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Geld her! Die Ministerpräsidenten entscheiden am Donnerstag, wie der Überschuss beim Rundfunkbeitrag verteilt werden soll. Viele wollen profitieren: Die Privatsender möchten werbefreie Programme bei ARD und ZDF, die KEF 73 Cent Entlastung je Zahler. Foto: imago

© imago/CHROMORANGE

Gerangel um die Gebühren: „Es werden mehr als 1,14 Milliarden Euro“

Rundfunkbeitrag: Der Chef des Privatfunk-Verbands VPRT rechnet mit höherem Überschuss. Die Privatsender wollen, dass Werbung und Sponsoring bei ARD und ZDF verschwinden. Das würde jeden Beitragszahler 79 Cent kosten.

Herr Schmid, zahlen auch Sie den Rundfunkbeitrag von monatlich 17, 98 Euro?

Natürlich.

Wofür zahlen Sie gerne, wofür nicht?

Ich zahle gerne für die Idee eines Rundfunks, der solidarisch finanziert wird und dafür bestimmte Angebote macht, die sich aus einem kommerziellen Rundfunk nicht herleiten ließen. Ich zahle den Beitrag nicht gerne für Programme, für die es keine Finanzierung über das Solidarprinzip geben muss.

Beispiele bitte!

Gerne zahle ich für Angebote wie den „Weltspiegel“. Das ist ein Programm, das mit seinem Korrespondentennetz in seiner Tiefe von einem kommerziellen Fernsehunternehmen kaum zu leisten ist und einen gesellschaftspolitischen Mehrwert hat. Oder für sehr gut gemachte Gesamtprogramme wie Arte. Schwieriger finde ich Programme, die der Zuschauer eins zu eins, sprich identisch, bei RTL, Pro Sieben etc. finden könnte. Die Champions League im ZDF ist dafür ein klassisches Beispiel. Auch das Werberahmenprogramm am frühen ARD-Abend finde ich fragwürdig, weil es für die Werbeindustrie gemacht wird und nicht dem Grundgedanken der Solidarfinanzierung folgt.

Durch das neue Erhebungsmodell nehmen die öffentlich-rechtlichen Anstalten einen Überschuss von 1,14 Milliarden Euro ein. Was soll damit geschehen?

Ja, bemerkenswerter Vorgang, aber immerhin kann aufgrund der unfassbaren Höhe dieses Überschusses all das gemacht werden, was wünschenswert ist. Ein Teil sollte an den Beitragszahler zurückgegeben werden. Dann sollten Werbung und Sponsoring beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurückgeführt werden. Das würde zwar Mindereinnahmen bringen, die ja aber über den Überschuss gedeckt werden könnten – und die Länder könnten ihre Zusage halten, ARD und ZDF zunehmend von der Werbung zu befreien.

Die KEF schlägt 73 Cent zur Ausschüttung vor. Was davon soll der Beitragszahler bekommen, was zum Ausgleich der geringeren Einnahmen bei Werbung und Sponsoring verwendet werden?

Zwischen 45 und 50 Cent sollte der Beitragszahler bekommen, der Rest ließe sich zu mehr als zu einer symbolischen Reduzierung von Werbung und Sponsoring bei ARD und ZDF einsetzen. Beim Hörfunk wäre folgende Lösung nach dem schon bestehenden NDR-Prinzip richtig: Je Anstalt darf nur ein Programm 60 Minuten pro Tag werben. Beim Fernsehen könnte das Sponsoring entfallen oder die Zahl der Werbeminuten pro Tag – das sind 20 Minuten – reduziert werden. Dann wäre die Spielfläche für Privatplagiatsfernsehen spürbar verkleinert und zugleich die Programmfläche für originär öffentlich-rechtliches Fernsehen vergrößert.

Nun hat die KEF ausgerechnet, dass ein kompletter Wegfall von Werbung und Sponsoring den Rundfunkbeitrag um 1,25 Euro erhöhen würde. Ihrem Modell nach müsste der Rundfunkbeitrag aber nicht erhöht werden. Wie erklären Sie dieses erstaunliche Wunder?

Wir gehen ja gestaffelt vor, wir stellen uns ein Modell vor, das den Einstieg in den Ausstieg bedeutet. Das NDR-Modell auf das gesamte öffentlich-rechtliche Radio übertragen würde rund 25 Cent kosten. Beim Sponsoring reden wir von acht Cent. Die Halbierung der 20 Fernsehwerbeminuten würde 46 Cent kosten. Vielleicht ist das ja auch in zwei Schritten möglich. Eine innere Stimme sagt mir, dass es nicht bei den 1,14 Milliarden Überschuss bleiben wird – aber Rechnen war ja noch nie die Stärke des anderen Systemteils.

Dennoch sind das zusammen 79 Cent. Geld, das der Betragszahler aus dem von ihm bezahlten Überschuss nicht zurückbezahlt bekäme. Eine einseitige Rechnung, finden Sie nicht?

Diesen Reflex könnte man haben. Zwei Aspekte wollen aber bedacht sein. Erstens sagt weniger als die Hälfte aller Zuschauer, dass der Überschuss komplett zurückbezahlt werden soll. Die andere Hälfte möchte, dass das Geld ins öffentlich-rechtliche Programm gesteckt wird, also mehr werbefreier Hörfunk, mehr werbefreies Fernsehen ausgestrahlt wird. Zum Zweiten hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass man die Werbefinanzierung von ARD und ZDF kritisch sehen müsse, weil Werbung ein anderes Programm erzeugt.

Ist der Überschuss beim Rundfunkbeitrag tatsächlich da, um die Kassen der privaten Sender zu füllen?

Nein, aber er ist auch dafür da, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk besseres öffentlich-rechtliches Programm machen kann.

Und der Beitragszahler wird als Seher und Hörer auch noch glücklich dabei. Mehr geht nicht, oder?

Stimmt. Das hat man selten, dass am Ende allen geholfen ist.

Der VPRT denkt an sich zuletzt, das ist relativ selten.

Nein, wir denken an das Gesamtsystem, von dem wir ein wesentlicher Bestandteil sind.

Nun hat die KEF festgestellt, dass das Weniger an Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen keineswegs komplett zu mehr Werbung bei den Privaten führt. Wie sieht Ihre Erwartung aus?

Schwer zu sagen, wir haben keine Modellrechnung dafür. Beim Hörfunk kann man davon ausgehen, dass die Werbung zumindest zu einem Teil bei den privaten Sendern landet. Beim Fernsehen gibt es heute sehr spezielle Kampagnen, die auf ARD und ZDF zugeschnitten sind – die würden nicht bei den Kommerziellen landen. Treppenlift und Pro Sieben passen eben nicht zusammen. Werbung, die altersspezifisch nicht zu den privaten Programmen passt, geht zu anderen Werbeträgern. Aber das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Programm machen kann, und das entlastet uns.

Es gibt immer wieder die Klage, dass mehr Geld für die Öffentlich-Rechtlichen nicht bedeutet, dass mehr Geld ins Programm gesteckt wird. Behauptung: Bei den Privaten geht mehr Werbegeld in den Gewinn und damit auch nicht ins Programm.

Keine Frage, dem kommerziellen Fernsehen in Deutschland geht es momentan gut, aber nur, weil wir auch ins Programm investieren.

Sie sind zufrieden mit der Qualität?

Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland eine sehr gute, vielfältige Fernsehlandschaft, auch dank der Privatsender. Jede Zielgruppe findet das Programm, das sie interessiert. Und davon sehr viel im Free-TV, was in anderen Ländern nicht der Fall ist. Das deutsche Fernsehen schafft es trotz der wachsenden Internet-Konkurrenz, bei der Nutzung stabil zu bleiben und sogar leicht zu steigen.

Sie wollen ein Stück vom Beitragskuchen bekommen. Was würde der VPRT im Gegenzug den Öffentlich-Rechtlichen geben?

Das Problem mit der Werbung ist kein größerer Konflikt zwischen den Systemen. Warum auch? Fallen dem öffentlich-rechtlichen System die Werbegelder weg, dann wird dieser Ausfall über den Rundfunkbeitrag ersetzt. Im Gegenteil. Öffentlich-rechtliches und privates System sollten sich künftig helfen und stützen – beim Schutz des geistigen Eigentums, Zugang zu Infrastrukturen, Erhalt von Frequenzen. Da gibt es mittlerweile eine große Interessenidentität.

Haben Sie den Eindruck, dass die Politik aufwacht und auf diese Themen reagiert?

Na sicher, es geht immerhin um die Zukunft einer der wichtigsten Industrien unseres Landes, der Kreativwirtschaft. Die Bundesländer – na ja, jedenfalls einige – erkennen das inzwischen. Die ordnungspolitischen Initiativen, die vor allem von Berlin, Hamburg, NRW und Bayern getrieben sind, lassen jedenfalls hoffen. Auch, dass Kultur- und Wirtschaftspolitik zusammen gedacht werden müssen, wird mehr und mehr erkannt. Das wird vor allem durch die Bund-Länder-Kommission deutlich, die im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Die muss jetzt noch satisfaktionsfähig besetzt werden und dann könnte (ein bisschen) entschieden werden. Wir wären jedenfalls so weit.

Wie belastbar ist die neue Freundschaft denn beim Thema des von ARD und ZDF geplanten Jugendkanals?

Da muss keiner aufgeregt sein, ich halte den Jugendkanal für vollkommen sinnlos. Das Prinzip eines Jugendkanals kann doch gar nicht funktionieren: Jugend schaut keinen Jugendkanal. Der Jugendliche sucht seine Inhalte in unterschiedlichen Medien. Störend wären Details, wenn der Jugendkanal käme. Es ginge zum Beispiel nicht, dass der Jugendkanal trimedial ausgelegt wäre, sprich auf andere Aktivitäten in anderen öffentlich-rechtlichen Programmen hinweisen und werben würde. Das wäre vor allem ein Problem für den privaten Hörfunk. Ansonsten: Wenn ARD und ZDF dafür das Geld rauswerfen wollen, dann sollen sie.

Das Interview führte Joachim Huber.

Tobias Schmid ist Vorstandsvorsitzender des Verbandes Privater Rundfunk und

Telemedien. Bei der Mediengruppe RTL Deutschland ist er

für Medienpolitik zuständig.

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