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Medien: Geiz ist nicht mehr geil

Mini-Trends, rohe Sprache, kluge Köpfe: In Berlin werden die besten Werbungen des Jahres geehrt

Das Team der Berliner Werbeagentur DDB ahnte schon vorher, was auf sie zukommen würde: Während die letzten Gäste sich am frühen Sonntagmorgen von der Party nach der Preisverleihung stehlen, müssen die Werber noch handwerkliche Arbeit verrichten: Die Urkunde für die beste Werbeidee an die Wand nageln. Für den passenden Nagel sorgt der Art Directors Club (ADC), der jährlich die kreativsten Ideen der Kommunikationsbranche mit Nägeln krönt – aus Gold, Silber oder Bronze.

Nägel werden in 36 Kategorien vergeben. Ganz vorne in den Königsdisziplinen der klassischen Werbung wie Fernsehen und Print stehen große Namen wie die Kampagne für VW von DDB, Mercedes (Springer & Jacoby), Media-Markt (Kemper Trautmann) und Hornbach (Heimat). Und die Werbung der Berliner Agentur für VW prescht voran, sie war dem Gremium gleich in zwei Kategorien Gold wert: Kinowerbung und Publikumsanzeigen. „Was hier zählt, ist die Idee“, sagte Fred Baader. Bei diesem Satz legt der Chairman der Jury besondere Betonung in seine Stimme. Im Vorfeld der Awards war die Kritik laut geworden, der Wettbewerb sei ein Forum für massenuntaugliche Ideen selbstverliebter Werber, quasi „Fake“-Werbung. Ideen, die nur zum Selbstzweck aus dem Boden gestampft werden – um einen der Nägel zu ergattern und Kundschaft anzulocken. Statt plakativer Werbung gingen die Verkaufsideen einen anderen Weg: „Wir wollen nicht den Kopf ansprechen, sondern das Herz“. Diesen Schachzug haben sich die Werber bei DDB zu Herzen genommen, die bei der VW-Werbung mit den „Jungs, die immer schon Männer waren“ den harten Kern im Mann zum Schmelzen bringen wollen.

Zwar meint Baader, der größte Trend in diesem Jahr sei, dass es eben keinen eindeutigen Trend gebe. Er freut sich aber, dass real existierende Qualität in den massentauglichen Werbemarkt Einzug hält. Genial einfach sei die Ein-Strich-Kampagne für die Mercedes-G-Klasse, die Gebrauchsanweisung, die Blixa Bargeld für Hornbach vorliest, zeuge von „schrägem Humor“. Und er schwärmt von der Media-Markt-Werbung, bei der Oliver Pocher den Kunden humoristisch empfiehlt, sich „nicht verarschen“ zu lassen. Der „Comedy-Überdruss“ schafft Platz für Emotion und Humor. Provokation entpuppt sich dabei als „Minitrend“. Den der Werberat kritisch beäugt: Proteste gegen die Verrohung der Sprache zu schlichten, diese Aufgabe steht ganz oben im Arbeitsalltag. Wer der Werbung die Schuld für einen Sittenverfall in die Schuhe schiebt, mache es sich aber zu einfach: „Boulevardpresse und Breitenfernsehen setzen Standards, wir reagieren nur. Wenn ,Big Brother’ oder ,Superstar’ Profit abwerfen, dockt die Werbung an“, sagt Baader.

Die Werbewirtschaft hat es eben nicht leicht. Spätestens seit Harald Schmidt den Begriff des „Unterschichtenfernsehens“ geprägt hat, überlegen sich Unternehmen genau, wie sie ihr Budget verteilen. Baader sieht für das Privatfernsehen nicht schwarz: „Es kommt nicht auf den Sender, sondern die Sendung an.“ „Wer wird Millionär“ sei attraktiv für Werbeplätze. Allerdings machen die Werbeblöcke der Privatsender andere Produkte schmackhaft als die Werbung der Öffentlich-Rechtlichen. Den Boom der Unterhaltungselektronik oder Fastfood hätten McDonald’s, Snickers und MediaMarkt vor allem der Kundschaft der Privatsender und Boulevardpresse zu verdanken.

Immerhin können die Firmen bei einer Zielgruppe auf Nummer Sicher gehen: Auf den Konten der Senioren schlummert die größte Kaufkraft. Die ältere Kundschaft bestimmt auch, wer am meisten Geld für Werbung ausgibt. So hat der Jury-Chef Zurückhaltung der Konsumgüterindustrie beobachtet. Stattdessen ziehen Banken und Versicherungen ins Feld. Was in guten wie in schlechten Zeiten funktioniert, ist Autowerbung. Da haben sich die Werber einiges einfallen lassen: Prämiert wurden Kino-, Fernseh- und Zeitungs-Kampagnen ebenso wie Promotion für Smart und die Musikkomposition für BMW. Doch lassen die ADCler nicht jede Schnäppchenwerbung durchgehen : „Die ,Geiz-ist-geil’-Kampagne ist nicht originell genug und hätte bei uns keine Chance.“ Und was bringt die Zukunft? Baader freut sich, dass seine Kollegen 2005 besser abgeschnitten haben als im Jahr zuvor: „Man sieht wieder die eine oder andere Stellenanzeige“. Und auch diejenigen, die am Samstag leer ausgegangen sind, müssen ihren Job nicht an den Nagel hängen: In einem Jahr geht es in die nächste Runde.

Der Preis im Internet: www.adc.de

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