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In einem Waldstück bei Vechta haben sich die drei jungen Frauen offenbar umgebracht. Geprüft wird, ob sie sich im Netz zum gemeinsamen Selbstmord verabredet haben. Foto: dapd

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Gemeinsamer Selbstmord: Anleitung oder Ausweg?

Drei junge Frauen haben sich umgebracht. Jetzt wird über die Suizid-Foren des Internets diskutiert.

Die drei jungen Frauen, die am Dienstag in einem Waldstück in Niedersachsen offenbar gemeinsam Selbstmord begingen, sollen sich übers Internet verabredet haben. Die Polizei hat inzwischen die Computer der Frauen beschlagnahmt, die 16, 18 und 19 Jahre alt gewesen sind und aus dem Emsland, Thüringen und Bayern kamen. Während die Ermittler die Daten auswerten, ist eine Debatte darüber entbrannt, ob Suizid-Foren verboten werden sollten.

Zwar ist gemeinsamer Selbstmord kein Phänomen des Internet-Zeitalters, wie Dietmar Heubrock, Professor für Rechtspsychologie in Bremen, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Jedoch „ist es über das Internet leichter geworden, sich zu vernetzen.“ Vor allem bietet das Internet einen anonymen Raum, um sich über das Thema Suizid auszutauschen, das für viele Menschen ein Tabu ist. Auch deshalb sind hierzu in den vergangenen Jahren zahlreiche Seiten im Netz entstanden.

Nach einer Studie des Verbands Jugendschutz.net gab es 2006 rund 70 deutschsprachige Suizidforen. Insgesamt sind zum Thema Selbstmord mehrere tausend Seiten zu finden, schätzt Uwe Müller, Leiter der Telefonseelsorge Berlin. Wer in Suchmaschinen Sätze wie „Alles ist scheiße“ oder „Ich will nicht mehr leben“ eingebe, würde schnell auf Seiten oder Foren zum Thema Suizid stoßen. Grundsätzlich verteufeln will Müller die Seiten aber nicht. „Solche Foren können hilfreich sein, wenn die Ausrichtung stimmt. Sie also dazu dienen, dass Betroffene miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam nach alternativen Wegen aus der Krise suchen“, sagte Müller.

Auch Gerd Storchmann vom Berliner Verein Neuhland für suizidgefährdete Jugendliche warnt davor, Suizid-Foren „grundsätzlich zu verdammen“. Teilweise würden die Foren von Experten moderiert. Einen Suizid anzukündigen sei auf solchen Seiten verboten.

Was der Experte besorgten Eltern rät, lesen Sie auf Seite 2.

Problematisch sei jedoch, „wenn in den Foren das Thema Selbstmord glorifiziert wird oder sogar Handlungsanweisungen gegeben werden“, sagte Müller. Teilweise würde in den Foren sogar Druck aufgebaut und die Betroffenen mit Sprüchen konfrontiert wie: „Was, du lebst ja immer noch, du hast dich wohl nicht getraut, du Feigling.“ Fatal sei auch, wenn sich – wie womöglich im Fall der drei Frauen – Jugendliche gemeinsam zum Selbstmord verabreden. Auch dadurch, so Müller, könne ein Druck entstehen, dem sich die Betroffenen nicht entziehen können.

Pro Tag würden bei der Telefonseelsorge etwa drei Anrufe eingehen, in denen es um akute Selbstmordgedanken gehe, auch bei der Kinder- und Jugendtelefonseelsorge, oftmals hätten sich die Betroffenen vorab in entsprechenden Foren informiert. „Wichtig ist, dass Seiten und Foren im Netz sehr präsent sind, auf denen suizidal Gefährdete Hilfe finden“, sagte Müller. Wer beispielsweise „Selbstmord“ googelt, bekommt als ersten Treffer die kostenlose Nummer der Telefonseelsorge angezeigt.

Wenn Eltern entdecken würden, dass ihr Kind auf Suizid-Foren surft, sollten sie das Thema unbedingt ansprechen: „Zu denken, was nicht sein kann, darf nicht sein, wäre absolut falsch. In so einem Fall muss dringend nach Hilfe gesucht werden“, sagte Müller. Dem Kind dürften aber keine Vorwürfe gemacht werden, sondern es solle vorsichtig nachgefragt werden. Falls es nicht mit den Eltern selbst sprechen wolle, solle versucht werden, dass eine andere Vertrauensperson wie eine Tante, ein Onkel oder ein Lehrer den Kontakt suche.

Auch soziale Netzwerke wie Facebook versuchen, ein Warnsystem zu etablieren. Beispielsweise gebe es im Bereich Hilfe einen Link zu der Frage, was zu tun sei, wenn jemand auf der Website „selbstmörderischen Inhalt gepostet“ hat, sagte eine Sprecherin. Empfohlen werde auf der Seite, dass sich die Nutzer umgehend an Strafverfolgungsbehörden oder einen Notruf wenden.

Auch gebe es einen Link, mit dem Facebook direkt selbstmörderische Inhalte gemeldet werden könnten. In Ländern wie Großbritannien, Norwegen oder den Niederlanden werde auf die Nummern der jeweiligen Telefonseelsorge verwiesen. Für Deutschland fehlt dieser Service bei Facebook bisher noch.

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