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An der Front: Kaiser Wilhelm II. (vorne rechts) verleiht Orden an deutsche Soldaten. In der am Dienstag beginnenden ZDF-Reihe „Weltenbrand“ (20 Uhr 15) wurde das Filmmaterial per Hand koloriert.

© Transit-Film GmbH, München

Guido Knopp über "Weltenbrand": „In Farbe rückt 1914 viel näher“

Guido Knopp verabschiedet sich als Chefhistoriker vom ZDF. Doch bevor er geht, hat er noch ein letztes großes ZDF-Projekt gedreht: „Weltenbrand“. Ein Gespräch über die neue Sicht auf die Geschichte.

Herr Knopp, die am Dienstag beginnende Reihe „Weltenbrand“ über die beiden großen Weltkriege des 20. Jahrhunderts ist die letzte große Arbeit unter Ihrer Leitung.

Das stimmt insofern, als dass jetzt die ersten drei Folgen laufen, und die letzten fünf oder sechs – das steht noch nicht ganz fest – folgen 2013 im Spätsommer und Frühherbst.

Für „Weltenbrand“ wurden historische Filmsequenzen restauriert und per Hand koloriert. So sollen die Zuschauer einen besseren Zugang zu dieser Zeit finden. Aber wie nah kann so weit entfernte Geschichte überhaupt sein?

Über die Problematik der Kolorierung haben wir lange diskutiert. Aber wer soll es machen, wenn nicht wir und bei einem solchen Projekt? Die Bearbeitung des historischen Materials soll keine Manipulation sein, sondern eine technische Verbesserung. Den Zeitgenossen damals war ein solches Vorgehen übrigens nicht fremd. Dass das damals neue Medium Film die Welt auf Schwarz-Weiß reduziert hat, wurde oft als Mangel angesehen, als Verlust an Realismus. Mit den heutigen Möglichkeiten können wir diesen Mangel beheben.

Dennoch: Trotz Farbe wirken die Soldatenaufmärsche, ja selbst die Bilder von spielenden Kindern immer noch wie aus einer anderen Welt.

Die aber viel näher sind, als wenn man sich die alten Schwarz-Weiß-Bilder in der originalen Form ansieht. Im Original haben Sie Zappelbilder, wir passen darum zuerst die Geschwindigkeit an. Dann wird das Material restauriert, HD-fähig gemacht und am Ende koloriert. Mir rücken diese Bilder zum Beispiel den Potsdamer Platz von 1914 sehr viel näher, weil sie unserer heutigen Weltsicht entsprechen, die ja farbig ist. Großen Wert habe ich darauf gelegt, dass viele Gesichter aus der Nähe gezeigt werden. Die Leute gucken ja selbst noch an der Front in die Kamera hinein, beugen sich ins Bild, um sich zu zeigen, um diese Kamera zu sehen. Ich denke dann immer, dass die Menschen von 1914 nicht wissen konnten, was ihnen und ihren Kindern in den nächsten dreißig Jahren bevorsteht. Arme Schweine, könnte man sagen.

Die Reihe enthält zahlreiche szenische Darstellungen. Bereits im ersten Teil, der den Kriegsausbruch und das Jahr 1914 behandelt, werden über Rekonstruktionen zwei Personen besonders hervorgehoben – obwohl sie im historischen Kontext zu dieser Zeit noch lange nicht die Bedeutung hatten: Adolf Hitler und Bernard „Monty“ Montgomery. Wie weit vertragen sich Geschichte und Dramaturgie?

Die Diskussion um szenische Elemente begleitet uns seit den 90er Jahren. Wir gehörten zu den Pionieren dieser Entwicklung. Mittlerweile sind Reenactments als Weiterentwicklung der reinen Dokumentation allgemein üblich.

Die Zuspitzung in „Weltenbrand“ geht jedoch weit darüber hinaus.

Das gab es so tatsächlich zuvor nicht. Wir wollen mit diesen szenischen Partikeln dokumentieren, dass die dreißig Jahre dieses Weltbürgerkrieges zusammengehören. Und dass die Figuren, die im Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle gespielt haben, schon im ersten Weltkrieg auf den beiden Seiten der Front gegeneinander gestanden haben. In der zweiten Folge werden so Charles de Gaulle und Hermann Göring aufeinandertreffen, und in der dritten Folge die Generäle George S. Patton auf amerikanischer Seite und auf deutscher Seite Generalfeldmarschall Walter Model.

An der Reihe „Weltenbrand“ sind mehrere Autorenteams beteiligt. Wie sieht Ihre Arbeit als Leiter aus?

Ich habe das Projekt über einige Jahre vor mir hergetragen und dachte immer, dass dies ein schönes Projekt für das Ende meiner Zeit beim ZDF sein kann. Einfach noch mal einen großen Gesamtüberblick über die Jahre von 1914 bis 1945 geben, über diesen Dreißigjährigen Krieg des 20. Jahrhunderts. Den Begriff erfunden hat der britische Historiker Eric Hobsbawm und ich finde, diese Beschreibung trifft voll und ganz zu. Künftige Historiker werden diese Zeit als eine Einheit sehen.

Anders gesagt: Sie wollen mit „Weltenbrand“ etwas Bleibendes schaffen.

Ich sehe „Weltenbrand“ vor allem in Hinblick auf den großen Jahrestag 2014, also den Beginn des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren. Das ist die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Für mich war es eine ganz wichtige Aufgabe, diesen Zeitpunkt als Beginn einer wirklich schrecklichen Phase zu markieren und die darauf folgenden Jahre von diesem Datum aus zu erzählen. Das ist den Schweiß aller Edlen wert.

Allerdings kommt nun der Start der Reihe zwei Jahre vor dem eigentlichen Termin.

Das hat aber auch etwas Gutes. Unsere Partner weltweit haben nun die Zeit, sich das in Ruhe anzuschauen. Bereits jetzt gibt es einige konkrete Anfragen aus Frankreich, den USA, Japan. Anfang Oktober wird „Weltenbrand“ in Cannes gezeigt, um dann die entsprechenden Gespräche zu führen.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn nun das letzte Kapitel ihrer beruflichen Arbeit für das ZDF beginnt?

Ich konnte in 30 Jahren in ganz verschiedenen Formen das machen, was ich machen wollte. Da waren Dokumentationen, Magazine, Doku-Dramen und so spielerische Formen wie ein Geschichtsquiz. Dafür empfinde ich große Dankbarkeit und ich bin froh, dass ich trotz aller Versuchungen beim ZDF geblieben bin. Ich werde dem Fernsehen und den Medien weiter verbunden bleiben, ob als Moderator, Autor oder Produzent. Aber darüber habe ich noch nicht entschieden.

Oder als Gast in Quizsendungen.

Das darf man nicht zu häufig machen, sonst wird man der Geschichts-Quiz-Onkel.

Welche Erkenntnisse haben sie noch aus über 30 Jahren Geschichts-TV gezogen?

Die Zukunftsform der TV-Geschichtsdarstellung liegt in der szenischen Dokumentation – auch aus Etatgründen. Die Sender haben nicht mehr die Mittel, auch das ZDF nicht, um sich teurere Projekte leisten zu können. Ein Doku-Drama von 90 Minuten kostet 1,5 Millionen Euro. Eine Dokumentation von 45 Minuten kostet zwischen 200 000 und 400 000 Euro.

Wie viel Raum bleibt da für Prime-Time-Dokumentationen?

Das wird sicher schwieriger, auch wenn das ZDF diesen Sendeplatz für historische Dokumentationen, den wir 1997 erobert haben, beibehalten wird. Aber die Konkurrenz wird härter. Ich kann meinen Nachfolgern nur eine glückliche Hand wünschen.

Das Interview führte Kurt Sagatz.

Guido Knopp, 64, ist seit über 30 Jahren für das ZDF tätig, seit 1984 leitet er die

Redaktion Zeitgeschichte. Ende Januar 2013 geht er in den Ruhestand.

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