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Über den Tisch gezogen. Helmut Schmidt mit Ceausescu, 1978.

© MDR/Fototeca comunismului in Rom

Geschichte im Ersten: Freikauf von Rumäniendeutschen - der Pakt mit Ceausescu

Deutsche gegen Devisen: Unter dem Regime von Diktator Ceausescu wurden mehr als 250.000 Deutschstämmige aus Rumänien, Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben an Bonn verkauft.

Von Matthias Meisner

Es ist klar, dass zum Heldenstück auch ein Schurke gehört. Im Fall eines geheimen Deals zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem sozialistischen Rumänien ist völlig klar, wer die böse Rolle hat: Nicolae Ceausescu, mehr als 20 Jahre lang Diktator in Bukarest. Zu seinen Verbrechen – und darum geht es in der ARD-Doku „Deutsche gegen Devisen – ein Geschäft im Kalten Krieg“ – gehört ein schmutziger Menschenhandel. Er erzwang, dass mehr als 250 000 Deutschstämmige aus Rumänien, Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, nicht freiwillig gehen durften. Sie wurden zwischen 1968 und 1989 an Bonn verkauft.

Eine Riesensumme von einer bis drei Milliarden D-Mark wurde gezahlt. Das Ceausescu-Regime trug so seine Schulden ab. Wahrscheinlich bereicherte sich der vom Westen zunächst als Hoffnungsträger hofierte Kommunisten-Führer auch selbst. Ein Teil des Geldes diente wohl auch dazu, den Geheimdienst Securitate mit westlicher Abhörtechnik auszurüsten. Der Rest ist bekannt: Ceausescu wurde am 25. Dezember 1989 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Es bleibt also der Gute. Er heißt Heinz-Günther Hüsch, ein fröhlicher Rheinländer. 84 Jahre alt, Rechtsanwalt in Neuss. Von 1976 bis 1990 saß er für die CDU im Bundestag. Von einem Spezialauftrag wussten damals nur wenige: Hüsch war der Mann, der mit dem Regime die Kopfgelder aushandelte. Mehrere hundert Male reiste er nach Bukarest, dabei stets ein Aktenkoffer voll Bargeld und eine Pistole. 6,5 Millionen D-Mark gingen pro Tour hinein. Hüschs Personenschutz war ein Familienbetrieb mit Söhnen und Schwiegersöhnen – BKA und GSG 9 ließ er nicht ran. Einmal wollte sich Helmut Schmidt persönlich in die Verhandlungen einschalten. Doch die Rumänen, so schildert es Hüsch, hätten den Kanzler „über den Tisch gezogen“.

Dramatik mit Stop-Motion-Effekten

War es gut, was damals geschah? Autor Razvan Georgescu erzählt das skrupellose Kapitel Kalter-Kriegs-Geschichte wie einen Agententhriller. Immer wieder nutzt er Stop-Motion-Effekte. Zeitzeugen kommen zu Wort. Hans-Dietrich Genscher, natürlich, der langjährige Außenminister: Eine „einzigartige Sache“ sei der Pakt gewesen. Auch für Hüsch war die „Geheimsache Kanal“, wie sie in Bonn genannt wurde, eine „große humanitäre Aktion“. Genial ist, dass der Filmemacher auch Verantwortliche des Bukarester Regimes vor die Kamera gebracht hat. Etwa einen Geheimdienstmann, der schildert, dass mit den Zahlungen der Bundesregierung die Ausreise für viele Deutsche längst nicht abbezahlt war. Zusätzlich flossen in Rumänien Schmiergelder, oft fünfstellige Beträge pro Kopf. Die Securitate versuchte zudem, Rumäniendeutsche als Agenten in die Bundesrepublik einzuschleusen – absurderweise musste auch für sie bezahlt werden. Derweil leerten sich die deutschen Dörfer in Siebenbürgen und im Banat.
„Deutsche gegen Devisen“, Montag, ARD, 23 Uhr 30

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