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Medien: Georg Kofler: Die Welt als Wille und Web-Kamera

Einst war Georg Kofler einer der Mächtigsten im deutschen Fernsehen. Heute ist er Gemischtwaren-Händler.

Einst war Georg Kofler einer der Mächtigsten im deutschen Fernsehen. Heute ist er Gemischtwaren-Händler. Kofler verkauft bei seinem Shopping-Sender H.O.T. vom Multifunktions-Schraubenzieher bis zur Web-Kamera alles, was nicht niet- und nagelfest ist.

Vom Regenten des Kirchschen TV-Imperiums zum Kaufhaus-Direktor - ist das ein Abstieg? Auf so eine Frage reagiert Kofler gelassen. Er sei immer schon Händler gewesen, sagt er. Als Pro Sieben-Chef habe er Filme ein- und Werbezeiten verkauft. Ob er nun Filme oder Hometrainer unter die Leute bringt - egal. Seit Anfang des Jahres ist Kofler Aufsichtsratsvorsitzender und geschäftsführender Gesellschafter der H.O.T. AG. Die Führung der Senderfamilie von Kabel 1 bis Sat 1 hat er dem Schweizer Wirtschaftsjuristen Urs Rohner überlassen - "freiwillig", heißt es. "Angestellter Vorstandschef" wollte er nicht werden. Sein Unternehmer-Herz schlage zu heftig.

Wer Kofler gegenüber sitzt, kann sich dem Bann des Mannes kaum entziehen. Er ist begeisterungsfähig und kann begeistern, seine Energie ist gewaltig. Das H.O.T.-Bürohaus in der Münchner Herrnstraße lässt einen hingegen kalt. Viel Beton ist aufgetürmt, grau und schwarz das Treppenhaus. Innen Stahl und Glas, ein wenig Holzverkleidung, alles nüchtern und kühl. Vielleicht braucht das der 43-Jährige, um nicht heißzulaufen. Fotografen haben Kofler besonders gerne. Er ist immer in Bewegung, gestikuliert, lacht. Ein dankbares Motiv.

Kofler kommt aus Südtirol; ein Arbeiterkind, der Vater ist früh gestorben, er selbst hat in Wien Kommunikationswissenschaften und Politik studiert. Promoviert hat er über Schopenhauers "Die Welt als Wille und Vorstellung". Philosophie ist seine Leidenschaft, sagt er. Die Zeit dafür müsse man sich nehmen. Das sei wichtig. Auch die Psychologie sei wichtig, um die Menschen richtig zu verstehen. Wenn er nicht übers Geschäft redet, wippt er ungeduldig auf seinem Stuhl. "Die Welt als Wille und Vorstellung", das sei auch sein Programm als Unternehmer, sagt er selbstbewusst.

Und sonst? Kein Aphorismus? Nichts zu Schopenhauer? Kofler überlegt kurz, lacht verlegen und schüttelt den Kopf. Zu lange her. Er ist Unternehmer, da bleibe wenig Zeit für die Theorie: "Mich interessiert die Reduktion von komplexen Dingen aufs Einfache."

Muss man nun über Schopenhauer promovieren, um mit einem Shopping-Sender 500 Millionen Mark Umsatz zu machen? Nein, aber manchmal läuft es so. Und wer den intellektuellen Höhenflug hinter sich hat, braucht auch keine Berührungsängste vor "nachfrageorientierter Programmgestaltung" oder einem Shopping-Sender zu haben. So wie Professor Dr. jur. Helmut Thoma, der RTL Ende der 80er Jahre zum führenden Fernseh-Sender aufgebaut hat.

Georg Kofler ist in Deutschland zum Synonym für Privat-Fernsehen geworden. So wie Thoma. Womöglich noch mehr als sein ehemaliger Chef Leo Kirch. Kofler hatte Pro Sieben wie seinen eigenen Sender geführt. Kirch hatte Vertrauen zu seinem ehemaligen Büroleiter. Kofler hat ihn nicht enttäuscht, er hat Kabel 1 und den Nachrichtensender N 24 gegründet, die Nachrichtenagentur ddp aufgekauft. Kofler hat die Eckpfeiler für Kirchs Senderfamilie in den Boden gerammt, und mit der ProSieben Media AG ein florierendes Unternehmen an die Börse gebracht.

Er kokettiert gerne mit seiner Dynamik, mit dem Macher-Image. In seiner H.O.T. AG duzen ihn alle, dort wird er "Mister Starkstrom" genannt. Den Umsatz will er steigern, den Gewinn nach oben treiben. Der Schnäppchen-Sender soll in ganz Europa etabliert und dann an die Börse gebracht werden.

Mit den Kirchs hat er Rupert Murdoch den ehemaligen Champions-League-Kanal TM 3 abgehandelt. Einen "Live-Sender" will er im Frühjahr daraus machen, erzählt er, Game- und Quiz-Shows senden. Hausfrauen sollen sich das beim Bügeln anschauen und zwischendurch per Telefon spontan bei einer Show mitmachen. "So was gab es noch nie!", sagt Kofler. "Eine echte Innovation!" Wer seine Begeisterung nicht teilen kann, erntet Mitleid. "Das ist doch aufregend, live zu senden!" Nein, Kofler ist kein Philosoph, er ist noch nicht mal kontemplativ unterwegs. Er ist ein Unternehmer in Reinkultur und noch dazu mit Temperament gesegnet. Nach jedem Satz ein Schlag auf den Tisch.

Kofler hat wieder Feuer gefangen, er liebe das Risiko, sagt er. Helmut Thoma glaubt, dass das nur eine platonische Liebe sei. Programmlich gebe es doch auf Pro Sieben außer Fertigware nichts Originäres, meint Thoma. "Big Brother" habe Kofler nicht gewollt.

Doch auch Kofler kennt das Risiko. Mit Programm-Ideen für Pro Sieben ist er mehrmals auf die Nase gefallen. Die Soap "Mallorca" war so teuer wie erfolglos, die Action-Serien "Delta Team" und "Jets - Leben am Limit" blieben beim Publikum ohne Resonanz. Selbst als Kofler im "Gletscher-Clan" als Skilehrer sein schauspielerisches Können zeigte, wanderten die Zuschauer zur Konkurrenz. Ehemalige Pro Sieben-Mitarbeiter lieben den "geschickten Kaufmann". Zwischen "den ganzen Klugscheißern, Hin- und Herlavierern und Jein-Sagern der Branche" steche er hervor. Er sei "ständig gut gelaunt" und könne Leute motivieren.

Kofler hat keine Angst, starke Persönlichkeiten zu fördern, solche, die ihm womöglich seinen Rang streitig machen könnten. Gute Arbeit müssen sie leisten, das ist die Hauptsache. So war das auch im Oktober 1998 mit Borris Brandt, heute Vorstand beim Filmverleih Senator AG. Die Quoten von Pro Sieben waren damals schlecht, die Vorschläge Brandts haben ihm gefallen. "Ich bin der Georg, du der Borris. Und jetzt bist du Programm-Chef. Wenn du mich brauchst, ruf an", hat er da zu Brandt gesagt. Brandts Namen hörte er zu diesem Zeitpunkt das erste Mal.

Hat so ein unternehmerischer Überflieger wie Kofler auch ein Privatleben? "Aber ja!" beteuert er. Unter der Woche sieht es allerdings eng aus. Da war er an einem Tag ab halb neun mit Rupert Murdochs Europa-Chef Marty Pompadour wegen TM 3 in Verhandlung. Dann ging es nach Frankfurt zu einem Branchen-Treff. Danach zurück nach München zu den "Medientagen". Zu Hause angekommen, war früher Morgen. Am Wochenende würde er sich in der Regel frei halten, er hat ja schließlich Frau und Kinder. Wann er denn zuletzt Bergsteigen war? Kofler schaut an die Decke: "Vor sieben Wochen, in Cortina, mit meinem Bruder und meinem Sohn. Das war 3 plus." 3 plus? "Ganz steil nach oben, wir mussten uns wieder 200 Meter abseilen." Kofler drängelt, rutscht auf seinem Stuhl hin und her. Das Gespräch hat ihm zu lange gedauert. "Ich bin kein Workaholic. Ich führe ein ganz normales Leben" - stockt kurz - "mit ein bisserl mehr Tempo als normal." Das hat wirklich nichts mehr mit Schopenhauer zu tun.

Matthias Hochstätter

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