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Münchner Spezl. Julia George (Jasmin Tabatabai, r.) ist für das Sicherheitskonzept der Geberkonferenz verantwortlich und bittet Kriminalrätin Prohaczek (Senta Berger), sich etwas zurückzuhalten. Seit 2002 ermittelt die Berger im Krimi „Unter Verdacht“. Foto: ZDF

© Christian A.Rieger/klick

Glückwunsch: Das Geschenk

Charlton Heston, Kirk Douglas, noch einmal das Dirndl aus "Kir Royal" und ein neuer Kriminalfall in München – der Schauspielerin Senta Berger zum 70. Geburtstag.

Senta Berger im Dirndl, das gab es nicht oft. Die Rolle der Mona Mödlinger, Freundin des Klatsch-Reporters Baby Schimmerlos in „Kir Royal“, das war so eine, die der gebürtigen Wienerin das Tragen der Bayerntracht manchmal abverlangte. Jetzt ist es wieder so weit: Helmut Dietl dreht zurzeit in Berlin „Zettl“, eine Kinofortsetzung der Kultserie. Senta Berger ist wieder die Mona, „aus der eine Volksmusiksängerin im Dirndl geworden ist“, sagt sie. Eine „marginale Rolle“ nur, aber eine schöne Reminiszenz. Die Mona sei für sie ein Geschenk gewesen. „Ich wurde in Deutschland neu erfunden“, sagt sie über das 1986 ausgestrahlte „Kir Royal“ in dem Porträt „Ich bin ein unruhiger Geist“, das Arte am Sonntag zeigt.

Am heutigen Freitag wird Senta Berger 70 Jahre alt. Neu erfinden muss die Schauspielerin niemand mehr, und das Dirndl, da darf man sicher sein, steht ihr immer noch. Wenn eine Schauspielerin alterslose Schönheit symbolisiert, dann ist es die zweifache Mutter und Großmutter Berger. Und weil die gebürtige Wienerin in dieser Liga weit vorne liegt, sind Kritiker um so erfreuter über Filme, in denen sie keine eleganten Damen spielt.

Zuletzt regnete es Auszeichnungen für ihre Darstellung von Frauen, die sich in fortgeschrittenem Alter nicht beugen, die nach unschuldig verbüßter Haftstrafe um Gerechtigkeit kämpfen wie die Carla Sagmeister in „Schlaflos“ (Deutscher Fernsehpreis) oder die in ihrer Firma gegen die neuen Herren plötzlich quer schießen wie in „Frau Böhm sagt Nein“. Dafür gab es einen Grimme-Preis. Äußerlich blasse, aber interessante Figuren waren das, widersprüchliche, einsame Frauen.

An ihrem Geburtstag ist sie auf Arte wieder als Kriminalrätin Dr. Eva Prohaczek in der seit 2002 ausgestrahlten Krimireihe „Unter Verdacht“ zu sehen. Das ist auch keine sehr glanzvolle Figur. Um Prohaczek herum kreisen zwei Männer, ihr Vorgesetzter Dr. Reiter (Gerd Anthoff), der immer selbst in die Kriminalfälle verwickelt zu sein scheint, und ihr Mitarbeiter Langner (Rudolf Krause), ein komischer Beamten-Kauz. Es ist der zurzeit flotteste Krimi-Dreier, weil hier mit immer noch frischem Witz die Spezlwirtschaft in Bayern aufgespießt wird, die Korruption und ihr moralischer Abgrund.

Eine schöne Parallele ergibt sich da zu „Kir Royal“: Auch diese in der Münchner Schickeria angesiedelte Fernsehsatire war ein bayerisches Gesellschaftspanorama. Die Österreicherin Berger, die Ende der 1960er Jahre ihr Hollywood-Abenteuer abbrach und sich auch der Liebe zu Michael Verhoeven wegen für München entschied, macht sich um eine Art kultureller Reinigung ihrer Wahlheimat verdient.

In „Rückkehr“ nun, dem neuen „Unter Verdacht“-Film, sind Prohaczek und Langner hinter einem Unternehmer her, der offenbar Waffentechnologie nach Afghanistan verkauft hat. Zugleich steht eine Geberkonferenz für Afghanistan in München bevor. Als ein korrupter Polizist getötet wird, gerät ein alter Bekannter von Kriminalrätin Prohaczek schwer unter Verdacht: Eric Glasner (Ulrich Tukur) bildete einst im offiziellen Auftrag Polizisten in Afghanistan aus, sorgt jetzt aber dort für die Sicherheit eines Stammesführers.

Der verwickelte Fall wird etwas unübersichtlich erzählt, auch hat man Ulrich Tukur schon deutlich inspirierter gesehen. Aber am Ende wird es noch einmal gehörig spannend, und dem Trio um Senta Berger zuzuschauen, ist ohnehin eine Freude.

Das profane Fernsehen hat nicht nur Bergers Popularität in den 1980er Jahren wiederbelebt, es hat ihr auch viele prägende Rollen geboten. Rollen etwa wie „Die schnelle Gerdi“: Die Taxifahrerin, die sich 1989 in der ARD-Serie durch den Münchner Alltag boxte, ist eine von Senta Bergers erklärten Lieblingsfiguren.

Längst vorbei waren da die Zeiten des bildhübschen Wiener Vorstadtmädchens an der Seite von Stars wie Kirk Douglas und Charlton Heston. Die von Berger/Verhoeven gegründete Produktionsfirma Sentana erwarb sich Reputation mit zeitkritischen Filmen wie „Die Weiße Rose“ und „Das schreckliche Mädchen“.

Politisch hielt sich die Berger ohnehin nicht zurück. Sie gehörte zu den umstrittenen Frauen, die auf einem „Stern“-Titelbild 1971 bekannten: „Wir haben abgetrieben!“. Senta Berger demonstrierte gegen Atomkraft, die Nachrüstung und die Asylgesetze. Doch ins revolutionäre Raster der 1968er passte der sehr meinungsfreudige Star damals genauso wenig wie ins Klischee von der weltfremden „Filmdiva“ heute.

Im Wahlkampf um das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin bevorzugt sie übrigens die Grüne Renate Künast statt Amtsinhaber Klaus Wowereit (SPD). „Ich liebe die Künast, das ist so eine Frau, die ich bewundere“, sagte sie dem Hörfunksender hr1.

Spät entdeckt das deutschsprachige Kino nun die Berger als Charakterdarstellerin – zurzeit in „Satte Farben vor Schwarz“, demnächst in der Verfilmung von Daniel Kehlmanns „Ruhm“.

„Unter Verdacht“, Arte, 20 Uhr 15

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