moderieren. Eines ist sicher: Tocotronic oder die Toten Hosen werden dabei nicht zu hören sein. Die sind endgültig raus aus der großen Party (Motto: „Fritz an, Spaß dran!“), aus dem Geschmack der Zielgruppe von Radio Fritz. Die Ärzte dürfen weitermachen.

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