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Gold machen im Internet

© dpa

Geldmaschine Internet: Kim Dotcom lacht sich reich

Illegale Webportale finanzieren sich auch aus Werbung mit Markenartikeln. Die betroffenen Unternehmen wollen dagegen vorgehen – aber ihre Möglichkeiten sind begrenzt.

Erinnern Sie sich noch an den dicken Typen, der protzig vor seiner neuseeländischen Riesenvilla mit Luxuswagenflotte posiert oder mit jungen Frauen im Pool planscht? Genau: Kim Schmitz alias Kim Dotcom, Gründer des illegalen Webportals Megaupload, auf dem man sich über 135 000 Filme und Serien anschauen konnte – umsonst und illegal, also ohne Zustimmung der Rechteinhaber und unter Umgehung jeglichen Urheberrechts.

Megaupload wurde 2012 vom Netz genommen, bereits ein Jahr zuvor hatte es das 2008 in Dresden gegründete Downloadportal kino.to erwischt, das mit täglich über 200 000 Besuchern und etwa vier Millionen Klicks zu den 50 meistbesuchten Websites Deutschlands gehörte. Doch die Schließung dieses und weiterer illegaler Portale wie movie2k, 1load oder drei.bz war so nachhaltig wie Unkrautzupfen im warmen Sommerregen: Über Nacht schießt gleich daneben das nächste Kraut aus dem Boden.

Das Geschäftsmodell der meisten dieser Portale, die Dinge, die ihnen nicht gehören, für nichts oder wenig Geld anbieten, basiert einerseits auf Bezahlmodellen und Kostenfallen und andererseits auf Werbung. Die Betreiber dieser Seiten werden zwar juristisch verfolgt und sind mit Strafen bedroht, Werbung ist aber nicht so richtig verboten. Und so spülen Unternehmen der werbungtreibenden Industrie den Inhabern illegaler Plattformen oft sehr viel Geld in die Taschen. „Es ist schon unerträglich, dass wertvolle Medieninhalte der Kreativwirtschaft als Lockmittel missbraucht werden“, wetterte Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GUV) in Berlin, bereits 2011. Es sei ein Unding, dass dabei zum Teil namhafte Anbieter durch Bewerbung ihrer Produkte und Dienste als Financiers solcher Kriminellen wirken würden. Diese parasitären Geschäftsmodelle verdienten mit jedem Nutzer Geld durch Werbeeinnahmen, so Leonardy.

Um einen kleinen Eindruck von den Beträgen zu vermitteln, um die sich diese Syndikate balgen: Die internationale Mediaagentur Magnaglobal prognostiziert, dass im Jahr 2016 weltweit nahezu 118 Milliarden US-Dollar ( rund 90 Milliarden Euro) für Werbung im Internet ausgegeben werden. Damit hätte sich das Online-Volumen innerhalb von nur zehn Jahren verdreifacht.

Vor kurzem hatte der GVU mit seinen Partnerverbänden – dem Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche (VAP, Österreich) und der Schweizerischen Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie (SAFE, Schweiz) – zum „Dach-Forum Urheberrechtsschutz“ nach Berlin geladen, um Gegenmaßnahmen zu diskutieren. Eine effiziente Lösung sei, sagte Leonardy dort, Zugänge zu anonymen illegalen Portalen zu sperren und die Werbung konsequent zu verbieten. Doch das ist nicht so einfach.

Ein Grund dafür ist, dass die meisten Unternehmen die Kontrolle über ihre Online-Werbung im grenzenlosen World Wide Web vollkommen verloren und oft gar keine Ahnung haben, auf welchen Internetseiten ihre Werbebanner landen. Aus diesem Grund haben sie die Verantwortung der Budgets in die Hände spezieller Dienstleister gegeben, aber auch die scheinen überfordert. „Deshalb suchen zum Beispiel Mediaagenturen, die die Werbebudgets der großen Firmen verwalten, Unterstützung durch Computerprogramme beziehungsweise überlassen die Onlinewerbung Vermarktungsorganisationen, die sich um die Platzierung der Werbung kümmern“, erklärt der Düsseldorfer Mediaberater Thomas Koch. Diese Software durchsucht das Internet dann vorrangig nach Seiten mit den höchsten Click- und Besucherzahlen oder nach bestimmten Zielgruppenmerkmalen; ob sie legal oder illegal sind, erfasst und bewertet sie jedoch nicht. Vor einiger Zeit hat die GVU Markenartikler, Banken, IT-Anbieter und andere Werbungtreibende darüber informiert, dass und auf welchen illegalen Seiten ihre Werbung erscheint. „Die meisten sind aus allen Wolken gefallen“, sagt Leonardy. Seitdem sei das Bewusstsein dafür gestiegen, dass jeder dafür sorgen muss, dass seine Werbung nicht auf solchen Seiten erscheint. Schließlich sei das ja auch imageschädigend für die betroffenen Unternehmen und Marken.

Die halbjährlich aktualisierte Studie „Gutenberg 3.5“, die sich mit E-Book-Piraterie beschäftigt, kritisiert: „Offenbar nehmen es diese Unternehmen nicht sehr genau damit, wo sie ihre Werbung platzieren. Sollten sich Werbetreibende diesbezüglich einmal einig sein, könnte man durch den Entzug der Werbung große Teile der illegalen Angebote wirtschaftlich zur Aufgabe zwingen – offensichtlich wollen es weder Werbeunternehmen noch Werbetreibende.“

Doch hier irren die Autoren. Die Werbewirtschaft ist sich schon lange einig und bemüht sich unter Führung des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) seit fast zwei Jahren gemeinsam mit Vertretern aller relevanten Rechteinhaber um eine Lösung des komplexen und komplizierten Problems. „Die illegale Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken ist eines der virulentesten Probleme der Kreativbranche“, sagt Bernd Nauen, Geschäftsführer des ZAW. „Die Werbewirtschaft sieht sich in der Pflicht, Werbefehlschaltungen auf strukturell urheberrechtswidrigen Webseiten wirksam zu verhindern und die Werbefinanzierung entsprechend spürbar einzudämmen.“

Ziel dieses Bündnisses sei eine freiwillige Selbstverpflichtung, die das Schalten von Werbung auf solchen illegalen Seiten ausdrücklich verbietet und Verstöße gegen den zugrunde liegenden Kodex im Einzelfall auch ahndet. Ähnliche Modelle gibt es bereits in den USA und in Österreich. Auch in Deutschland ist der politische Wille hierfür klar artikuliert. Im Koalitionsvertrag ist unter dem Punkt „Reform des Urheberrechts“ zu lesen, dass die Rechtsdurchsetzung insbesondere gegenüber Plattformen verbessert werden soll, „deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut“ und diese „insbesondere keine Werbeeinnahmen mehr erhalten“ sollen.

Doch trotz allen politischen Goodwills konnte die Initiative ihre Arbeit bisher noch nicht aufnehmen. Grund ist das Kartellamt, mit dem die geplante Initiative seit Monaten in Verhandlungen steht. „Natürlich würden wir gerne so schnell wie möglich starten“, sagt Nauen. „Allen Beteiligten war aber von Anfang an klar, dass ein solches Verfahren kartellrechtlich sensibel ist.“ Es ist davon auszugehen, dass eine Zusammenstellung von illegalen Webseiten, auf denen keine Werbung erscheinen soll, vom Kartellamt sowohl als Absprache gewertet werden könnte als auch als Verabredung zum Boykott. Beides ist aus Kartellsicht verboten und könnte die lange Prüfdauer erklären.

Wann es eine Entscheidung geben wird, ist unbekannt. Solange besteht die Gefahr, dass auch Markenunternehmen weiterhin – ob sie wollen oder nicht – strukturell illegale Internetportale finanzieren. Und so lange werden vom Netz genommene Portale sofort durch ähnliche Seiten ersetzt, und der Satz von GVU-Geschäftsführer Leonardy wird noch lange Bestand haben: „Nach kino.to ist vor kino.to.“

DOWNLOAD ODER STREAM?

Unter Juristen ist die Frage weiterhin strittig, ob sich die Nutzer illegaler Streaming-Portale strafbar machen. Die Bewertung hängt im Kern davon ab, ob das Abspielen eines Streaming-Videos juristisch wie ein Download gewertet wird. Andererseits ist ein Stream dem Empfang eines Rundfunksignals ähnlich, wäre dann als reiner digitaler „Werkgenuss“ anzusehen und nicht illegal. Gesetzgeber und den Gerichten wird es weiterhin schwerfallen, beim Streaming die Grenze zur Verletzung des Urheberrechts zu bestimmen. Tsp

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