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Edmund Stoiber als Gast bei "Günther Jauch": Er vertritt Seehofer und Söder so gut, dass er das Ende der Talkshow überleben wird.

© Paul Zinken/dpa

"Günther Jauch" zur Flüchtlingskrise: Wenn Edmund Stoiber Horst Seehofer imitieren muss

Koalitionsgipfel früh beendet, Thema verloren: Der Talk bei Günther Jauch verkommt zur Harmonieveranstaltung der Union - mit zugeschalteter Kritik von Ralf Stegner.

Sowas kommt von sowas. Die Redaktion von „Günther Jauch“ hatte damit gerechnet, dass das am Freitag ausgerufene Thema „Seehofers Ultimatum: Begrenzt Merkel jetzt den Flüchtlingsstrom?“ am Sonntag noch das Talkthema des Tages war. Da hatten sich die CDU-Kanzlerin und der CSU-Vorsitzende aber auf ein Maßnahmenpapier zur Flüchtlingskrise geeinigt, SPD-Chef Sigmar Gabriel war beim Koalitionsgipfel nach zwei Stunden abgerauscht. Jetzt hat er ein Papier, mehr noch ein Ultimatum auf dem Tisch.

Was nun, was tun, Herr Gabriel und Frau SPD?, das wäre das dringende Thema von „Günther Jauch“ gewesen. Aber kein Sozialdemokrat in Sicht, schon gar nicht im Gasometer. Also wurde der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner aus Kiel zugeschaltet. Der sagte, was er schon bei „heute“ und in der „Tagesschau“ um 20 Uhr gesagt hatte. Die von der Union angestrebten „Transitzonen“ seien quasi Haftlager, die Konservativen seien in einen „Wettbewerb der Schäbigkeit“ eingetreten. Sinnvoll seien nur Einreisezentren.

CDU und CSU stellten in der Talkrunde die Unionsrunde im Kanzleramt nach. Julia Klöckner, stellvertretende CDU-Parteivorsitzende, gab Angela Merkel und Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber imitierte Horst Seehofer.  Aus dem angenommenen Gegeneinander der Unionisten wurde eine Harmonieveranstaltung – weil die SPD durch Abwesenheit glänzte. Da hätten die Sozialdemokraten reagieren müssen, oder war die Redaktion von „Günther Jauch“ nicht reaktionsschnell genug?

Was die Runde am 1. November damit auch verdeutlichte: Die politische Kaste sieht im Talkfernsehen längst nicht mehr die Bühne früherer Jahre. Die erste Reihe fehlte nicht erst am Sonntag. Werden damit Chancen vergeben? Möglich. Werden die Talks noch stärker zu „Laberrunden“, von denen vieles, aber niemals Lösungsansätze zu drängenden Problemen ausgehen? Möglich.

Der Talk am Sonntagabend hat an Bedeutung verloren

Die These steht jedenfalls: Die Talkrunden sind kein „Ersatzparlament“ mehr, sie sind schlicht Fernsehen, das auf das Studiogespräch setzt. Ein Bedeutungsverlust, den auch der Wechsel von Günther Jauch zu Anne Will Anfang 2016 nicht wettmachen wird. Noch eine These: Günther Jauch hört zum absolut richtigen Zeitpunkt auf. Und die Flüchtlingskrise braucht das Beobachtungsfernsehen von Report und Dokumentation und weniger das Beschreibungsfernsehen im Talkstudio.

„Günther Jauch“ am Sonntag machte aus der Themen- und Gäste-Not stellenweise eine Tugend. Es wurden erneut viele Aspekte des Flüchtlingszustroms zusammengekehrt. Jaafar Abdul Karim, Journalist der Deutschen Welle, war dann aufgerufen, die Perspektive der Flüchtlinge einzunehmen und die Deutschen zu weiteren Anstrengungen, zu fortgesetzter Mitmenschlichkeit aufzurufen. In klaren, nicht in kitschigen Worten tat er das. Er sprach mit Hirn, sein Herz konnte der Zuschauer klopfen hören.

Politikberater Michael Spreng war auch da, er kommt immer, wenn er eingeladen wird. Die Runde brauchte Spreng weniger, als der Moderator Jauch einen wie Spreng braucht - mag er Michael Spreng, Hans-Ulrich Jörges oder Anja Reschke heißen. Also journalistische Verstärker, sprich Personen und Persönlichkeiten mit Qualitäten, derer es an Jauch doch mangelt: Journalismus plus Bereitschaft zur Zuspitzung, zur Attacke. Der Politikberater Spreng also tat, was seine Profession ist: Michael Spreng suchte das Haar in der Unionssuppe, wusste vieles besser, er deutete Merkel und Seehofer aus, der Zuschauer durfte hoffen, dass wenigstens die Hälfte davon stimmte.

Das Mittelmaß des gesunden Menschenverstands ist Jauchs Maß

Günther Jauch warf Stichworte ein, in seiner Schnitzeljagd nach dem Thema landete er bei einem Potpourri an Themen. Kein Glanzstück der Moderationskunst, zugleich die 60 Minuten das Eingeständnis aller beförderten, dass kein Papier, und hätte es auch Dutzende von Seiten, die Komplexität des Problems lösen wird. Jauch unterstrich diese Erkenntnis, ob willentlich oder nicht, das tut nichts zur Sache. „Günther Jauch“ wird auch bei den Abschiedssendungen das Mittelmaß  des gesunden Menschenverstands zum Maß nehmen.

Ein Wort noch zu Edmund „Ede“ Stoiber. Der machte Tempo, rief den Notstand aus. Stoiber „stoiberte“ zuweilen arg, wenn er wie eine Mischung aus CSU-Wutbürger und Duracell-Gartenzwerg durchs politische Feld ackerte; Edmund Stoiber, das muss hier in aller Deutlichkeit formuliert werden, wird Bayern, Deutschland und die Welt nicht mehr retten. Seine wesentliche, vielleicht letzte Rolle wird sein, in Talkshows Markus Söder und Horst Seehofer in einer, seiner Person zusammenzuführen. Macht er talkshowtauglich gut. „Ede“ Stoiber wird das Ende von „Günher Jauch“ überleben.

Und das, und nur das war die finale Botschaft einer Talkshow, die nicht in die Annalen des Ersten Deutschen Fernsehens eingehen wird.

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