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Medien: Gekommen, um zu gehen

Harald Schmidt beginnt seine Abschiedstournee. Er könnte der Beste sein, hat aber keine Lust dazu

Vielleicht hat er es einfach nur eilig. Vielleicht kann er es nicht mehr abwarten, nicht mehr erwarten, dass endlich Schluss ist, dass diese Sache mit der ARD endlich vorbei geht und er zurückkehren kann, dahin, wo er einst so hell leuchtete, dass er alle überstrahlte. Vielleicht will er, sogar er, einfach nur geliebt werden, endlich wieder.

Vielleicht ist das aber auch alles Quatsch. Wie vielleicht so vieles Quatsch war, was wir Fernsehkritiker in den vergangenen Jahren über Harald Schmidt gedacht und über Harald Schmidt geschrieben haben. In manchen Texten ging es dann nicht mehr nur um einen Fernsehmoderator, es ging um viel mehr, es ging um alles. Vor allem ging es darum, was der Fernsehkritiker in Harald Schmidt sehen wollte – und einige wollten in ihm möglicherweise auch sich selber sehen – und zwar die beste Version, die witzigste, schlagfertigste, schlauste Version.

Donnerstagabend also begann seine ARD-Abschiedstournee, nach der kommenden Sommerpause kehrt er zu Sat 1 zurück, das gab er am Montag bekannt und am Donnerstag stand in der „Zeit“ ein Interview mit ihm, das einmal mehr bewies, dass es im Prinzip keinen Besseren im Fernsehen geben könnte. Wenn er will. Wenn er Lust hat. Im Moment hat er keine Lust.

Die ersten Sendungen nach der Sommerpause sind traditionell schwach, das war eigentlich schon immer so. Donnerstagabend war keine Ausnahme. Schmidt startete zwar so, als ob er erst kurz vorher seine letzte Show moderiert hätte. Trotzdem fehlte etwas bei all der Souveränität – obwohl alles da war: die Geschwindigkeit, die Präzision, auch die richtigen Themen (Sarrazin, Kachelmann, Integration, Shell-Jugendstudie, Abschaffung der Wehrpflicht). Der Stand-up-Teil war routiniert, auf der Höhe der Zeit, aber eben nicht auf der Höhe von Schmidts Können. Sollte sich der Profi von seinem Unwohlsein mit seinem Arbeitgeber beeinflussen lassen?

Als Schmidt am Tisch sitzt, folgen die Einspielfilme, manche zünden, manche nicht, der Einspielfilm mit dem Neuen im Team, Max Giermann, zündet überhaupt nicht. Giermann verblüfft in der Sendung Switch Reloaded mit seinen Parodien, seine erste Aufgabe bei Schmidt war Bundespräsident Christian Wulff, aber der Mann scheint so blass zu sein, dass man ihn nicht einmal parodieren kann. Aber immerhin scheint es, als habe Schmidt mit seiner Mannschaft die Politik endlich wiederentdeckt, so als ob er der ARD zeigen wolle, dass man sich über Politik lustig machen kann, ohne Kabarettist zu sein.

Das gelang auch immer dann, wenn Schmidt redete und erzählte; es gelang wie immer nicht, wenn zum Beispiel dieser eine aus seinem Team nach Stuttgart fährt um rund um die Proteste gegen das Bahnhofsprojekt versucht, was „Lustiges“ zu machen. Wenn alle aus Schmidts Team nach seinem Wechsel zu Sat 1 bei der ARD bleiben müssen, dann hat sich dieser Wechsel bereits gelohnt.

Christian Brey kann allerdings mitkommen. Brey ist Schauspieler und Regisseur, und am Donnerstagabend lieferte er eine grandiose Persiflage auf eine im Moment sehr allgegenwärtige, sehr große Versicherungskampagne. Entweder hat Brey Harald Schmidt verstanden. Oder Schmidt hat Christian Brey verstanden – zusammen haben sie bewiesen, dass diese Show in ihren besten Momenten auch ein Zeitgeistmagazin ist, mit einer totalen Verankerung im Heute, im Hier. Kein Klassiker. Nichts für die Ewigkeit. Jetzt gut. Jetzt richtig. Morgen ist vielleicht alles anders, ganz anders.

Es kann aber auch sein, dass der Fernsehkritiker nur will, dass es so sein möge. Um das herauszufinden, muss er wohl weiterschauen. Matthias Kalle

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