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Medien: Große Koalitionen

Schmusekurs und Selbstkritik: Medien und Wahl

Wer noch nach Indizien für eine große Koalition sucht, wurde gestern bei den „7. Berliner Mediengesprächen“ der Evangelischen Medienakademie fündig. Die Bundesgeschäftsführer der beiden Volksparteien machten auf dem Podium einen so kuscheligen Eindruck, dass einem angesichts des herbstlichen Nieselregens draußen ganz warm ums Herz wurde. „Da möchte ich dem Kollegen zustimmen“, sagte Johannes von Thadden (CDU) mehrmals über Karl-Josef Wasserhövel (SPD) – den Mann, der bis zur Wahl sein ärgster Gegner war. Der bedankte sich mit freundlichem Geflüster.

Die schwarz-roten Turteltauben waren indes die einzigen der rund hundert Anwesenden in der Französischen Friedrichstadtkirche auf dem Gendarmenmarkt, die Harmonie ausstrahlten. Maria Kniesburges, Leiterin der Akademie, geißelte schon zur Begrüßung den „apodiktischen Tenor“, mit dem die Medien die rückblickend falschen Prognosen der Meinungsforscher auf „prominente Nachrichtenplätze gehoben“ hätten. Ihre Analysen des TV-Duells hätten die Journalisten auf die „denkbar substanzlose Frage“ reduziert: „Wer war besser?“ TV-Kritikerin Klaudia Wick beklagte neben der stetig kürzeren Haltbarkeitsdauer von Umfragen die „Versportlichung“ des Wahlkampfes. Das TV-Duell sei zwar „ein riesiges Medienereignis“ gewesen, „politisch aber völlig unbedeutend“. Wick warb für einen „Meinungsjournalismus, der sich nicht hinter der Demoskopie verschanzt“. Hier waren offenbar auch die öffentlich-rechtlichen „Elefantendompteure“ Hartmann von der Tann (ARD) und Nikolaus Brender (ZDF) gemeint.

Zur Berichterstattung über die Linkspartei sagte Tagesspiegel-Redakteur Matthias Meisner, man habe eine de facto alte Truppe als etwas „fundamental Neues“ dargestellt. Den beiden Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi seien die Journalisten „irgendwo nachgelaufen“. Bettina Gaus von der „tageszeitung“ fragte, was denn passiert wäre, wenn sie, „als dezidiert linke Journalistin“, dem Umfragehoch von Schwarz-Gelb zum Trotz geschrieben hätte, Rot-Grün könne immer noch gewinnen. „Dann hätte man mir, völlig zu Recht, vorgeworfen, ich würde versuchen, Politik zu machen.“ Tadel, Selbstkritik und Schmuserei – da sage noch einer, Gespräche über Medien seien eintönig.

Felix Serrao

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