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Medien: „Gib mir Regeln!“

Eine deutsch-türkische Vorabendserie findet im Kulturkonflikt light eine ganze Menge zum Nachdenken

Werfen Sie mal Ihr Bedürfnis nach Logik über Bord. Akzeptieren Sie einfach, dass in dieser Serie eine deutsche, antiautoritäre Psychotherapeutin und ein türkischer Kriminalbeamter ruck, zuck zusammenziehen und die halbwüchsigen Kinder vor vollendete Tatsachen stellen. Das passiert nicht im richtigen Leben! Damit haben Sie zwar Recht, aber nehmen Sie das hier mal so hin. Dann haben Sie die Chance, sich richtig gut unterhalten zu lassen. „Türkisch für Anfänger“ ist eine charmante, ironische, schlagfertige Comedy-Reihe, und wer will, kann auch eine ganze Menge zum Nachdenken darin finden.

Josefine Preuß spielt die 16-jährige Lena. Sie ist die Hauptperson, die ihrer verreisten Freundin Kati in Video-Botschaften über die neuesten Entwicklungen in Berlin berichtet. Lena traut sich alles zu (auch, die verhasste Großfamilie wieder zu sprengen), sie ist cool, hat zu allem eine Meinung, und plötzlich merkt sie, dass ihre gehasste-geliebte Mutter ihren eigenen Weg gehen will. Josefine Preuß ist eine Entdeckung: Die knapp 20-Jährige aus Zehdernick spielt das freche Ding, das wütend, verletzt, überfordert, ironisch und anerkennungsbedürftig ist, so leicht und doch so intensiv, dass man sie wiedersehen will.

Temporeich ist diese Serie, man merkt die Erfahrung mit Vorabendserien, die auf Seiten der Regisseure und der Drehbuchautoren reichlich vorhanden ist. Doch „Türkisch für Anfänger“ ist mehr als nur eine weitere Serie über die Nöte von Pubertierenden und den Kulturkonflikt. „Türkisch für Anfänger“ spielt mit Klischees über „richtiges Leben“, die wir alle haben. Klischees, oder zumindest fest gefügte Ansichten, wie man zu leben hat und wie die Türken sind. Schwer erschütterliche Ansichten, die uns einengen, unfrei machen. Solche rigiden Vorstellungen haben hier nicht nur Lena, ihre neuen „Geschwister“ Yagmur und Cem, sondern auch Lenas Mutter Doris, die eigentlich so total freie Psychotherapeutin. Metin, der neue Vater, könnte vom Klischee her der Verbohrteste der Großfamilie sein, ist aber der, der noch am ehesten begreift.

Eigentlich ist eine solche Serie längst überfällig: In einer Familie prallt Deutsches und Türkisches aufeinander, stellen vor allem die Jugendlichen immer wieder verzweifelt fest: Wir passen überhaupt nicht zueinander! Jetzt endlich gibt es „Türkisch für Anfänger“. Da ist nichts politisch korrekt, außer als Karikatur. Metins Tochter Yagmur ist eine konservative Muslima, die jeden Morgen nach Osten hin betet und glaubt, dass es in Discos fast immer Prostitution und Drogenexzesse gibt. Yagmur und Lena giften sich herrlich an. Doch irgendwann ist Lena an dem Punkt, wo sie nicht mehr weiter weiß. Sie fleht ihre Mutter an: „Gib mir Regeln! Sag mir, was ich tun soll!“

Ja, Jugendliche brauchen Regeln, könnte ein pädagogisches Fazit lauten, aber so einfach macht es uns diese Serie nicht. Es ist eben nicht damit getan, freiheitsverwöhnten Jugendlichen plötzlich stupide Regeln zu geben. Immer wenn man meint, die platten Botschaften der Vorabendserien zu entdecken, wird die Schraube vom Drehbuch her wieder weitergedreht. Diese Serie hat außer Tempo auch Wortwitz, Intelligenz und Ironie, und das ist fast mehr, als man von einer Vorabendserie erwarten kann.

„Türkisch für Anfänger“, Dienstag bis Freitag, ARD, 18 Uhr 50

Eckart Lottmann

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