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Streitlustig. Gerhart Baum blickt kritisch auf seine Zeit in der FDP zurück.Foto: WDR

© WDR/NDR/Wolfgang Borrs

Gerhart-Baum-Porträt: Der liberale Monolith

Der WDR sendet ein wohlwollendes Film-Porträt aus Anlass des 80. Geburtstags von Gerhart Baum.

„Es wurde gerauft“, erinnert sich Gerhart Baum und meint damit nicht mal die FDP, sondern die „rauen Sitten“ an einem oberbayerischen Gymnasium nach dem Krieg. Gerauft hat Baum dann doch ganz gerne, eigentlich sein Leben lang, für Bürger- und Menschenrechte, für den Schutz des Individuums vor einem zudringlichen Staat. Der gebürtige Dresdner studierte Jura, trat 1954 in die FDP ein, war Staatssekretär, dann Bundesinnenminister. Ein Sozialliberaler durch und durch, der 1982 auch nach dem fliegenden Koalitionswechsel seiner Partei in die Kohl-Regierung nicht aus der FDP austrat. Er habe sich etwas vorgemacht, sagt Baum in dem Film-Porträt des WDR. „Ich habe mir die FDP-Welt zeitweise schön geredet.“ Am 28. Oktober wird Baum 80 Jahre alt.

Autorin Bettina Erhardt erzählt seine Lebensgeschichte, ausgehend von der Dresdner Bombennacht, der Flucht der Familie an den Tegernsee und dem Verlust des in russischer Kriegsgefangenschaft gestorbenen Vaters. Gerhart Baum, damals ein junger Mann, groß geworden mit der „Nie wieder“-Nachkriegshaltung und dem Drang, sich politisch zu engagieren. Private Fotos, Archivbilder, Gespräche mit Baum, dazu Interviews mit seiner Ehefrau Renate, der ältesten Tochter Julia sowie Hans-Dietrich Genscher und Günther Verheugen machen den Beitrag sehenswert. Die Einlassungen von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Friedrich Nowottny und Daniel Cohn-Bendit hätte man sich dagegen sparen können. Politische Gegner Baums kommen ansonsten nicht zu Wort.

Die Lebensgeschichte Baums spiegelt bundesdeutsche Politik wider, den Kampf gegen die alten Nazis, den Streit um die Ostpolitik und die Maßnahmen gegen den RAF-Terrorismus. Im Wahlkampf 1980 nannte ihn Franz-Josef Strauß (CSU) einen „Bundesunsicherheitsminister“ und ein „Idol der Linken“.

Baum ist immer für ein klares Wort gut, dennoch ist diese filmische Zeitreise gerade an den Bruchstellen seiner Karriere zu brav geraten. Versöhnlich sitzen Baum und Genscher vor der Kamera und verlieren kein Wort zur Wende 1982, als sie zu innerparteilichen Gegnern wurden. Genscher sagt nur etwas gönnerhaft, Baum gehöre trotz Differenzen zur liberalen Familie. Ach ja? Wie erging es einem wie ihm in der Möllemann-Westerwelle-Ära? Was hält ihn bis heute in dieser FDP? Fragen, die der Film nicht stellt.

Heute zählt Baum zu den Polit-Weisen. Ein liberaler Monolith. Er und Burkhard Hirsch haben vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreiche Beschwerden geführt: etwa gegen den Großen Lauschangriff oder die Online-Durchsuchung. Baum ist ein beharrlicher Streiter für die Sache der Freiheit. Und ein liberales Feigenblatt für die FDP? Vielleicht, aber ein immer noch vorlautes. „Da ist etwas passiert, was die FDP hässlich gemacht hat“, sagt Baum. „Wir haben Werte, die wir verwirklichen wollen – und nicht nur eine Steuererklärung.“

„Wir wollten die Republik verändern - Der Liberale Gerhart Baum“; WDR, 23 Uhr 15 Uhr

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