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Füllt die Theater und schreibt vielleicht bald einen Roman: Jürgen von der Lippe. Foto: picture alliance / ZB

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Gespräch mit Jürgen von der Lippe: "Raab steckt sie doch alle in die Tasche"

Jürgen von  Lippe über gute und schlechte Witze, "Wetten, dass...?", seine neue Leidenschaft und warum er sich früher für unverwundbar gehalten hat.

Herr von der Lippe, zunächst eine Frage zur Gesundheit. Geht’s dem Rücken besser? Im September sah ich Sie in der „Harald Schmidt Show“ zu Kreuze kriechen.

Ja, da hatte ich Rücken, machte Schmidt ein paar Übungen vor. Gott sei dank nur eine muskuläre Geschichte. Da habe ich lange Spaß mit gehabt. Ich mache jetzt jeden Morgen zu Hause mein Sportprogramm: Rudergerät, Sandsack, Laufband. Und zur Entspannung am Nachmittag ein paar Partien Schach. Bei den vielen Tour-Vorstellungen braucht es eine gewisse Physis.

Fit genug auch für „Wetten, das…?“? Sind Sie mal vom ZDF gefragt worden?

Ja. Aber nicht in den letzten Monaten, sondern 1991, ’92, als Gottschalk das erste Mal ging.

Als dann Wolfgang Lippert für ein Jahr übernahm.

Genau, damals wie heute habe ich gewusst: Das ist nicht meine Sendung. Ich habe keinen Lustgewinn, irgendwelche Stars vorgeschriebene Dinge zu fragen. Mal abgesehen davon, dass ich altersmäßig als „Wetten, dass…?“-Moderator nicht mehr infrage komme.

Sie werden im Juni 64.

Es gibt eh’ keinen, der das so können wird wie Thomas. Ich weiß nicht, was sich das ZDF sich dabei gedacht hat, jeden, der als Moderator infrage kommt, zu fragen. Die Sendung ist lange und klasse gelaufen, aber seien wir ehrlich: „Wetten dass …?“ ist langweilig geworden. Ich hätte es Michelle Hunziker machen lassen, mit wechselnden Kollegen. So hätte es funktionieren können.

Steht Ihnen überhaupt noch der Sinn nach Primetime-Gala? Sie haben mit „Geld oder Liebe“ eine der letzten erfolgreichen Samstagabend-Shows im deutschen Fernsehen moderiert.

Vielleicht geht es ja mit „Ich liebe Deutschland“ weiter. Da müssen Sie Sat 1 fragen. Grundsätzlich ist es mir völlig wurscht, ob es Primetime ist. Außerdem bevorzuge ich mittlerweile die Bühne, habe ein Theaterstück geschrieben, das ich in Köln auf die Bühne bringen will. Ich habe mich aufs Schreiben eingeschossen, sitze jeden Tag drei, vier Stunden am Computer. Vielleicht wird noch ein Roman draus.

Keine Lust mehr aufs Fernsehen? Man sitzt doch bestimmt manchmal da und wartet auf einen Anruf vom Sender.

Nein. Im Fernsehen suche ich mir jetzt halt die Nische.

Lippes Sendung "Was liest du?" wurde abgesetzt. Das enttäuschte den Moderator.

Wie mit der Sendung „Was liest du?“, die der WDR Ende 2010 abgesetzt hat.

Das nehme ich dem WDR immer noch sehr übel. Da hängt mein Herz dran.

Das klingt verletzt.

Die Sendung hat nichts gekostet, hatte zufrieden stellende Quoten. Und sie brachte Leute zum Lesen. So etwas muss ein öffentlich-rechtlicher Sender im Programm haben.

Was bringt es den Leuten, Ihr aktuelles Bühnenprogramm zu besuchen?

Vielleicht ja auch einen neuen Job. „So geht’s“ bietet jedenfalls einen zweieinhalbstündigen Comedy-Crashkurs für Senioren. Wir sind ja die kommende Zielgruppe. Comedy ist eine gute Jobmöglichkeit. Und was diese Form des Crashkurses betrifft: Die Attitüde des Lehrers gefällt mir.

Mein Lehrer hat aber nicht solche Witze erzählt: Neben den bekannten Maffay- und Grönemeyer-Parodien fragen Sie Ihr Publikum „Wie nennt man eine hässliche Stewardess? Notrutsche!“

Zitieren Sie bitte komplett. Der nächste Satz lautet: „Der Witz greift ja nicht. Es gibt keine hässlichen Stewardessen.“ Dafür muss ich mich nicht entschuldigen. Denken Sie an Philip Roth, was das Thema Sex, Frauen oder Tabus angeht. Die Kunst besteht doch darin, so etwas nicht in Widerwillen umschlagen zu lassen. Frauenwitze sind übrigens sehr viel härter, die enden meist tödlich für den Mann, zumindest in einer fiktiven Doktorarbeit, die ich im Programm zitiere.

Sie werden schon zugeben, dass derlei Humor gewöhnungsbedürftig ist.

Wenn Sie das sagen. Unterschätzen Sie mir den Witz nicht: Das ist eine literarisch Gattung, die den strengsten Gesetzen folgt. Jeder arbeitet gerne mit Witzen, weil es ein zuverlässiger Lacher ist. Ich schätze nach wie vor Fips Asmussen. Der ist gnadenlos.

Ähnlich wie Mario Barth.

Den schätze ich außerordentlich. Ein Rock ’n’ Roller. Der wendet sich an ein junges Publikum. Und das hat im Unterschied zur old fashioned comedy gerne nachahmbare kleine Einheiten. Das Geheimnis eines erfolgreichen Comedians ist aber generell nicht das Material, sondern die Tatsache, dass er vollkommen überzeugt ist von dem, was er da tut. Das Publikum ist ihm im Zweifelsfall egal.

Ihre Tour ist fast ausverkauft. Das ist offenbar ein Vorurteil: weg vom Fernsehen, weg von der Bühne. Macht Sie das stolz?

Sicher. Und die großen Hallen möchte ich auch gar nicht mehr spielen. Über 1000 Leute, das ist mir zu heftig. Ich muss die Mimik sehen, brauche keine Videowände wie Dieter Nuhr. Das Wort Kleinkunst hat seine Berechtigung.

Machen Sie lieber Fernsehen oder Bühnen-Programme?

Comedy.

Das müssen Sie jetzt sagen.

Nein, das meine ich auch so. Der Haken an einem Fernsehjob ist, dass er dir jederzeit entzogen werden kann, wie 2001 bei „Geld oder Liebe“. Da bin ich dem WDR mit der Beendigung nur zuvorgekommen. Die Quoten waren im Sinkflug, dank Herrn Jauch. Der hat mich versenkt.

Und wer versenkt Sie heute?

Stefan Raab! Der letzte Hero. „Schlag den Raab“ wird in 20 Länder verkauft und dort nur nicht gemacht, weil sie keinen finden, der die Eier hat wie Raab. Der steckt sie alle in die Tasche, ist sich für nichts zu schade, und ein genialer Musiker dazu. Für mich hat keiner die Fernsehlandschaft in den letzten Jahren so geprägt wie Raab.

Das klingt fast ehrfürchtig.

Warum nicht? Stefan Raab ist der Letzte im Fernsehgeschäft, der nach Frankenfeld, Carrell und vielleicht auch von der Lippe sagt: Ich kann, mit meinen Namen, machen, was ich will.

Sie machen jetzt 32 Jahre Bühne und Fernsehen. Gab es dabei etwas, auf das Sie nicht stolz sind?

Sicher habe ich Äußerungen getan, die kräftig daneben waren, wie jeder, der spontan arbeitet. Und kräftig in die Hose gegangen ist das Format „Blind Dinner“, 2001 bei Sat 1. Das ist mir halt misslungen.

Würden Sie im Nachhinein Dinge anders machen?

Vielleicht habe ich mich damals, nach dem Erfolg von „Geld oder Liebe“, für unverwundbar gehalten, so wie es jetzt offenbar Gottschalk am ARD-Vorabend passiert. Aber ich hab’s ja nicht mit Absicht gemacht. Und ich habe nie etwas für Geld gemacht. Doch, halt, ich bin zum Bund gegangen, weil ich das Geld brauchte.

Haben Sie mal darüber nachgedacht, Ihre eigene Biografie zu schreiben?

Nein, ich sehe keinen Sinn da drin: zu Lebzeiten der Leute, über die man schreibt. Das geht nie ohne Verletzungen. Ich möchte nicht lügen, also geht’s nicht.

Geboren am 8. Juni 1948 in Bad Salzuflen (im Kreis Lippe). Bürgerlicher Name: Hans-Jürgen Dohrenkamp. In der Jugend katholischer Messdiener, sein Vater war Barkeeper. Offiziersausbildung bei der Bundeswehr. Sein Studium der Germanistik und Philosophie brach Jürgen von der Lippe ab. Seine Fernsehkarriere begann er 1980 im „WWF Club“.

Es folgten Erfolgsformate wie „Donnerlippchen“ , „Geld oder Liebe“ (ARD, 1989 – 2001, Adolf-Grimme-Preis), „Was liest du?“ (WDR), „Extreme Activity“ (Pro7). Die TV-Aufzeichnung des aktuellen Tour-Programms „So geht's“ läuft bei Sat 1 im Frühsommer.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg.

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